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# taz.de -- Parlamentswahl in Russland: Tausende Verstöße aufgezeichnet
> Auch am letzten Tag der Dumawahl melden Beobachter*innen
> Manipulationen. Der Kremlpartei ist jedes Mittel recht und verschenkt
> sogar Pässe.
Bild: Stimmenabgabe in Grosny, Tschetschenien: Angeblich liegt die Wahlbeteilig…
Moskau taz | Matwejew Kurgan ist ein Dorf wie so viele andere in Russland.
Es gibt unasphaltierte Straßen, eine weiße Lenin-Statue im Zentrum, ein
Heimatkundemuseum. Vor den Wahllokalen wehen am Sonntag ein paar bunte
Luftballons, sowjetische Schlager erklingen. Knapp 1.200 Kilometer sind es
von hier, an der russisch-ukrainischen Grenze im Gebiet Rostow, bis nach
Moskau; 120 nach Donezk, 140 nach Luhansk, in die international nicht
anerkannten Separatistengebiete.
Viele Menschen in diesen Republiken genannten Gebieten wünschen sich
russische Pässe. Sie bekommen sie in diesen Tagen zuhauf – [1][denn in
Russland wird gewählt]. Die Regierungspartei Einiges Russland, Machtbasis
des Präsidenten Wladimir Putin, will ihre absolute Mehrheit im Parlament
verteidigen. Dafür ist ihr jedes Mittel lieb – auch in Matwejew Kurgan.
Der Internetsender Doschd (Regen), kurz vor der Wahl vom Justizministerium
zum „ausländischen Agenten“ erklärt, zeigt gleich mehrere Busse, die über
die Grenze kommen. Dutzende Menschen mit russischen Fähnchen in der Hand
steigen aus und laufen in ein Wahllokal. Offenbar haben sie in der
örtlichen Migrationsbehörde kurz zuvor ihren russischen Pass bekommen,
danach geht es gleich zum Wählen. Mehrere Menschen berichten freudig davon.
Es zwingt sie niemand, doch wissen sie, wem sie den erhofften Pass zu
verdanken haben: Einiges Russland. Erste Hochrechnungen sehen die Partei
bei 47 Prozent, offizielle Zahlen soll es erst in der Nacht auf Montag nach
Redaktionsschluss geben.
Das Team um den inhaftierten Oppositionspolitiker Alexei Nawalny will die
Feier der Machtelite dennoch stören. Mit seiner Methode des „klugen
Wählens“ sollen aussichtsreiche Kandidat*innen anderer Parteien
Einiges Russland schwächen. Dabei zählen nicht die Inhalte dieser
Kandidat*innen, hier heiligt der Zweck die Mittel. Das Regime tut an den
Wahltagen allerdings einiges, [2][um die Nawalny-Listen aus dem Netz zu
nehmen]. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt: Löschen Google, Apple, Youtube
und auch Telegram auf Druck der Behörden die Empfehlungen Nawalnys, so
finden sich die Listen bei Twitter. Ist ein Google-Dokument verschwunden,
entsteht schnell ein neues.
## Tausende Manipulationen im ganzen Land
Bei der Mobilisierung der Menschen geht es dem Staat nicht um die
individuelle Wahl, sondern um eine kollektive Entscheidung, die in den
Augen der regierenden Elite nur eines bedeuten darf: Loyalität zu Putin.
Diese gilt es mit aller Macht sicherzustellen, etwa mit Stapeln bereits
ausgefüllter Stimmzettel, die manche Schuldirektorin in die Wahlurne
stopft, von den Videokameras an der Decke offenbar unbeeindruckt. Andere
Methoden umfassen längst Verstorbene auf den Wahllisten, [3][leicht
manipulierbare Online-Abstimmungen] und die auf drei Tage gestreckte
Abstimmung. In den Nächten sind keine Beobachter*innen zugegen.
Die unabhängige russische Organisation Golos (Stimme), ebenfalls als
„ausländischer Agent“ gebrandmarkt, listet Tausende Manipulationen im
ganzen Land auf. Die OSZE hat dieses Mal keine Beobachtermission geschickt.
Moskau hatte lediglich 60 Beobachter*innen für das ganze Land
zugelassen und die niedrige Zahl mit der Pandemie erklärt.
Der Staat erkauft sich die Stimmen mit Verlosungen, als Quasiersatzhandlung
für all die verschleppten Reformen. Es gibt Wohnungen und Autos zu gewinnen
sowie zahlreiche Gutscheine. Selbst Putin-Sprecher Dmitri Peskow bekommt
nach seiner Online-Abstimmung solch einen Gutschein. Andere, wie in
Matwejew Kurgan, erhalten ihre Pässe. Für manche ist das ein Hauptgewinn
dieser Wahl.
19 Sep 2021
## LINKS
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[3] /Parlamentswahlen-in-Russland/!5802165
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
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