# taz.de -- Oppositioneller über den Tschad: „Auf dem Weg in eine Diktatur“ | |
> Saleh Kebzabo sieht sein Land in einer schweren Krise. Für die | |
> internationale Gemeinschaft spielt der Tschad die Rolle eines Gendarmen. | |
Bild: Tschads Präsident Idriss Déby 2016 zu Besuch in Berlin | |
taz: Herr Kebzabo, der Tschad steckt in einer Wirtschafts- und Finanzkrise. | |
Seit 2016 müssen Angestellte Gehaltskürzungen von bis zu 50 Prozent | |
hinnehmen, obwohl die Förderung von Erdöl 2003 begann. Warum ist es zur | |
Krise gekommen? | |
Saleh Kebzabo: Sie ist die Konsequenz der schlechten Staatsführung von | |
Präsident Idriss Déby. Vor 10 bis 15 Jahren war es besser, sogar ohne die | |
Ölgelder. An denen hat sich Débys Familie bereichert, die Gewinne aber aus | |
dem Land geschafft. Im Land selbst ist die Situation komplett blockiert. | |
Seit über einem Monat wird im Tschad gestreikt. Haben die Verantwortlichen | |
die Mittel, um diesen Generalstreik aufrechtzuerhalten? | |
Solange die Funktionäre nicht vernünftig bezahlt und Gehaltskürzungen nicht | |
zurückgenommen werden, wird der Streik fortgesetzt. Derzeit sehen wir keine | |
Verbesserungen. | |
Der Tschad ist bereits seit mehreren Jahren in der Krise. Warum kommt es | |
jetzt zum Generalstreik? | |
Die Krise hat sich 2017 durch die Umsetzung der neuen Regierungsmaßnahmen | |
verschärft, vor allem durch die Gehaltskürzungen. Damit wurden die | |
Arbeitnehmer direkt getroffen. | |
In den vergangenen Monaten sind Oppositionelle, Journalisten und führende | |
Vertreter der Zivilgesellschaft verhaftet worden. Beunruhigt Sie diese | |
Entwicklung? | |
Sie beunruhigt jeden Demokraten. Wenn man in einer Demokratie beginnt, | |
Menschen zu verhaften, Versammlungen zu verbieten, dann ist das ein Verlust | |
der Freiheit. Wir sind auf dem Weg in eine Diktatur, wenn wir nicht schon | |
bereits dort sind. | |
Gibt es noch die Möglichkeit, mit Déby eine Lösung für das Land zu finden? | |
Déby ist seit 28 Jahren an der Macht, und seit 15 Jahren haben wir Gelder | |
durch Öleinnahmen. Dennoch hat uns der Präsident nie alternative Lösungen | |
gezeigt. Deswegen sind wir der Meinung, dass Präsident Déby keine | |
wirklichen Lösungen anzubieten hat. Man darf nicht vergessen, dass der | |
Tschad vor den Ölfunden ohne große Schwierigkeiten ganz gut funktioniert | |
hat. Vor 15 Jahren gab es keine solche Krise, im Gegenteil: durch die | |
Ölgelder ist es sogar schlechter geworden. | |
Wie begründen Sie das Schweigen der internationalen Gemeinschaft? | |
Man geht davon aus, dass der Tschad ein wichtiger Partner ist, wenn es um | |
die Sicherheit in der Region geht. Tschadische Truppen sind zum Kampf gegen | |
Dschihadisten nach Mali geschickt worden, wo sich aktuell etwa 1.400 | |
Soldaten befinden. Der Tschad engagiert sich im Antiterrorkampf. Wer | |
behauptet, den Terror bekämpfen zu wollen, wird als wichtiger Partner | |
betrachtet. Für die internationale Gemeinschaft spielt der Tschad die Rolle | |
des Gendarmen in der Region. | |
Was erwarten Sie von einem Land wie Deutschland? | |
Wir waren im vergangenen Jahr in Deutschland und haben Vertreter des | |
Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie des | |
Außenministeriums getroffen. Ich möchte an die Geschichte erinnern. | |
Deutschland hatte noch vor Frankreich Verbindungen in den Tschad, den | |
Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg verlassen hat. Deutschland ist die | |
größte Kraft Europas. Man versteht nicht, warum sich das Land hinter | |
Frankreich anstellt und Frankreich das Feld überlässt. Wir denken, dass | |
durch den Marshallplan Deutschland eine wichtigere Rolle in unserem Land | |
spielen wird. | |
Ist es möglich, die Krise zeitnah zu beenden? | |
Das ist schwierig. Wir wollen auf keinen Fall, dass es in unserem Land | |
weitergeht wie in den vergangenen 20 Jahren. Wir müssen uns aber auch die | |
Frage stellen, ob ein Land wie der Tschad die Möglichkeit, den Willen hat, | |
von uns und für uns geführt zu werden. Der Tschad ist ein reiches Land. Wir | |
müssen allerdings mehr Verantwortung übernehmen und uns unabhängig machen. | |
12 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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