# taz.de -- Politische Blockade in Nordirland: Eine Reform käme zu früh | |
> Regierungsbildungen in Nordirland sind schwierig. Aber noch sollten beide | |
> ehemaligen Konfliktparteien paritätisch eingebunden werden. | |
Bild: Selfie von US-Präsident Biden mit Zuhörer:innen nach seiner Rede an der… | |
Er war sehr vorsichtig. US-Präsident Joe Biden hat in seiner Rede in der | |
Ulster-Universität in Belfast alles vermieden, was die pro-britische | |
Democratic Unionist Party (DUP) hätte aufregen können. Er war zwar | |
gekommen, [1][um den 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens zu feiern], | |
aber was die Wiedereinsetzung der aus dem Abkommen hervorgegangenen | |
Institutionen angehe, die von der DUP seit gut einem Jahr boykottiert | |
werden, wäre sie zwar wünschenswert, sei aber einzig Sache der Nordiren. | |
Aber die DUP-Chefs glauben Biden nicht. Warum auch? Das Misstrauen gegen | |
den US-Präsidenten ist aus ihrer Sicht durchaus begründet. Er streicht gern | |
seine irischen Wurzeln heraus, während er seine Stippvisite in Nordirland | |
wie eine Pflichtübung erledigte: Sie dauerte gerade mal 15 Stunden. Aber | |
Biden ist gar nicht das Problem der DUP. Am 18. Mai stehen Kommunalwahlen | |
an. Die Umfragewerte sind nicht gut; viele Wähler wenden sich den noch | |
extremeren unionistischen Parteien zu. | |
Die Spaltung dieses Lagers hatte im vorigen Jahr dazu geführt, [2][dass die | |
irisch-nationale Sinn Féin zur stärksten Partei in Nordirland] wurde. Hinzu | |
kommt, dass Sinn Féin in Umfragen auch in der Republik Irland weit vor den | |
anderen Parteien liegt. Eine Sinn-Féin-Regierung in beiden Teilen Irlands, | |
die eine irische Vereinigung forcieren könnte, ist ein Schreckgespenst für | |
die Unionisten. | |
Die DUP braucht einen Wahlerfolg im Mai, um Druck auf den britischen | |
Premier Rishi Sunak ausüben zu können, damit er den Windsor-Rahmenplan, den | |
er mit Brüssel Ende Februar abgeschlossen hat, nachbessert. Denn dieser | |
Plan sieht den Verbleib Nordirlands im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion | |
vor. Mit einem Ende des DUP-Boykotts ist deshalb vor den Kommunalwahlen | |
nicht zu rechnen. | |
## Die Gesellschaft hat sich verändert | |
Ist eine Reform des [3][Belfaster Abkommens fällig, die die Machtteilung | |
zwischen Katholiken und Protestanten verlangt]? Sicher, einige Aspekte | |
bedürfen einer Überarbeitung, damit die Parteien, die keiner Konfliktseite | |
angehören, mehr Einfluss bekommen. Die politische Landschaft und die | |
Gesellschaft haben sich in den vergangenen 25 Jahren verändert – die im | |
Abkommen festgelegten Regeln hingegen nicht. | |
Es ist aber zu früh, im Parlament eine normale Mehrheitsregel einzuführen, | |
solange es keine Annäherung beider Seiten gibt, denn unter der Diktatur der | |
unionistischen Mehrheit hat Nordirland ein Dreivierteljahrhundert gelitten, | |
was schließlich zum bewaffneten Konflikt führte. So verlockend es klingt, | |
den Spieß umzudrehen und die Regierung ohne DUP-Beteiligung einzusetzen, so | |
töricht wäre das, denn es sind noch genügend Waffen irgendwo in Nordirland | |
vergraben. | |
14 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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