# taz.de -- Kältehilfesaison startet in Berlin: Kein weiterer Ausbau gewünscht | |
> Mit dem Start in die 30. Kältehilfe-Saison fordern Organisatoren eine | |
> verstärkte Bekämpfung der Ursachen von Wohnungslosigkeit. | |
Bild: Wohnungslosen in Berlin stehen seit Dienstag wieder Angebote der Kältehi… | |
Dieses Jubiläum ist kein Grund zum Feiern. Zum 30. Mal bieten | |
Kirchengemeinden und soziale Einrichtungen wie Caritas, Diakonie und AWO | |
Hilfe für Wohnungslose in den Wintermonaten an. 1983 eröffnete die erste | |
Wärmestube Berlins, der „warme Otto“ an der Ottostraße in Moabit. Ab 1989 | |
eröffneten dann immer mehr Kirchengemeinden Nachtcafés mit Suppeangebot, | |
Schlafplatz und Frühstück. Seither ist die Kältehilfe stetig gewachsen. | |
Allein seit 2014 haben sich die Notschlafplätze in der Hauptstadt fast | |
verdoppelt, wie die Sprecherin der Diakonie, Barbara Eschen zum Auftakt der | |
Kältehilfeperiode mitteilte. Seit dem gestrigen Dienstag stellt die | |
Kältehilfe rund 440 Übernachtungsplätze bereit, im Laufe des Oktobers | |
sollen es rund 680 werden und bis Ende November dann rund 1.160. Davon sind | |
etwa 300 Plätze für Frauen reserviert. | |
In den letzten Jahren sind laut Eschen neue Gruppen dazu gekommen, die die | |
Kältehilfe in Anspruch nahmen: Frauen, Familien, Kranke und zuletzt | |
vermehrt Menschen aus anderen EU-Ländern. Und auch der Klimawandel habe | |
Folgen: Heiße Sommer und Starkregen etwa, machen das Leben auf der Straße | |
noch gefährlicher. | |
## Die Kältehilfe als Barometer der Stadt | |
„Das Jubiläum ist kein Grund zu feiern“, sagte Ulrike Kostka, Direktorin | |
der Caritas Berlin. Denn eigentlich sollte die Kältehilfe längst | |
überflüssig sein: „Die Kältehilfe ist ein Barometer dieser Stadt.“ Die | |
steigenden Zahlen der Wohnungslosen und das damit steigende Bedürfnis für | |
Hilfsangebote seien ein Zeichen für die Versäumnisse der Wohnungspolitik | |
der letzten Jahre. Probleme dürften nicht von der Politik auf soziale | |
Einrichtungen abgewälzt werden: „Vorrang muss die Schaffung von Wohnraum | |
sein und nicht die von Notübernachtungen.“ | |
Kostka stellte deswegen Forderungen an die Politik, um der Wohnungsnot | |
langfristig vorzubeugen, anstatt lindernde Maßnahmen immer weiter | |
auszubauen. So forderte sie die langfristige Sozialbindung von mindestens | |
30 Prozent aller Neubauwohnungen, die Steigerung der Anzahl an | |
öffentlichen, gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnungen, und die | |
Verhinderung von Zwangsräumungen. Den Mietendeckel als politisches | |
Instrument sieht Kostka allerdings skeptisch: „So eine Maßnahme wird viele | |
Menschen betreffen, deswegen sollte sie nicht schnell durchgepeitscht, | |
sondern sorgfältig geplant werden.“ | |
Wie viele Menschen in Berlin wohnungslos sind, ist unklar. Schätzungen | |
schwanken zwischen 4.000 und 10.000. Die Zahl der Menschen ohne eigene | |
Wohnung, die bei Verwandten oder Übergangsunterkünften leben, wird auf | |
50.000 geschätzt. Eine Zählung und Befragung der Berliner Obdachlosen ist | |
für Januar 2020 angekündigt. | |
Alle Angebote der Kältehilfe kann man in einer Smartphone-App finden: Die | |
Kältehilfe-App ist kostenlos und zeigt auf einer interaktiven Karte etwa | |
Schlafstellen, Beratungsangebote und Essenstafeln an. Die App gibt es zwar | |
schon seit zwei Jahren – seit neustem ist sie aber auch offline verfügbar. | |
1 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Anina Ritscher | |
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Elke Breitenbach | |
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