| # taz.de -- Neuwahlen in Nordirland: Nordirland darf noch einmal ran | |
| > Sechs Monate Boykott der Unionisten, sechs Monate keine Regierung in | |
| > Nordirland. Jetzt gibt es Neuwahlen, aber die Probleme werden bleiben. | |
| Bild: Nordirlandminister Chris Heaton-Harris bleibt auch unter Rishi Sunak im A… | |
| Dublin taz | Großbritannien hat mit [1][Rishi Sunak] einen neuen | |
| Premierminister, aber Chris Heaton-Harris [2][bleibt als | |
| Nordirland-Minister im Amt]. Er wird an diesem Freitag vorzeitige Neuwahlen | |
| für die britische Provinz ausrufen, weil sich das Belfaster | |
| Regionalparlament nicht, wie es das Gesetz vorschreibt, binnen sechs | |
| Monaten nach den Wahlen auf eine Regierung geeinigt hat. Die führende | |
| protestantisch-unionistische Partei, die Democratic Unionist Party (DUP), | |
| boykottiert die Regionalregierung. | |
| Im Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998, das der britischen Provinz | |
| relativen Frieden beschert hat, ist festgelegt, dass die beiden stärksten | |
| Parteien auf protestantisch-unionistischer und katholisch-republikanischer | |
| Seite gemeinsam regieren müssen. Bei den Wahlen im Mai war Sinn Féin | |
| erstmals stärkste Kraft geworden, aber ohne die DUP kann sie nicht | |
| regieren. | |
| Grund für den Boykott ist das [3][Nordirland-Protokoll], das Bestandteil | |
| des Brexit-Vertrags ist und von der britischen Regierung sowie der | |
| Europäischen Union ausgehandelt wurde. Es regelt, dass Nordirland, das als | |
| einziger Teil des Vereinigten Königreichs eine Landgrenze mit der EU hat, | |
| faktisch Teil des EU-Binnenmarkts bleibt und sich den EU-Zollregeln | |
| unterwerfen muss. Dadurch ist eine harte Grenze zwischen Nordirland und der | |
| Republik Irland vermieden worden. | |
| Stattdessen gibt es aber eine Zollgrenze in der Irischen See zwischen | |
| Nordirland und Großbritannien, damit britische Waren nicht unkontrolliert | |
| nach Nordirland und von dort in die EU gelangen können. Die Unionisten | |
| monieren, dass Nordirland dadurch anders behandelt werde als der Rest des | |
| Vereinigten Königreichs. DUP-Chef Jeffrey Donaldson sagte, solange das | |
| Nordirland-Protokoll bestehe, werde seine Partei der Regierung fernbleiben. | |
| ## Erstmals leben in Nordirland mehr Katholiken | |
| Dabei eilt die Sache eigentlich. Die Entlastungsgelder für die | |
| Energiekosten müssen verteilt werden, und dafür ist eine funktionierende | |
| Exekutive notwendig. Die Sache ist ohnehin kompliziert genug, weil der | |
| Strommarkt zum Teil gesamtirisch organisiert ist. So hat die südirische | |
| [4][EirGrid] Teile dieses Marktes übernommen, erkennt aber die nordirische | |
| Aufsichtsbehörde nicht an. | |
| Dass Sinn Féin im Mai stärkste Partei geworden ist, ist für die Unionisten | |
| traumatisch genug, aber darüber hinaus hat die Volkszählung Ende vorigen | |
| Monats ergeben, dass zum ersten Mal mehr Katholiken als Protestanten in | |
| Nordirland leben. Die künstliche innerirische Grenze war vor 100 Jahren so | |
| gezogen worden, dass Protestanten eine komfortable Zweidrittelmehrheit | |
| hatten. | |
| Rishi Sunak ist der fünfte britische Premierminister seit dem | |
| Brexit-Referendum 2016. Er sagte, dass seine Vorgängerregierung ein Gesetz | |
| eingebracht habe, das das Problem mit dem Nordirland-Protokoll lösen werde. | |
| Durch dieses Gesetz würden Teile des Protokolls ausgehebelt. Doch so | |
| einfach ist es nicht. Zwar ist das Gesetz vom Unterhaus bereits | |
| verabschiedet worden, aber das Oberhaus könnte der Regierung einen Strich | |
| durch die Rechnung machen. | |
| Und würde Sunak aber wirklich ein internationales Abkommen brechen und | |
| einen Handelskrieg mit der EU riskieren? In Dubliner Regierungskreisen ist | |
| man optimistisch. Er werde pragmatisch sein, sagte ein Regierungsbeamter, | |
| fügte jedoch hinzu: „Aber bei den Briten muss man immer Angst vor der | |
| internen Politik haben.“ | |
| Als Termin für die Wahlen ist der 15. Dezember vorgesehen. Heaton-Harris | |
| sagte, es sei richtig, dass die Wählerinnen und Wähler ein Mitspracherecht | |
| haben. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie etwas anderes als beim | |
| letzten Mal sagen, so dass sich an der Konstellation in Nordirland nichts | |
| ändern wird. Man muss sich wohl darauf einstellen, dass die für den 25. | |
| Jahrestag des Belfaster Abkommens im April geplanten Feierlichkeiten eine | |
| eher bedrückende Angelegenheit sein werden. | |
| 27 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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