| # taz.de -- Neues Zensurgesetz in der Türkei: Der Rest Pressefreiheit schwindet | |
| > Die Türkei verabschiedet ein Mediengesetz – offiziell, um | |
| > „Desinformation“ zu bekämpfen. Journalistenverbände befürchten etwas | |
| > anderes. | |
| Bild: Istanbul im July: wer wissen will, was im Lande los ist, schaut bei Twitt… | |
| Istanbul taz | Das türkische Parlament hat am späten Donnerstagabend ein | |
| stark umstrittenes neues Mediengesetz verabschiedet, dass offiziell dabei | |
| helfen soll, „Desinformation“ zu verhindern. Die türkischen | |
| Journalistenverbände und die Opposition hatten das Gesetz stark kritisiert | |
| und vergeblich versucht, seine Verabschiedung im Parlament zu verhindern. | |
| Viele türkische Journalisten befürchten, dass mit diesem Gesetz der letzte | |
| Rest von Meinungsfreiheit in der Türkei beseitigt wird. | |
| Nachdem die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan in den letzten | |
| zehn Jahren bereits die meisten Fernsehanstalten und Printmedien unter ihre | |
| Kontrolle gebracht hatte, geht es jetzt vor allem um die sozialen Medien. | |
| Das Gesetz sieht Haftstrafen von bis zu drei Jahren für die „Verbreitung | |
| falscher oder irreführender Nachrichten über die innere und äußere | |
| Sicherheit des Landes“ vor. | |
| Wann eine Nachricht diesen Tatbestand erfüllt, entscheidet die Regierung. | |
| Dasselbe gilt für Nachrichten, „die die öffentliche Ordnung stören sowie | |
| Angst und Panik in der Bevölkerung auslösen können“. | |
| Das Gesetz zielt nicht nur auf professionelle Journalisten, sondern auf | |
| alle Internetnutzer, die in Twitter, Facebook oder einem anderen | |
| Nachrichtenkanal Informationen verbreiten oder weiterleiten. Denn alle | |
| bisherigen Versuche, nach den TV-Anstalten und den großen Zeitungen auch | |
| die sozialen Medien unter Kontrolle zu bringen, sind bisher weitgehend | |
| gescheitert. | |
| ## Die letzten Schlupflöcher sollen geschlossen werden | |
| Zwar hat die Regierung schon vor zwei Jahren die großen internationalen | |
| Onlinedienste dazu verpflichtet, in der Türkei örtliche Vertreter | |
| einzusetzen, die dafür Sorge tragen müssen, verbotene Inhalte schnell zu | |
| löschen, doch das reicht offenbar nicht. | |
| Nach wie vor ist es so, dass alle, die wissen wollen was im Lande los ist, | |
| nicht das Fernsehen anschalten oder eine der regierungstreuen Zeitungen | |
| lesen, sondern bei Twitter, Facebook oder Instagramm nachschauen. Für | |
| Staatspräsident Erdoğan sind die sozialen Netzwerke deshalb eine der | |
| „Hauptbedrohungen der türkischen Demokratie“. | |
| Schon bislang wurden Nutzer von sozialen Medien belangt, etwa wegen | |
| [1][Beleidigung des Staatspräsidenten oder angeblicher Spionage], aber die | |
| bisherige Gesetzeslage ließ doch noch einige Schlupflöcher offen. Die | |
| werden nun geschlossen. | |
| Selbst der Europarat hatte Anfang Oktober kritisiert, die Definition von | |
| „Desinformation“ sei in dem Gesetz so vage, dass die angedrohten | |
| Haftstrafen zu vermehrter „Selbstzensur“ führen könnten. | |
| Für die Opposition ist klar, was mit dem Gesetz bezweckt werden soll: | |
| Kritische Kommunikation im bevorstehenden Wahljahr soll verhindert werden. | |
| Im kommenden Frühjahr sind [2][Präsidentschafts – und Parlamentswahle]n. | |
| Erstmals seit 20 Jahren, die Erdoğan bereits an der Macht ist, droht ihm | |
| bei den bevorstehenden Wahlen eine Niederlage. Bedingt durch die tiefe | |
| Wirtschaftskrise sind seine Umfragewerte im Keller. Nachrichten über die | |
| schlechte Wirtschaftslage werden deshalb zukünftig als „Panikmache“ | |
| bestraft werden. | |
| 14 Oct 2022 | |
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| Jürgen Gottschlich | |
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