# taz.de -- Performancefilm „A Thought of Ecstasy“: Ein Mann sucht und find… | |
> Der Regisseur RP Kahl nutzt das Kino als Utopie und Schutzraum. In seinem | |
> Film „A Thought of Ecstasy“ inszeniert er gegen das Rationale an. | |
Bild: Zitat aus Antonionis „Zabriskie Point“? RP Kahl und Lena Morris liege… | |
Frank spricht Englisch mit einem grobschlächtigen Akzent. Wie ausgestellt | |
er spricht, das hat beinahe schon etwas Widerspenstiges gegenüber dem | |
Amerikanischen. In den USA ist er nicht auf Dauer, sondern angeblich für | |
einen Arbeitsausflug. Eigentlich aber, um seine ehemalige Geliebte Marie | |
wiederzufinden. Sein Leben zu Hause klopft nur telefonisch an, im Grunde | |
hat er längst allem abgeschworen und versucht sich in der kalifornischen | |
Wüste auf radikalen Wegen selbst zu entdecken – oder vielleicht eine | |
verlorene Facette seines Bewusstseins wiederzufinden. | |
Der Film begleitet ihn neugierig und trägt dabei seinen Titel stolz vor | |
sich her: „A Thought of Ecstasy“. Der Regisseur und Hauptdarsteller RP Kahl | |
steht mit Filmen wie „Angel Express“ und zuletzt insbesondere „Bedways“… | |
„Rehearsals“ für ein in Deutschland unterrepräsentiertes, intelligentes | |
Performancekino, das ohne Scheuklappen körperliches Denken zelebriert. | |
„A Thought of Ecstasy“ solidarisiert sich ganz entschlossen mit dem | |
soziologisch geprägten französischen Denker Georges Bataille, der | |
Strategien der Verschwendung als erstrebenswerte Gegenposition zur | |
kapitalistischen Wertlogik verteidigte. Und dann wird Jean Baudrillard | |
zitiert: „But seduction is inevitable. No one living escapes it, not even | |
the dead.“ Es geht hier also um Verführung. | |
Baudrillard entwarf, inspiriert von Bataille, einen methodischen Ansatz zur | |
Interpretation von Medienbotschaften. Die Filmtheorie griff seine Gedanken | |
in den Neunzigern auf und entwickelte daraus auch einen Zugang zum Kino als | |
erotisches System. Besonders bei Filmen, die das sinnliche Erleben als | |
zentral begreifen und die sich als schwer intellektualisierbar entpuppen, | |
funktionieren eine solche Perspektive und die daraus resultierenden Fragen | |
ganz gut. | |
Kurzum: Bei „A Thought of Ecstasy“ sucht ein Mann den Exzess und findet | |
ihn. Er sucht sich einen Strudel aus Sex und Macht, aus Sein und Schein, | |
Leben und Tod. Er folgt den Spuren eines Romans, in dem er sich als Figur | |
sieht, trifft die manipulative Autorin, begeht die Schauplätze des Textes. | |
Und er begegnet Menschen, die in das Buch passen würden. | |
## Doppeldeutig und irreal | |
RP Kahl versucht durch optische Verfremdungen, logische Zugänge zur | |
Geschichte zu verwischen, er inszeniert gegen das Rationale an. Es gibt | |
viel poetische Sprache, die aus dem Roman stammen könnte, damit sich alles | |
doppeldeutig und irreal anfühlt. Und nur ganz kurz traut sich Kahl auch, | |
ein Statement zum Kino zu machen. Während Frank viel Zeit mit einer | |
Prostituierten verbringt, beginnt er auf ihre Einladung hin, BDSM-Sessions | |
mit wohlhabenden Kunden zu filmen: „Sie zahlen für einen Film, niemals für | |
Sex. Eine Art rechtliche Absicherung. Die Filme sind zu ihrem Schutz. Du | |
filmst, um sie zu schützen … und uns.“ | |
Damit kommentiert Kahl einerseits eine Verlogenheit im deutschen Kino, wo | |
sich selten jemand auch nur einen Hauch von Exzess zugesteht. Und er zeigt | |
die Antithese: Er ist offensichtlich heiß auf die Bilder, die er macht. Und | |
er ist heiß darauf, als Figur ein Teil dieser Bilder zu sein. Diese | |
Schamlosigkeit zeugt vom Mut zur Selbstentlarvung, schert sich aber wenig | |
um die Problematik der Selbstdarstellung eines weißen Mannes. | |
Das Kino soll in „A Thought of Ecstasy“ Schutzraum sein und Utopie, zur | |
Überwindung von politischer Stagnation und sogar Tod. Eigentlich reist hier | |
nicht Frank, sondern Bataille, in eine Kultur, die mit Trump alle Facetten | |
des reaktionären, weißen, männlichen Kapitalismus zelebriert: „Was wird uns | |
retten, wenn die Vegas-Quellen versiegen? Dasselbe was das Land rettet, | |
wann immer es in einer Krise ist … die Filme.“ | |
25 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Dennis Vetter | |
## TAGS | |
Spielfilm | |
Kinofilm | |
Japanisches Kino | |
Trash | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kinofilm „The Untamed“: Das Sex-Alien meint es gut mir dir | |
Auf recht brutale Weise: Der mexikanische Regisseur Amat Escalante erkundet | |
in „The Untamed“ die Kehrseite von Hippie-Utopien. | |
Ganz großes Kino aus Japan: Die vom Schmuddelfilm | |
Einige der größten Stimmen des japanischen Kinos sind international völlig | |
unterrepräsentiert. Etwa Nobuhiko Ōbayashi mit „Hanagatami“. | |
Nora Bossong über Lust und Macht: Auf der Suche nach dem kleinen Tod | |
Was sagen uns Pornokino und Swingerclub über Lust? Nora Bossong hat im | |
Rotlichtmilieu recherchiert, wo sich Sex und Geld verbinden. | |
Berlinale – Forum: Wetten auf die Rausgehquote | |
Im Programm „Hachimiri Madness – Japanese Indies from the Punk Years“ gibt | |
es alte japanische 8-mm-Filme zu sehen. |