# taz.de -- Obdachlosigkeit in Berlin: Housing First, Bedenken second | |
> Paradigmenwechsel in der Wohnungslosenhilfe: Nach einem Jahr Housing | |
> First zieht Sozialsenatorin Breitenbach ein positives Fazit. | |
Bild: Ab Oktober startet in Berlin die Kältehilfe: Bis Ende Dezember soll sie … | |
BERLIN taz | Für Maria Schneider ist der Termin am Montagmorgen so wichtig, | |
dass sie trotz fieser Erkältung gekommen ist: Die ehemalige Wohnungslose | |
lebt seit knapp einer Woche dank eines Modellprojekts der rot-rot-grünen | |
Senats in einer eigenen Wohnung und will von ihren positiven Erfahrungen | |
berichten. Schneider, die eigentlich anders heißt, sagt: „Housing First ist | |
die Rettung. Es muss erhalten bleiben und ist eine Chance – vor allem für | |
viele Frauen in der Obdachlosigkeit.“ Aus ihrer Sicht sollte das Projekt | |
kein Modellversuch bleiben, sondern dauerhaft etabliert werden. | |
Sie ist eine von 35 Wohnungslosen in Berlin, die durch Housing First im | |
ersten Jahr eine Wohnung vermittelt bekommen haben. Auch die | |
Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) zog am Montagvormittag in der | |
Sozialverwaltung ein positives Zwischenfazit – sie sei „sehr zufrieden“ u… | |
man liege leicht über den Erwartungen trotz des angespannten | |
Wohnungsmarktes. „Die Skeptiker hatten unrecht, die Träger finden | |
Wohnungen“, sagt sie. Es sei sogar vorstellbar, dass das Projekt noch | |
während der dreijährigen Laufphase aufgestockt wird, so Breitenbach. | |
Vorgesehen sind bislang 80 Plätze. Zudem müsse man nun überlegen, wie man | |
Housing First im Hilfesystem dauerhaft verankern könne. | |
Housing First stammt aus den USA und steht für einen Paradigmenwechsel in | |
der Wohnungslosenhilfe. Es setzt zuallererst darauf, Obdachlosen möglichst | |
unkompliziert eine Wohnung zu verschaffen – flankiert von begleitender | |
Sozialarbeit. Bestehende Suchtprobleme oder psychische Erkrankungen stellen | |
keine Hindernisse dar. | |
Bisher müssen Wohnungslose sich im Hilfesystem als wohnfähig erweisen, um | |
nach langer Wartezeit eine Wohnung vermittelt zu bekommen. Erfahrungen mit | |
Housing First im Ausland haben gezeigt, dass ein sicherer Rückzugsort bei | |
bedarfsorientierter Sozialhilfe zielführender ist. Das in Berlin gestartete | |
Housing-First-Modellprojekt ist das erste in Deutschland und wurde bisher | |
mit über 700.000 Euro gefördert. Unter anderem die Berliner Stadtmission | |
sowie der Sozialdienst katholischer Frauen setzen es um. | |
## Jobcenter noch zu unflexibel | |
Beim Suchen von Wohnungen sind die Träger auf das Entgegenkommen von | |
Vermieter*innen angewiesen. Diese müssten etwa von einer Schufa-Erklärung | |
oder Mietschuldenfreiheit absehen. Unterkünfte hätten sie bei städtischen | |
Wohnungsunternehmen, aber auch bei privaten Vermietern wie der Vonovia und | |
der Deutsche Wohnen gefunden. | |
Ein Problem seien allerdings die Jobcenter, die oft noch zu unflexibel | |
seien, wie eine Sozialarbeiterin berichtet. Es sei etwa vorgekommen, dass | |
eine Klientin sechs Monate auf die Zahlung einer Kaution habe warten | |
müssen. Im schlimmsten Fall drohe dann eine fristlose Kündigung. Auch | |
Schneider hat leidvolle Erfahrungen mit dem Amt gemacht: Sie berichtet, | |
dass die Kostenübernahme für Miete und Kaution noch zu scheitern droht – | |
unter anderem, weil sie kein Handy besitze und unklar sei, welches | |
Jobcenter zuständig sei. „Eine Sachbearbeiterin wollte alles wieder stoppen | |
und prüfen“, sagt Schneider und ringt sichtlich mit den Tränen. Breitenbach | |
versprach kurzerhand, sich auf kurzem Dienstweg zu kümmern. | |
Wie viele Wohnungslose in Berlin auf der Straße leben, ist unklar. | |
Schätzungen gehen von 4.000 bis 6.000 Personen aus, Tendenz steigend. | |
Zusammen mit Menschen in Notunterkünften kommen [1][Expert*innen auf bis zu | |
40.000 Wohnungslose in Berlin]. Um Klarheit zu bekommen, will Breitenbach | |
Ende Januar erstmals systematisch Wohnungslose zählen lassen. | |
30 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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