# taz.de -- Neues Album von Lana Del Rey: Unschuld vom Lande trifft Vampire | |
> Lana Del Rey ungeschminkt und countryesk: Ihr neues Album „Chemtrails | |
> over the Country Club“ suggeriert trotzdem keine Idylle. | |
Bild: Lana Del Rey im Musikvideo zu „Chemtrails over the Countryclub“ | |
So richtig zu fassen war [1][Lana Del Rey], nie. Oberflächlich ist die | |
US-Sängerin, die mit dem Song „Video Games“ (2012) über Nacht bekannt | |
wurde, ganz sicher nicht, auch wenn das einige behaupten. In ihre Musik | |
verhandelt sie oft den US-amerikanischen Traum. Er zerplatzt schon mal wie | |
eine Seifenblase – das zeigt sie im Videoclip zu „Chemtrails over the | |
Country Club“, einem Song, der so heißt wie ihr neues Album. Tagsüber wird | |
das Leben darin als glamouröse Poolparty imaginiert, zu der Lana Del Rey | |
mit platinblond gefärbten Haaren wie einst Grace Kelly in dem Film „Über | |
den Dächern von Nizza“ entlang einer Küstenstraße im Cabrio braust; nachts | |
mutieren die Reichen und Schönen dann zu Vampiren. | |
Den Songtext haucht die 35-Jährige mehr über den sphärischen Popsong, als | |
dass sie ihn singt. Die Atmosphäre der Musik ist dezent, Del Rey hat sie | |
aus der Goldenen Ära Hollywoods in die Gegenwart importiert, aber mit einer | |
unheimlichen Note versehen. Ein anderer Song des neuen Albums, „Let me love | |
you like a Woman“ hat dagegen eine laszive Note. Im Video zeigt sich Lana | |
Del Rey anfangs ungeschminkt. Vielleicht spielt sie auf diese Weise damit, | |
dass viele glauben, sie habe einfach genug davon, dauernd für eine | |
Kunstfigur gehalten zu werden. Aber dann singt die gebürtige New Yorkerin: | |
„I come from a small town“ und spielt damit auf ihre Kindheit im | |
Wintersportort Lake Placid im Bundesstaat New York an. | |
Noch persönlicher präsentiert sich das Eröffnungsstück „White Dress“ �… | |
Del Rey, die eigentlich Elizabeth Woolridge Grant heißt, lässt ihre | |
Zuhörer:Innen darin in eine geschundene Seelenwelt blicken. Voller | |
Wehmut erinnert sie sich in dieser Pianoballade an eine Zeit, in der sie | |
als Kellnerin jobbte. Im Flüsterton erzählt sie davon, wie unbeschwert das | |
Leben damals gewesen sei. Bevor Majorlabels begannen, sich für sie zu | |
interessieren, schien für Lana Del Rey die Welt offenzustehen. So einen | |
Kick wie mit 19, das hat sie erkannt, bekam sie als Popstar nie wieder. | |
Leisere Töne | |
Dieses Lied ist der Schlüssel für das Verständnis von „Chemtrails over the | |
Country Club“. Ihre Texte sind introspektiver geworden, die Musik bevorzugt | |
leise Töne. Der Produzent Jack Antonoff hat opulente Streicher- und | |
Bläserarrangements ausgemustert, dabei entstand ein countryesker Sound, | |
meist getragen von Klavier und Gitarre. Lediglich „Tulsa Jesus Freak“ | |
liefert noch den Beweis dafür, dass Lana Del Rey HipHop genau analysiert | |
hat. | |
„Wild at Heart“ rückt ihren glasklaren Gesang in den Vordergrund, die | |
Hookline bleibt hängen. Nicht umsonst ist dieser Titel nach einem | |
David-Lynch-Film von 1990 benannt. Wie dessen Protagonist:Innen Sailor | |
und Lula neigt auch Lana Del Rey dazu, sich in komplizierten Beziehungen zu | |
verlieren. „You’re killing me more / Than coffee pots and Insta’ thots“, | |
klagt sie. Und fährt ein paar Zeilen später fort: „And if I had to do it | |
all again / I would because, babe, in the end / It brought me here to you.“ | |
Mit solchen Zeilen liefert die US-Künstlerin denjenigen Munition, die ihr | |
konservatives Frauenbild anprangern. Oft bezichtigt man ihre Figuren der | |
Unterwürfigkeit. Sie seien Sklavinnen ihrer Gefühle, die sich nur allzu | |
bereitwillig von Männern dominieren ließen. Sie seien ihrer Selbstachtung | |
vollständig beraubt. | |
Auf solche Vorwürfe reagiert die Musikerin empört. In der Konsequenz gibt | |
sie keine Interviews mehr. Mit ihrem Album geht sie noch einen Schritt | |
weiter: Sie liefert mit „Breaking me slowly“ ein Gegenmodell zu „Wild at | |
Heart“. Im Duett mit Countrysängerin Nikki Lane nimmt sie die von | |
Alkoholismus und Gewalttätigkeit geprägte Beziehung der Countrystars | |
[2][Tammy Wynette und George Jones] unter die Lupe. | |
Ihr Fazit: Sie will keinesfalls wie Tammy Wynette enden. Auch wenn sie sich | |
angesichts der Einsamkeit, die eine Trennung mit sich bringt, durchaus | |
davor gruselt: „It’s hard to be lonely, but it’s the right thing to do.“ | |
Anscheinend steckt in Lana Del Rey doch ungeheure Kraft, ungeachtet ihres | |
schlechten Images. Mag sein, dass ihre Moralvorstellungen nicht allen | |
gefallen. Aber in ihren neuen Songs blitzen durchaus Freiheitsgedanken auf. | |
Ihr neues Album lebt vom geradlinigen Erzählen, von hinreißenden | |
Gesangsmelodien und klugen, nicht zu überladenen Arrangements. Das ist weit | |
mehr, als die meisten Popstars heute zu bieten haben. | |
25 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Dagmar Leischow | |
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