# taz.de -- Neues Polizeigesetz in Hessen: Der schwarz-grüne Staatstrojaner | |
> Unter Protest der Opposition wollen CDU und Grüne in Hessen noch diese | |
> Woche ein umstrittenes Gesetzespaket durch den Landtag bringen. | |
Bild: Kein Trojaner, nur das hessische Landeswappen-Tier | |
Wiesbaden taz | Tumultartige Szenen, gegenseitige Beleidigungen, Rügen des | |
Präsidiums. Nach einer turbulenten Landtagsdebatte haben am Dienstagabend | |
die hessischen Regierungsparteien CDU und Grüne den Weg für das umstrittene | |
Gesetzespaket freigemacht, das der hessischen Landespolizei das Eindringen | |
in Smartphones und Computer per Staatstrojaner erlaubt. Der hessische | |
Verfassungsschutz darf künftig private Wohnungen ausspähen, bei Gefahr in | |
Verzug auch ohne richterlichen Beschluss. | |
Die Regierungskoalition will ihre Mehrheit nutzen, das Paket in der letzten | |
Plenarwoche vor der Sommerpause durchzudrücken. In einer ungewöhnlichen | |
Allianz versuchen SPD, Linkspartei und FDP die Gesetzesänderungen noch | |
aufzuhalten. Wenigstens eine Anhörung von Betroffenen und Experten sei | |
zwingend erforderlich, nachdem die Regierungsparteien in letzter Minute | |
noch zwanzig, zum Teil wesentliche Änderungen in dem umstrittenen | |
Gesetzespaket vorgenommen hätten, forderte die SPD-Innenpolitikerin Nancy | |
Faeser in der zweiten Lesung am Dienstag. Vergeblich. | |
Schwarz-Grün hatte zunächst den Einsatz von Staatstrojanern und die | |
Ausspähung von Smartphones im Verfassungsschutzgesetz regeln wollen. Nach | |
heftiger Kritik von Verfassungsrechtlern, Datenschützern und der grünen | |
Landesversammlung verschoben die Regierungsparteien die Regelungen | |
kurzfristig ins Polizeigesetz. Linkspartei und Liberale nannten das | |
Vorgehen in ungewohnter Allianz einen „Tiefpunkt des Parlamentarismus“. | |
Der FDP-Politiker Wolfgang Greilich hielt den Grünen demonstrativ eine | |
Broschüre aus der letzten Legislaturperiode vor, in der sie vehement gegen | |
den Einsatz von Trojanern und gegen das Eindringen in Smartphones gewarnt | |
hatten. Er warf den Landtagsgrünen „Selbstverleugnung und Doppelzüngigkeit�… | |
vor. Der Linke Hermann Schauss bezichtigte die Grünen, mit Lügen den | |
Eingriff in Grundrechte zu verharmlosen und handelte sich dafür eine Rüge | |
des Landtagspräsidiums ein. Ungeahndet blieb, dass er die grüne Konkurrenz | |
als „neoliberale Abnickerpartei“ bezeichnet hatte. | |
## Vorwurf geht im Tumult unter | |
Immer wieder durch Zwischenrufe unterbrochen, stritt der grüne | |
Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Frömmrich für den „guten Kompromiss“, … | |
er in langen Verhandlungen mit der CDU erreicht habe. Nicht der | |
Verfassungsschutz, sondern die Polizei erhalte nunmehr die erforderlichen | |
Instrumente. | |
Es gehe nicht um Massenüberwachung sondern darum, schwerste Straftaten zu | |
verhindern, so der Grüne. Er erinnerte an den „doppelten Richtervorbehalt“. | |
Es bedürfe eines richterlichen Beschlusses, die Ausspähung von Computern | |
und Smartphones zu starten; am Ende entscheide ein Richter, ob die dadurch | |
erzielten Ergebnisse im Verfahren genutzt werden dürften. | |
Landesinnenminister Peter Beuth (CDU) sprach von einem „modernen Rahmen für | |
unsere Sicherheitsbehörden. Sein Vorwurf, die Opposition erschöpfe sich in | |
„parteipolitischen Sandkastenspielchen“, ging im allgemeinen Tumult unter. | |
Die von der SPD für Donnerstag beantragte Dritte Lesung des Gesetzes ist | |
lediglich Formsache. FDP-Mann Greilich nannte sie sinnlos, weil sich CDU | |
und Grüne als unbelehrbar erwiesen hätten. Die politische | |
Auseinandersetzung werde an anderer Stelle weitergehen, sagte er und | |
spielte damit auf den Landtagswahlkampf an. Am 28. Oktober wird in Hessen | |
ein neuer Landtag gewählt. Nach den aktuellen Meinungsumfragen würde | |
Schwarz-Grün die Landtagsmehrheit verlieren. | |
20 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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