Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nil-Staudamm geht in Betrieb: Äthiopien feiert „neue Ära“
> Äthiopiens Premierminister wirft die erste Turbine seines gigantischen
> Staudamms am Blauen Nil an. Es soll Afrikas größtes Wasserkraftwerk
> werden.
Bild: Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed (vorn) begeht das Wasserkraftwerk …
Berlin taz | Ein kleiner Schritt für Afrika, ein großer für Äthiopien: Am
Sonntag hat das Land offiziell den [1][„Grand Ethiopian Renaissance Dam“
(GERD)] am Blauen Nil in Betrieb genommen, um dessen Bau die beiden
regionalen Großmächte Äthiopien und Ägypten an den Rand eines Krieges
geraten sind.
Die „Geburt einer neuen Ära“ [2][pries Premierminister Abiy Ahmed auf
Twitter], nachdem er die erste der zehn Turbinen des größten Staudamms in
Afrika angeworfen hatte. „Dies ist eine gute Nachricht für unseren Land und
die Länder flussabwärts, mit denen wir zusammenarbeiten wollen“, fügte er
hinzu.
Der 145 Meter hohe Staudamm GERD mit einer Stauseekapazität von 74
Milliarden Kubikmetern Wasser soll bei vollem Betrieb eine Stromkapazität
von 5000 Megawatt (5 Gigawatt) entfalten und wäre damit das größte
Kraftwerk Afrikas.
Äthiopien mit seiner schnell wachsenden Bevölkerung von derzeit rund 120
Millionen Menschen, von denen nur eine Minderheit elektrischen Strom hat,
würde damit seine bisherige Stromkapazität verdreifachen. Das soll nicht
nur den äthiopischen Strombedarf decken, sondern auch Ostafrikas rasch
wachsenden Energiehunger stillen.
## Ägypten lehnt das Bauwerk ab
Doch [3][Sudan] und insbesondere [4][Ägypten], die beiden Länder
flussabwärts von Äthiopien, fürchten Nachteile für ihre eigene
Wasserversorgung, wenn die Strömung des Blauen Nils – aus dem 80 Prozent
des Nilwassers kommen – zukünftig vom GERD-Staudamm reguliert wird. Sie
sind beide größtenteils von Wüste bedeckt, der Nil ist ihre Lebensader und
sie berufen sich für die Kontrolle über seine Nutzung auf alte
Kolonialverträge, die Äthiopien allerdings nicht anerkennt, weil es kein
Vertragspartner war.
Nationalistische Kreise in Ägypten haben Äthiopien für den Fall der
Inbetriebnahme des Damms ohne vorherige Einigung über die Wassernutzung mit
Krieg gedroht.
Nun ist die erste GERD-Turbine ohne vorherige Einigung in Betrieb gegangen.
Die Auswirkungen davon dürften zunächst bescheiden sein: es bleibt vorerst
bei einer Turbine, mit einer Kapazität von 375 MW. Eine zweite soll
demnächst in Betrieb gesehen, weitere Planungen sind noch nicht bekannt.
Das dürfte für Sudan und Ägypten nicht viel ändern – sichtbarere Wirkungen
hatte die Befüllung des Stausees ab 2020, die von massiven
[5][Überschwemmungen in Sudan] begleitet wurde.
## Vermittlung ist bisher gescheitert
Alle Bemühungen um neue Verträge zwischen den Anrainerstaaten des Nils sind
bisher gescheitert. Nachdem der einstige US-Präsident Donald Trump nichts
erreicht hatte, weil Äthiopien seine Vorschläge als zu pro-ägyptisch
ablehnte, rief Ägypten den UN-Sicherheitsrat an, der das heikle Thema
prompt an die Afrikanische Union weitergab.
Vergangenes Jahr schlug sich Felix Tshisekedi, Präsident der Demokratischen
Republik Kongo, in seiner Funktion als amtierender AU-Präsident erfolglos
mit dem Nil herum – Ägypten lehnte die AU als Vermittler ab, weil sie ihren
Sitz in Äthiopien hat. Derweil lief der Stausee unweigerlich voll, es
entstanden Fakten.
Für Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed ist die Inbetriebnahme von GERD
ein Triumph, nachdem er im Rahmen seines seit November 2020 tobenden
brutalen Krieges gegen die in der Nordregion Tigray herrschende TPLF
(Tigray-Volksbefreiungsfront) sein positives Image weitgehend verloren hat.
Immer wieder wurde von äthiopischer Seite der Verdacht geäußert, Ägypten
unterstütze die TPLF – viele geflohene Tigrayer haben sich in Sudan
niedergelassen. Nun zeigt aus Regierungssicht der Staudamm, dass der
Tigray-Krieg Äthiopiens Entwicklungsagenda nicht blockieren kann.
20 Feb 2022
## LINKS
[1] /Riesen-Staudamm-in-Aethiopien/!5324725
[2] https://twitter.com/AbiyAhmedAli/status/1495306708758970368
[3] /Blauer-Nil-in-Sudan/!5762230
[4] /Wandel-in-einem-aegyptischen-Dorf/!5574723
[5] /Jahrhundertflut-in-Sudan/!5712068
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Äthiopien
Ägypten
Nil
Wasserkraft
Staudamm
Somalia
Lesestück Recherche und Reportage
Kolumbien
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt taz folgt dem Wasser
Äthiopien
Nil
## ARTIKEL ZUM THEMA
Äthiopien gegen Ägypten: Showdown in Somalia
Ägypten schickt Soldaten nach Somalia und umzingelt damit Äthiopien. Die
Regionalmächte streiten seit Jahren um den äthiopischen Staudamm am Nil.
Der türkische Ilisu-Staudamm: Wasser als Waffe
Ridvan Ayhan musste wegen Überflutung umziehen. Weiter unten ist es
umgekehrt: Dort leiden die Menschen, weil das Wasser des Tigris kaum mehr
fließt.
Umweltkonflikte in Kolumbien: Wenn die Adler drohen
Aktivist:innen, die sich gegen Megaprojekte wehren, werden von
paramilitärischen Gruppen verfolgt. Auf Schutz der Regierung können sie
nicht hoffen.
Überschwemmungen in Australien: Zehntausende müssen weg
In Australien kommt es zu heftigen Überschwemmungen. Mindestens acht
Menschen sind bereits gestorben. Zehntausende müssen ihre Häuser verlassen.
Journalisten über Nil-Berichterstattung: „Nationalismen überwinden“
Das Netzwerk Info Nile ermutigt Journalisten entlang des Nils,
zusammenzuarbeiten. Die Probleme mit Wasser überschneiden sich in den
Ländern.
Konflikt zwischen Äthiopien und Ägypten: Es wird ernst am Blauen Nil
Der Konflikt zwischen Äthiopien und Ägypten um die Nil-Nutzung spitzt sich
zu. Erstmals hält Äthiopiens neuer Staudamm große Wassermengen zurück.
Konflikt um Renaissance-Staudamm: Jeder will zu viel vom Nil
Äthiopien und Ägypten steuern auf einen Wasserkrieg zu. Hintergrund: der
ungelöste Streit um das größte Wasserkraftwerk Afrikas am Blauen Nil.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.