| # taz.de -- Neues Album von Fraktus: „Das Internet ist sehr angesagt“ | |
| > Fraktus ist seit den 80ern ganz vorn dabei. Das neue Album heißt „Welcome | |
| > to the Internet“. Doch die Spannungen in der Gruppe sind groß. | |
| Bild: Übertrieben gut gekleidet: Bernd Wand, Torsten Bage und Dickie Schubert … | |
| taz: Im „Fraktus“-Film, der Ihnen vor drei Jahren das Comeback bescherte, | |
| betreiben Sie, Dickie Schubert, das Internetcafé „Surf’n’Schlurf“. Jet… | |
| heißt Ihr Album „Welcome to the Internet“. Woher kommt diese Faszination | |
| für das Netz? | |
| Dickie Schubert: Einmal glauben wir, dass das Internet sehr angesagt ist. | |
| Deshalb wollten wir da auch mit andocken, weil wir eine extrem moderne Band | |
| sind, ganz vorne an der Zeit. Zum Zweiten wollen wir aber auch auf die | |
| Gefahren des Internets hinweisen. Denn das Internet ist ja nicht nur ein | |
| Paradies, sondern auch eine Verlockung. Viele Menschen können darin | |
| verloren gehen in der Zukunft. Das Internet ist ein Kontinent, der noch | |
| nicht entdeckt ist. So wie Kolumbus damals Amerika entdeckt hat und die | |
| ersten zwanzig, dreißig Schritte drauf gegangen ist. Da sind wir jetzt. Und | |
| wenn wir da weiter reingeraten, also ins Internet, was da passiert – das | |
| ist nicht auszumalen. | |
| Welche Gefahren drohen denn akut? | |
| Torsten Bage: Das Internet ist ein riesengroßer Hype. Was passiert mit | |
| einem Hype? Stichwort „Lehman Brothers“: Er implodiert. Unserer Prognose | |
| nach könnte das Internet in drei bis vier Jahren implodieren. Jetzt surfen | |
| wir auf dem Scheitelpunkt der Welle. Für den Ernstfall hat Dickie Schubert | |
| in seiner Wohnung zwei ISDN-Leitungen, durch die wir auch nach dem Ende des | |
| Internets unabhängig Informationen generieren und verbreiten können. | |
| Dem Album merkt man diese Ernsthaftigkeit aber nicht sonderlich an. Die | |
| Songs heißen „Maler und Lackierer“, „Musik aus Strom“ oder „Freunde … | |
| friends“. Was ist der rote Faden auf „Welcome to the Internet“? | |
| Torsten Bage: Generell ist es so: Die Platte erscheint unter dem Namen | |
| Fraktus, aber eigentlich haben wir jeder unsere eigenen Songs beigesteuert. | |
| Da ist überhaupt nichts gemeinsam entstanden, da wurde nichts abgestimmt. | |
| Von mir etwa stammt der Song „Originals“, der sich jetzt schon als geheimer | |
| Hit herumgesprochen hat. | |
| Dickie Schubert: Bei wem? Bei den Alkis unten an der Bushaltestelle? | |
| Bernd Wand: Ich freue mich für die beiden, dass sie die Songs in time | |
| fertigbekommen haben. Und dass die Sachen dann nicht so stark sind, das ist | |
| einfach so. Nicht jeder bekommt so einen Song hin wie „Maler und | |
| Lackierer“, eine dystopische Zukunftsversion. | |
| Die Stimmung unter Ihnen scheint sehr angespannt. Hat das auch auf den | |
| Produktionsprozess des Albums abgefärbt? | |
| Bernd Wand: Unsere Zusammenarbeit steht auf zwei soliden Sockeln: Der eine | |
| heißt Abstand und der andere Entfernung. | |
| Torsten Bage: Und der dritte Sockel heißt Misstrauen. | |
| Aber wie können Sie bei so viel negativer Energie überhaupt zusammen im | |
| Studio stehen? | |
| Dickie Schubert: Tun wir ja nicht, das ist das Ding. Das ist eine reine | |
| Skype-Produktion. Wir waren nicht zusammen im Studio, sondern haben uns in | |
| der Leitung getroffen, und jeder hat seine Songs eingesungen. Das ist die | |
| Produktionsform der Zukunft. | |
| Warum gibt es Fraktus bei so vielen Spannungen innerhalb der Gruppe | |
| überhaupt noch? | |
| Bernd Wand: Wir lieben uns! Das ist ja das Geheimnis. Wir müssen gar nicht | |
| an die Freundschaft ran, die ist geschützt. Einer von uns hat unsere | |
| Freundschaft eingeschlossen und den Schlüssel runtergeschluckt. Wir wissen | |
| aber nicht, wer. Also ist die gesichert. | |
| Drei Jahre ist es her, dass der Film „Fraktus – das letzte Kapitel der | |
| Musikgeschichte“ herauskam. Danach gab es viele böse Gerüchte um Sie, zum | |
| Beispiel, dass der Film eine Mockumentary war und es Ihre Band eigentlich | |
| damals gar nicht gegeben habe. Wie gehen Sie heute damit um? | |
| Dickie Schubert: Ich blicke zutiefst gedemütigt auf diesen Film zurück. Das | |
| war eine Zäsur, die wir nicht vergessen werden. Wir arbeiten an einem Film | |
| namens „Die Rache von Fraktus“. Bald kommt es zum sogenannten Strikeback. | |
| Torsten Bage: Wir haben plötzlich gemerkt: Es wurde nicht mit uns gelacht, | |
| sondern über uns. Wir wurden lächerlich gemacht. Das sitzt tief. | |
| Damals, in den 80er Jahren, waren Sie Pioniere des Techno, heute aber sind | |
| Sie nur eine Band von vielen im Elektrobereich. Welchen Platz haben Sie | |
| heute überhaupt noch? | |
| Bernd Wand: Wenn man in den 80ern Musik gemacht hat, ist man per se nach | |
| vorn ausgerichtet. Modern per Definition. Weil damals der Rattenschwanz der | |
| Tradition abgeschnitten wurde. Und heute richten wir den Blick immer noch | |
| nach vorn, nur dass da noch viele andere sind, die das auch machen. Das | |
| sind unsere Freunde geworden, mit denen wir zusammen in die Zukunft | |
| blicken. Wir sind nicht mehr allein. | |
| Torsten Bage: Das ist ja auch kein Techno mehr, was wir machen. Das wäre ja | |
| traurig, wenn wir uns überhaupt nicht weiterentwickelt hätten. Für das, was | |
| wir heute machen, müsste man eine ganz eigene Kategorie erfinden, aber das | |
| ist nicht unsere Aufgabe. | |
| Denken Sie sich nicht manchmal, wie viel Mist auch aus der Erfindung der | |
| elektronischen Tanzmusik erwachsen ist, wenn man sich den Mainstream heute | |
| so ansieht? | |
| Torsten Bage: Absolut. Aber das hatten wir nicht in der Hand. Kennst du den | |
| Satz „Die Revolution frisst ihre Kinder“? Der trifft auch im Fall von | |
| Fraktus zu. | |
| Mit Ihrem neuen Album gehen Sie im Winter auf Tour. Wieso sollte jeder mal | |
| Fraktus live gesehen haben? | |
| Bernd Wand: Man kann sich richtig wohlfühlen auf unseren Konzerten. Und | |
| dann wird die Musik nebensächlich. Es ist so wie bei den Beatles: Die Musik | |
| hat eigentlich keine Rolle gespielt, die Leute sind zu den Konzerten | |
| hingegangen, um sich zu treffen. | |
| Dickie Schubert: Wir haben mit unseren Fans ein nachbarschaftliches | |
| Verhältnis. Du sollst dich auf unseren Konzerten fühlen, wie wenn du auf | |
| den Wochenmarkt zum Einkaufen gehst. Oder U-Bahn fährst. Das können wir dir | |
| bieten – und das ist in unserer heutigen Welt etwas ganz Besonderes. | |
| 27 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Carla Baum | |
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