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# taz.de -- Äthiopien gegen Ägypten: Showdown in Somalia
> Ägypten schickt Soldaten nach Somalia und umzingelt damit Äthiopien. Die
> Regionalmächte streiten seit Jahren um den äthiopischen Staudamm am Nil.
Bild: Der Staudammbau am Nil in Äthiopien, hier im Jahr 2020. Inzwischen ist e…
Berlin taz | Der Kampf zwischen Ägypten und Äthiopien um die Vorherrschaft
im nordöstlichen Afrika wird jetzt in Somalia ausgetragen. [1][Nach
Medienberichten] hat Ägypten mit der Stationierung einer Eingreiftruppe von
bis zu 10.000 Mann in Somalia begonnen, auf Einladung der dortigen
Regierung. Parallel dazu will Somalias Regierung die im Land aktiven
Eingreiftruppen aus Äthiopien loswerden.
Was formal als eher undurchsichtiger Streit um die Nachfolge der
[2][Somalia-Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (AU)] ausgetragen wird,
gestaltet sich in der Realität als Wettstreit zwischen den beiden
rivalisierenden Großmächten der Region. Ägypten und Äthiopien mit jeweils
über 100 Millionen Einwohnern streiten sich seit Jahrzehnten um die
Kontrolle des Nils.
Der äthiopische Bau des Großstaudamms [3][GERD (Great Ethiopian Renaissance
Dam)] am Blauen Nil hat in den vergangenen Jahren mehrmals zu
Kriegsdrohungen seitens Ägyptens geführt. Ägypten sieht die mit dem 2011
begonnenen Bau einhergehende zeitweise Verringerung des Nildurchflusses als
existenzielle Bedrohung, Äthiopien braucht den Strom aus Wasserkraft zur
Überwindung seiner extremen Armut.
Das vergleichsweise kleine und seit über 30 Jahren in mehrere Staaten
zerfallene Somalia, das historisch die von ethnischen Somalis besiedelten
östlichen Wüstenregionen Äthiopiens für sich beansprucht, erscheint da wie
ein natürlicher Verbündeter Ägyptens gegen Äthiopien. Erst jetzt aber traut
sich Somalias Präsident [4][Hassan Sheikh Mohamud], diese explosive Karte
tatsächlich zu ziehen und ägyptische Truppen ins Land zu holen.
## Äthiopiens Sicherheitsinteressen
Seit einer gescheiterten somalischen Invasion in den 1970er Jahren sieht
Äthiopien die Kontrolle Somalias als essenziell für seine Sicherheit an.
Äthiopische Soldaten stürzten 2006 eine islamistische Regierung in
Mogadischu und bekämpfen seitdem im Süden Somalias islamistische Rebellen,
sowohl im Rahmen der AU-Eingreiftruppe als auch auf eigene Faust.
Als bevölkerungsreichstes Land der Welt ohne eigenen Meereszugang ist
Äthiopien außerdem auf Häfen der kleinen Nachbarn für seinen Außenhandel
angewiesen – neben Dschibuti, das mit der äthiopischen Hauptstadt Addis
Abeba durch eine Eisenbahnlinie verbunden ist, richtet sich das äthiopische
Augenmerk auch auf [5][Berbera], den potentiell größten Hafen am Horn von
Afrika, der an Somalias Nordküste gegenüber von Jemen liegt.
Der Norden Somalias spaltete sich 1991, als der Süden Somalias um
Mogadischu im Bürgerkrieg versank, [6][unter dem Namen Somaliland von
Somalia ab]. Somalias wechselnde Regierungen in Mogadischu haben das nie
anerkannt. Seit die Regierungen von Äthiopien und Somaliland am 1. Januar
2024 [7][eine Absichtserklärung] unterzeichneten, die Äthiopien die Pacht
des Hafens Berbera auch für militärische Zwecke ermöglicht, ist aus diesem
Streit ein offener Konflikt geworden.
Somalia wirft Äthiopien vor, Somalia zerschlagen zu wollen – Äthiopien
wirft den Machthabern in Somalia vor, äthiopische Rebellen zu unterstützen
und Waffenschmuggel zu tolerieren, und präsentiert sich als einzige
Ordnungsmacht am Horn von Afrika gegen das somalische Chaos. Ein
Vermittlungsversuch der Türkei, die in Mogadischu ihre größte ausländische
Militärbasis unterhält, scheiterte Mitte August.
## Zunehmende Spannungen
Im Rahmen der zunehmenden Spannungen mit Äthiopien ist auch Somalias
Misstrauen gegenüber der AU, die ihren Sitz in Addis Abeba hat, immer
weiter gewachsen. 2007, nach Äthiopiens Einmarsch in Somalia, hatte die AU
eine Eingreiftruppe [8][Amisom (Mission der Afrikanischen Union in
Somalia)] zum Kampf gegen die verbleibenden islamistischen
[9][Shabaab-Rebellen] in Somalia aufgestellt. Damit sollte die Zeit zu
überbrückt werden, bis in Mogadischu wieder eine Regierung sitzt, die ihr
Staatsgebiet kontrollieren kann.
Diese Überbrückung ist bis heute nicht abgeschlossen. Um daran zu erinnern,
dass die AU eigentlich nur vorübergehend bleiben soll, wurde Amisom 2022
auf Drängen Somalias in [10][Atmis (Übergangsmission der Afrikanischen
Union in Somalia)] umbenannt, mit einem festen Abzugstermin Ende 2024. Je
näher dieser Termin rückt, desto offensichtlicher wird, dass er
unrealistisch ist.
So ist nun eine Folgemission [11][AUSSOM (Unterstützungs- und
Stabilisierungsmission der Afrikanischen Union in Somalia)] für die Zeit ab
2025 beabsichtigt. „Die Souveränität und territoriale Integrität Somalias
wird zu allen Zeiten respektiert“, lautet das erste Grundprinzip“ dieser
Mission in ihrem Operationskonzept, das der AU-Sicherheitsrat am 1. August
billigte – explosiv im Kontext der Spaltung Somalias. Das Operationskonzept
liegt nun beim UN-Sicherheitsrat, der dazu das letzte Wort hat.
An AUSSOM, findet Somalias Regierung, soll Äthiopien nicht mehr beteiligt
sein – sondern stattdessen Ägypten, und zwar als Führungsnation. Alle
äthiopischen Truppen sollen bis Ende 2024 Somalia verlassen, sagte die
Regierung in Mogadischu bereits im Mai. Ägypten hingegen bot 5.000 Soldaten
für AUSSOM an und weitere 5.000 außerhalb der Mission. Auch Äthiopien hat
in Somalia sowohl innerhalb als auch außerhalb der AU-Truppen Einheiten
stationiert.
## Echte Steilvorlage
Am 14. August [12][unterzeichnete Somalias Präsident Sheikh Mohamud in
Kairo ein Verteidigungsabkommen mit Ägyptens Präsident Abdelfattah
al-Sisi]. Am 27. August landeten die ersten ägyptischen
Militärtransportflugzeuge auf dem Flughafen von Mogadischu, mit Offizieren
und Ausrüstung zur Errichtung militärischer Kommandozentralen im Süden
Somalias.
Wie Äthiopiens Militäreinheiten in Somalia darauf reagieren, ist unklar. Im
Gespräch ist eine verstärkte militärische Kooperation mit Kenia, der
anderen großen Interventionsmacht in der bestehenden AU-Truppe.
Politisch hat Ägyptens Vorstoß nach Somalia Äthiopiens Regierung außerdem
eine Steilvorlage geliefert, um neue Erfolge mit seinem von Ägypten
bekämpften Wasserkraftprojekt am Nil zu feiern. Am 24. August gab
Premierminister Abiy Ahmed die I[13][nbetriebnahme der dritten und vierten
Turbine des Wasserkraftwerks am gigantischen GERD-Staudamm] am Blauen Nil
bekannt, womit die installierte Stromkapazität an dem 145 Meter hohen und
1,8 Kilometer breiten Megabauwerks auf 1.550 von 5.150 geplante Megawatt
steigt.
Der Stausee am Damm sei mit 60 von geplant 71 Milliarden Kubikmetern
Nilwasser bereits fast gefüllt, fügte Abiy hinzu. Ende 2024 soll die
Füllung abgeschlossen sein und der Nil kann wieder zu 100 Prozent fließen –
genau der Zeitpunkt, an dem Ägypten Äthiopien als Militärmacht in Somalia
ablösen soll.
28 Aug 2024
## LINKS
[1] https://www.garoweonline.com/en/news/somalia/egypt-deploys-military-to-soma…
[2] https://atmis-au.org/
[3] /Blauer-Nil-in-Sudan/!5762230
[4] /Praesidentenwahl-in-Somalia/!5854705
[5] /Internationaler-Handel-mit-Ostafrika/!5903993
[6] /Jemen-Huthis-und-der-Kolonialismus/!5988763
[7] /Kriegsgefahr-am-Horn-von-Afrika/!5979826
[8] https://amisom-au.org/
[9] /Somalia-unter-Schock/!6027734
[10] https://atmis-au.org/
[11] https://www.garoweonline.com/en/news/somalia/exits-atmis-enters-aussom-in-…
[12] https://sis.gov.eg/Story/194213/President-El-Sisi-Receives-President-of-Re…
[13] https://addisstandard.com/from-water-to-power-ethiopia-activates-key-turbi…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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