| # taz.de -- Krisen am Horn von Afrika: Kann Äthiopien überleben? | |
| > Krieg in Sudan, Konflikte in Somalia, Streit um den Nil: Für Äthiopien | |
| > wird das regionale Umfeld immer schwieriger. | |
| Bild: Auf der Flucht sind die Menschen in Port Sudan in einer Schule gelandet, … | |
| Unter den gut 50 Ländern Afrikas sticht Äthiopien seit jeher selbstbewusst | |
| hervor. Es widersetzte sich erfolgreich der fremden Eroberung und wurde nie | |
| kolonisiert, seine Hauptstadt Addis Abeba wurde 1963 Sitz der Organisation | |
| der Afrikanischen Einheit (OAU), heute die [1][Afrikanische Union (AU)]. | |
| Äthiopien war Gründungsmitglied der Vereinten Nationen nach dem Zweiten | |
| Weltkrieg und nutzte seine Präsenz in New York zum Aufbau der erfolgreichen | |
| nationalen Fluglinie „Ethiopian Airlines“. | |
| Das andere beneidenswerte äthiopische Erfolgssymbol ist der | |
| [2][Riesenstaudamm GERD] (Grand Ethiopian Renaissance Dam) am Blauen Nil, | |
| der nach dem Baubeginn 2011 jetzt kurz vor der Fertigstellung steht – fast | |
| ausschließlich eigenfinanziert, auf einem Kontinent, in dem jedes | |
| Großprojekt ansonsten auf ausländischen Krediten fußt. Als der junge | |
| äthiopische Premierminister Abiy Ahmed 2019 den Friedensnobelpreis für | |
| seine Lösung des Konfliktes mit Eritrea erhielt, schien Äthiopiens Platz | |
| als Afrikas stolze Bastion von Hoffnung, Inspiration und Resilienz | |
| gesichert. | |
| Aber es kam anders. Während die Welt 2020 bis 2022 die Covid-19-Pandemie | |
| bekämpfte, kämpfte Äthiopien gegen sich selbst: die Zentralregierung gegen | |
| das rebellische Volk der Region Tigray, in einem [3][brutalen, | |
| verlustreichen Bürgerkrieg]. Und seitdem wird es nicht besser. | |
| Sechs Monate, bevor Abiy seinen Nobelpreis zugesprochen bekam, wurde im | |
| Nachbarland Sudan Militärherrscher Omar Bashir gestürzt – am 11. April | |
| 2019, genau vierzig Jahre nach dem Sturz des Militärdiktators Idi Amin in | |
| Uganda am 11. April 1979 – und Äthiopien bekam ein neues Sicherheitsproblem | |
| direkt nebenan. Der Nachbar versinkt heute in Konflikten. Sudans Staat ist | |
| zerfallen, zwei gleich starke Fraktionen kämpfen um die Macht und die | |
| Bevölkerung ist auf der Flucht. | |
| ## Islamisten „made in Sudan“ | |
| Im abgespaltenen Südsudan ist die Situation ähnlich, wenn nicht schlechter. | |
| Sudans Kollaps ist ein Problem für Äthiopien, für Afrika, für die ganze | |
| Welt. Der internationale Islamismus hat nun ein großes, fruchtbares Gebiet, | |
| in dem er sich frei organisieren und konsolidieren kann – ähnlich wie schon | |
| seit Langem in Äthiopiens östlichem Nachbarland Somalia, wo die | |
| islamistischen [4][Shabaab-Rebellen] sich darauf einstellen, ihre Macht | |
| auszubauen, wenn die Eingreiftruppe der Afrikanischen Union Ende des Jahres | |
| abzieht, nach fast zwei Jahrzehnten fragiler Friedenssicherung. | |
| In einem Umfeld zerfallender Staaten ist Äthiopiens Suche nach ökonomischer | |
| Emanzipation – die mit dem GERD-Staudamm generierte Wasserkraft soll auf | |
| absehbare Zeit Äthiopiens Bedarf übersteigen und daher in die Nachbarländer | |
| exportiert werden können, was Geld und Einfluss sichert – nicht mehr ganz | |
| so einfach. Der Staudammbau hat Äthiopien in Konflikt mit dem militärisch | |
| und ökonomisch stärkeren Ägypten gebracht. | |
| Ägypten sieht in dem Staudamm eine Bedrohung seiner jahrtausendealten | |
| Vorrechte auf das Wasser des Nils als Quelle seiner Zivilisation. Bisher | |
| konnte Sudan, das zwischen beiden Ländern liegt, eine friedliche | |
| Konfliktlösung zwischen diesen Giganten mit 129 Millionen (Äthiopien) und | |
| 110 Millionen (Ägypten) Einwohnern fördern: Es ist ebenso wie Ägypten | |
| abhängig vom Nilwasser, soll aber auch vom Strom aus Äthiopien profitieren. | |
| Mit dem Chaos in Khartum fällt Sudan als Partner aus. | |
| [5][Sudan zerfällt], Somalia steht vor einem Rückfall in Anarchie, die | |
| eigenen inneren Spannungen sind noch nicht überwunden – Äthiopien wird viel | |
| Glück brauchen, um aus dieser multiplen Krise herauszufinden und auch in | |
| Zukunft einen Leuchtturm ökonomischer und ideologischer Inspiration für | |
| Afrika darstellen zu können. Vielleicht sogar ein Wunder. | |
| 8 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| joachim buwembo | |
| Joachim Buwembo | |
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