| # taz.de -- Nora Bossong über Lust und Macht: Auf der Suche nach dem kleinen T… | |
| > Was sagen uns Pornokino und Swingerclub über Lust? Nora Bossong hat im | |
| > Rotlichtmilieu recherchiert, wo sich Sex und Geld verbinden. | |
| Bild: Spießiger als in der Kleingartenkolonie? | |
| taz: Frau Bossong, Sie haben ein Jahr im Rotlichtmilieu recherchiert, um | |
| etwas über Lust herauszufinden. Warum haben Sie nicht in den Betten Ihres | |
| eigenen Milieus recherchiert? | |
| Nora Bossong: Weil das ja unter Umständen auch die Betten meines Milieus | |
| sind. Und ich glaube, dass man in diesem Bereich, der von uns so oft in die | |
| Fiktionalität geschoben wird, als Parallelwelt abgestempelt wird, der aber | |
| in der Tat Teil unserer Welt ist, mehr über Lust herausfindet als in einer | |
| Recherche nur im Freundeskreis. Das ist einfach ein Teil unserer | |
| Gesellschaft, in dem Sex und Lust zu einem Geschäft werden und wo sich | |
| Machtungleichgewichte sowohl zwischen Privilegierten und weniger | |
| Privilegierten als auch zwischen Männern und Frauen noch mal ganz anders | |
| zeigen. | |
| Was haben Sie über soziale Herkunft erfahren? | |
| Die Kunden kommen aus allen Bereichen der Gesellschaft, sie sind gut | |
| verdienende Akademiker, Handwerker oder arbeitslos, sie können links oder | |
| rechts eingestellt sein. Die Frauen, die dort arbeiten, kommen meist aus | |
| Osteuropa oder Nordafrika, es gibt ganz klar eine Verbindung mit | |
| ökonomischer Not, auch mit Familienstrukturen, die kaputt sind oder in | |
| denen Gewalt keine Ausnahme ist. | |
| Keine Freiwilligen? | |
| Es gibt natürlich auch Frauen, die von sich sagen, dass sie es freiwillig | |
| machen. Tatsächlich ist das aber die Ausnahme. | |
| Die Männer, manchmal auch Frauen, denen Sie an den unterschiedlichen Orten | |
| Ihrer Recherche begegnen, scheinen Ihnen erschreckend gewöhnlich. Im | |
| Swingerclub isst Herbert Nudelsalat. Warum finden Sie das Gewöhnliche dort | |
| erschreckend? | |
| Der Swingerclub hat mich zum Teil auch belustigt. Dort kamen einfach zwei | |
| Dinge zusammen, die in meinem Kopf so wenig zusammengehören wie eben | |
| Nudelsalat und heftiger Sex. Oder in einem Sexkino, da gab es direkt am | |
| Eingang neben den Pornoleinwänden eine kleine Teeecke mit Apfeltee. Das | |
| waren irgendwann mal Orte, die Libertinage versinnbildlichen sollten, aber | |
| in dem Swingerclub schien es mir fast spießiger als in einer | |
| Kleingartenkolonie. In der Sauna hatten die Leute ihr Handtuch noch um, und | |
| das ist ja absurd, in fast jeder anderen Sauna sitzen Leute nackt, aber | |
| gerade an dem Ort, wo es um Sex, um Nacktheit gehen soll, ist man ganz | |
| penibel darauf bedacht, dass nicht zu viel zu sehen ist. | |
| Sie entdecken dort aber auch eine „erbarmungslose Sinnsuche“. So auch bei | |
| einem Besuch in einem Darkroom in Hamburg, wo Sie das Dasein und die | |
| Sinnlosigkeit reflektieren. Sind das wirklich die relevanten Fragen, wo es | |
| einfach ums Abspritzen geht? | |
| Etwas, was viel größer sein könnte, nämlich Erotik, Lust und Begehren, | |
| verengt sich auf einen Vorgang, der wie das An- und Ausschalten einer | |
| Maschine funktioniert. Aber in dem Moment, in dem ich als Frau dort | |
| hineingegangen bin, hat sich ja etwas verändert in diesen Gängen. Plötzlich | |
| war da so ein Suchen und Treiben, ein Umherlaufen, ein Uns-Folgen, und | |
| zugleich gab es die Suche danach, dass diese Bilder auf den Leinwänden, | |
| dass die Einsamkeit in der Onanie plötzlich durchbrochen wird von etwas | |
| anderem, von einem Gegenüber, von etwas Realen. Zum anderen glaube ich, | |
| dass eine Beschäftigung mit Sex und auch das Suchen nach dem Ausleben von | |
| Sex, in welcher Spielart auch immer, stets etwas mit Sinnsuche zu tun hat, | |
| nämlich mit der Suche danach, wie wir unsere Alltagsrealität durchbrechen | |
| können und wie wir zu einer tieferen Schicht unserer Persönlichkeit, | |
| unseres Seins vordringen können. | |
| Der Philosoph Slavoj Žižek würde Ihnen jetzt wahrscheinlich widersprechen. | |
| Er sagt, gemeinsamer Sex ist Masturbation mit einem echten Partner, es geht | |
| letztlich um meine Fantasie, bei der dann eben eine reale Person dabei | |
| ist, okay, aber das ist auch schon der ganze Zauber. | |
| Das ist tatsächlich die Frage, inwiefern Begehren, das Fasziniertsein durch | |
| den anderen ist oder inwiefern wir doch, begrenzen wir das mal auf den | |
| Moment des Orgasmus, inwiefern wir da ganz auf uns selbst zurückgeworfen | |
| werden. Aber es geht immer noch um unsere Bilder, die in unserem Kopf sind; | |
| das wäre ja schon mal was, dass es meine Bilder sind und nicht die, die mir | |
| nahegelegt werden. Sexuelle Ekstase ist ja der Moment, in dem wir wirklich | |
| an eine Grenze stoßen, sie wird ja nicht umsonst der kleine Tod genannt. | |
| Aber trotzdem macht es einen Unterschied, ob ich allein sterbe oder ob | |
| meine Angehörigen dabei sind. Das ist ein sehr hoch gegriffener Vergleich, | |
| aber in dem Moment, in dem ich den anderen erkenne, wenn ich durch die | |
| Berührung des anderen wirklich getroffen werde, ist das die intimste und | |
| innigste Form der Kommunikation. | |
| Andererseits kann die Vorstellung, Sex ohne das ganze soziale Gedöns drum | |
| herum zu haben, etwas sehr Befreiendes haben. | |
| Ja, insofern befreiend, als man nicht diesen ganzen romantischen Überbau | |
| braucht. Aber trotzdem empfinde ich die Form von Sex, die sich so | |
| verknappt, als eine verkümmerte Form. Auch allzu stereotype Bilder, wie man | |
| sie in Pornokinos findet, empfinde ich als sehr beengend. | |
| Was sind das für stereotype Bilder? | |
| Die Verbindung von Sex und Macht spielt oft eine Rolle – die Frau, die mit | |
| dem Kopf nach unten gedrückt wird. Diese Bilder prägen doch auch das | |
| Nachdenken über Geschlechterrollen und darüber, wie Lust funktioniert. Die | |
| Tantramassage etwa ist eine Form, in der es wirklich um eine | |
| Auseinandersetzung mit Sex geht, aber nicht darum, dass ich das Gegenüber | |
| begehren muss. Das ist eine Form, in der Sexualität ernst genommen wird. | |
| Bei einer Tantramassage, der sie sich im Buch hingeben, machen Sie die | |
| Unterscheidung, dass Sie keine andere Persönlichkeit für Ihr Erleben von | |
| Lust in Besitz genommen haben. Für Freier und Hure lassen Sie das nicht | |
| gelten. | |
| Bei der Tantramassage bin nicht ich die Handelnde, sondern mit mir passiert | |
| etwas, ich habe kein Anrecht auf den anderen Körper, sondern der andere | |
| Körper gibt sich mir so weit hin, wie der Masseur oder die Masseurin es für | |
| relevant hält. Selbst wenn ich zu einer Domina gehe und ihr sage, du musst | |
| mich jetzt unterwerfen, ist es dennoch so, dass ich in dem Moment, wo ich | |
| zahle, meine, die Spielregeln diktieren zu können. Auch beim Tabledance, | |
| was ja noch eine relativ harmlose Form ist, gab es diesen einen Mann, der | |
| die Frau mit seinen gekauften Dollarnoten füttern wollte, als wäre sie ein | |
| Hund. Diese Kombination von Geld und Macht scheint mir immer wieder | |
| missbraucht zu werden. | |
| Im Buch beschreiben Sie die Lust beim Tabledance als eine Schutzbehauptung. | |
| Schutzbehauptung wofür? | |
| Dafür, nicht mehr die Verantwortung für die eigenen Handlungen übernehmen | |
| zu müssen. Letzte Woche habe ich „The Salesman“ gesehen, den iranischen | |
| Oscargewinner. Eine Frau zieht in eine neue Wohnung ein, in der vorher eine | |
| Prostituierte gewohnt hat, und sie wird dort vergewaltigt von einem | |
| ehemaligen Freier, der am Ende gefragt wird: Warum, du hast doch gesehen, | |
| dass die Frau hier nicht mehr wohnt, das ist eine andere Frau. Warum hast | |
| du das Badezimmer betreten? Und er sagt einfach, weil mich die Lust | |
| überkam. Das ist etwas, was in dem Film natürlich vielschichtig auch die | |
| repressive Sexualmoral Irans thematisiert, die patriarchalen Strukturen und | |
| so weiter. Aber es ist trotzdem ein Satz, den genauso gut hier jemand hätte | |
| sagen können. | |
| Warum haben Sie an die unterschiedlichen Orte ihrer Recherche männliche | |
| Begleiter mitgenommen? | |
| An manchen Orten war es notwendig. So was wie die Sexmesse würde ich | |
| natürlich allein besuchen können, aber zum einen fand ich es als Prinzip | |
| für dieses Buch gut und zum anderen wollte ich einfach wissen, wie diese | |
| ganze Welt auf die Männer wirkt, die mich begleitet haben. | |
| Mir fiel bei der Lektüre auf, dass die männlichen Begleiter Ihnen über kurz | |
| oder lang immer etwas fremd wurden. | |
| Diese Orte verändern natürlich auch extrem. Es waren ja unterschiedliche | |
| Männer, mit einigen war ich lange befreundet, mit einem war es auch | |
| zwischendurch mal etwas romantischer, aber gerade wenn man in einer etwas | |
| zärtlicheren Beziehung zueinander steht und sich dann diesen Bildern | |
| aussetzt, das irritiert ungemein. Und natürlich schaut man sich den anderen | |
| anders an, weil es mich ja auch interessiert, was in seinem Kopf vorgeht. | |
| Wehrt er das alles ab, interessiert es ihn nicht. oder möchte er einfach | |
| nicht mit dem identifiziert werden, was dort auch als männliches Stereotyp | |
| angesprochen wird? Es werden dort ja nicht nur die Frauen auf ein reines | |
| Sexobjekt reduziert, die möglichst bloß Strapse tragen, sondern auch die | |
| Männer werden reduziert auf Wesen, die man sehr schnell mit sehr simplen | |
| Reizen erregen kann. | |
| Sie betonen Ihre Rolle „als Sehende“ statt als „Benutzte“. Das suggerie… | |
| natürlich, dass alle Frauen im Rotlichtmilieu Benutzte sind. | |
| Die meisten Frauen machen das ja nicht, weil sie plötzlich den Machtspieß | |
| umdrehen wollen, sondern die Frauen, die etwa im Laufhaus stehen, müssen | |
| Umsatz machen, sie müssen das Zimmer bezahlen. Sie stehen da auch nicht, | |
| weil sie Langeweile haben, sondern weil sie wirklich Geld brauchen. | |
| In Ihrem Buch gibt es keine schönen Körper. Die sind immer alt oder schlaff | |
| oder zu aufgebrezelt. Haben Sie nie Schönheit entdeckt? | |
| Tatsächliche Schönheit nicht. Was ich gesehen habe, war pornografisch, | |
| nicht mehr erotisch. Es gibt einen Ort, der in dem Buch nicht vorkommt, das | |
| Hotel Orient in Wien, es ist ein Stundenhotel, ein sehr verspieltes, es ist | |
| sehr wienerisch. Es ist so, wie sich Wiener den Orient vorstellen | |
| vielleicht. Das ist tatsächlich ein Ort, an dem Fantasien angeregt werden, | |
| die sind natürlich auch ein bisschen klischiert, da ist viel Gold und Rot | |
| und Bommel und so, aber trotzdem ist es ein Ort, der Platz für Fantasien | |
| lässt. In den Stundenhotels in Berlin ist alles funktionalistisch, es gibt | |
| eine Matratze und sehr viel Küchenkrepp, aber keine Bettdecke. | |
| Warum nicht? | |
| Mit Decke müssten sie anders versteuern, weil es ja dann auch für | |
| Übernachtungen nutzbar wäre. Und überall hängen Spiegel, damit man sich von | |
| allen Seiten angucken kann. Da ist so viel Nacktheit, dass die Nacktheit | |
| nicht mehr reizvoll ist. | |
| In „Hure“ steckt etymologisch das Begehrliche, in „prostituieren“ lat. | |
| prostituere, schänden. Sie sagen nicht „Hure“. | |
| Ich sage „Prostituierte“, weil es für mich der gängigste Begriff ist. | |
| „Hure“ hat entweder etwas extrem Despektierliches oder etwas sehr | |
| Selbstbewusstes, aber mit dieser Konnotation im Kopf laufen nicht so viele | |
| Leute herum. Die selbstbewusste Hure kennen einige, aber ich glaube, es ist | |
| ein bestimmtes politisches Milieu, das diese Assoziation hat. Ähnlich ist | |
| es mit dem Begriff „Sexarbeit“: Er unterstellt, dass es um eine Arbeit wie | |
| jede andere geht. Von dieser Vorstellung bin ich ja abgerückt. | |
| Interessenvertretungen wie Dona Carmen machen seit Langem darauf | |
| aufmerksam, dass die ca. 200.000 Huren in Deutschland nicht ständig als | |
| schutzbedürftige Opfer und Untertanen behandelt werden wollen, und fordern | |
| die vollständige Legalisierung von Prostitution. Wie sehen Sie das? | |
| Das würde ich ablehnen. Es ist wichtig, die Kriminalisierung von den Frauen | |
| auf die Zuhälter und Freier zu verlagern und bei den Freiern zwischen | |
| Zwangsprostitution und Freiwilligkeit zu unterscheiden. Natürlich ist das | |
| Problem, dass etwas, was juristisch zwar zu ahnden ist, praktisch nicht | |
| geahndet werden kann, denn wie soll man einem Mann nachweisen, dass er um | |
| die Situation der Frau wusste. Ich bin mit dem Gedanken an Legalisierung | |
| reingegangen in die Recherche. Aber in dem Moment, wo wir etwas | |
| legalisieren, wird in den Köpfen ganz schnell die Verbindung gemacht: Etwas | |
| ist legal, also ist es legitim. Aber inwiefern ist es legitim, für Geld | |
| über den Körper eines anderen bestimmen zu können? | |
| Sie stellen Ihrem Buch das Zitat von Georges Bataille voran: „Die Wahrheit | |
| der Erotik ist tragisch.“ Bei Bataille geht es ja um die Verbindung von | |
| Eros und Thanatos. Mir scheint, die Erotik wird bei Ihnen in der | |
| Transformation zur Ware tragisch. | |
| Ich würde sogar sagen, dass das Zitat eine auf das Buch gemünzte | |
| Wunschvorstellung ist, In diesem Buch sind Erotik und Sex nicht mal mehr | |
| tragisch, denn Tragik bedeutet, dass wir berührt werden. | |
| Die romantische Liebe, sagen Sie, sei die vielleicht letzte Utopie, auf die | |
| wir noch hoffen. Mit der romantischen Liebe hat sich historisch aber auch | |
| ein neues Ehe- und Familienleitbild herausgebildet. Kann man die | |
| romantische Liebe wirklich als Utopie gegen die „verwaltete“, | |
| „durchökonomisierte Lust“, wie Sie sagen, in Stellung bringen? | |
| Damit meinte ich, dass wir uns zu einer Utopie gesellschaftlich nicht mehr | |
| durchringen können. Im 20. Jahrhundert wurden Utopien häufig missbraucht | |
| und haben zu schrecklichen Folgen geführt. Und die romantische Liebe als | |
| Utopie, damit meine ich eigentlich eher kritisch, dass wir uns nur noch im | |
| Privaten Utopien zutrauen. | |
| SM-/Bondagepraktiken lesen Sie im Zusammenhang mit einer kapitalistischen | |
| Logik des „Immer mehr, immer härter“. Man könnte doch auch sagen, in dies… | |
| Praktiken komme, psychoanalytisch betrachtet, die Verbindung von Eros und | |
| Thanatos zum Ausdruck, und abgesehen davon, gab es diese Praktiken schon | |
| immer. | |
| Ich habe eine eindimensionale Inszenierung dieses Spiels, dieser Lust, | |
| beobachtet. Wenn wir etwas immer mehr an die Oberfläche, zur Sichtbarkeit | |
| drängen, zerstören wir dann nicht eigentlich auch genau das Spiel, das dort | |
| gespielt würde? Etwas, was hier aus der Stigmatisierung herausfinden | |
| könnte, kann durch die Sichtbarkeit und die scheinbare Tolerierung | |
| umschlagen in eine neue normative Sache. | |
| Sie sind nicht in Frauenbordelle gegangen und haben nicht mit Callboys | |
| gesprochen. An einer Stelle sagen Sie, Sie wollen auch verstehen, wie | |
| weibliche Sexualität funktioniert. Das wäre doch eine schöne Gegenprobe | |
| gewesen. | |
| Die Frauenbordelle, die es gab, haben alle relativ schnell wieder | |
| dichtgemacht. Ich hatte vor, mir mal einen Callboy zu bestellen. Aber im | |
| Laufe der Arbeit an dem Buch ist für mich die Beobachtung, dass Macht und | |
| Sex noch so ungleich auf die Geschlechter verteilt sind, zentral geworden. | |
| Wie Männer bei Frauen Sex kaufen, das war die eigentliche zentrale | |
| Erzählung, die ich auch dort vorgefunden habe. Die Männer, die tatsächlich | |
| als Callboy für Frauen arbeiten, machen einen minimalen Teil aus. Ich | |
| glaube nicht, dass Frauen generell die tugendhafteren, die besseren | |
| Menschen sind und die Männer ekelhafte, triebgesteuerte Typen, sondern die | |
| Frage ist, wie ich mich mit der Rolle als Freier oder Freierin | |
| identifizieren kann. | |
| Für Freier gibt es immer auch positive Identifikationsfiguren – in der | |
| Literatur und im Film, Richard Gere in „Pretty Woman“ oder wer auch immer. | |
| Frauen, die sich Sex kaufen, nein, da kenne ich kein positives Vorbild. Ich | |
| erinnere mich an einen Film, ich weiß nicht mehr den Titel, in dem es eine | |
| machtgierige, alte, verbitterte Frau war, die sich Sex kaufte, und mit | |
| diesem Bild möchte ich mich natürlich nicht identifizieren. Auch die Frage, | |
| ob ich es für zwar moralisch sehr fragwürdig, aber doch für legitim halte, | |
| mir Sex zu kaufen, ist für Männer anders zu beantworten als für Frauen. | |
| Warum ist das so? | |
| Weil es für Männer über Jahrhunderte als selbstverständlich galt. Für | |
| Frauen galt das nicht als selbstverständlich. Das führt dazu, dass wir | |
| einfach einen Moment darüber nachdenken, ob das legitim ist. Und dann | |
| kommen wir vielleicht zu dem Schluss, dass es keine Form der Lust und des | |
| Sex und des Begehrens ist, die wir haben möchten. Jemanden zu bestechen, | |
| uns zu wollen, das ist ja in gewisser Weise auch für die Person, die das | |
| Geld zahlt, erniedrigend. | |
| Laut Ergebnissen einer Studie sprechen Frauen vielfältiger auf Pornografie | |
| an – auf Hetero-, Homo- oder Gruppensex, Männer dagegen sind auf wenige | |
| Spielarten fixiert: Heteros reagierten nur auf Heterosex, und beim Anblick | |
| von Sex unter Schimpansen tat sich unten gar nichts. Bei Frauen hingegen | |
| schon. Eine gewisse Eintönigkeit haben Sie schon auch beobachtet, das immer | |
| gleiche von hinten und oral, richtig? Was man, von außen betrachtet, | |
| vielleicht für die Welt aller Möglichkeiten hält, entpuppt sich drinnen als | |
| sehr reduziert. | |
| Ganz genau. Und das ist natürlich auch die Frage nach der Form. Das heißt, | |
| es liegt auch in dieser Zuspitzung, dass es relativ simple Spielarten des | |
| Sex sind. Und das ist der Verlust von Fantasie, von Erotik. Die Studie ist | |
| interessant, weil doch so oft gesagt wird, Pornos gucken Männer und die | |
| sind ja eher visuell erregbar – das würde ja genau dem widersprechen. | |
| Aber wahrscheinlich gibt es auch eine Studie, die das Gegenteil … | |
| … ja, wahrscheinlich gibt es die. | |
| 24 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Tania Martini | |
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