# taz.de -- Neue Studie zur Klimaneutralität: Neue Regierung muss Tempo machen | |
> Auch die Deutsche Energieagentur Dena hält Klimaneutralität bis 2045 für | |
> machbar. Dabei setzt sie aber stärker als andere Akteure auf Importe. | |
Bild: Anders als andere Szenarien sieht die Dena-Studie eine Zukunft für Gashe… | |
BERLIN taz | Das Ziel, Deutschland bis 2045 komplett klimaneutral zu | |
machen, ist erreichbar – aber es erfordert schnelles und entschlossenes | |
Handeln in vielen Bereichen gleichzeitig. Das ist das Ergebnis einer | |
[1][ausführlichen Leitstudie] der staatlichen Deutschen Energieagentur | |
(Dena), die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. „Ein Weiter-so ist | |
keine Option“, sagte Dena-Geschäftsführer Andreas Kuhlmann. | |
Dass die beschlossenen Sektorziele in den nächsten Jahren erreicht werden, | |
sei angesichts der Versäumnisse in der Vergangenheit sehr unwahrscheinlich. | |
Die Klimaziele für 2030 und 2045 könnten dagegen erreicht werden. „Der | |
Fortschritt wird uns aber nicht in den Schoß fallen“, sagte Kuhlmann. „Es | |
ist Zeit für konkretes Handeln.“ Damit dies gelinge, brauche es eine | |
stärkere Steuerung der Klimaschutzpolitik im Kanzleramt. | |
Viele der Maßnahmen, die fürs Erreichen der Klimaneutralität vorgeschlagen | |
werden, sind ähnlich wie bei vergleichbaren Studien anderer Akteure: Die | |
installierte Leistung von Wind- und Solaranlagen muss sich bis zum Jahr | |
2030 mehr als verdoppeln, die Zahl der Häuser, die jedes Jahr energetisch | |
saniert werden, ebenfalls. Im Verkehr setzt die Dena bei Pkws praktisch | |
ausschließlich auf Elektroantrieb bei gleichzeitiger Verringerung des | |
Individualverkehrs; synthetische Kraftstoffe sollen vor allem im Schiffs- | |
und Flugverkehr zum Einsatz kommen. | |
Daneben muss die Industrie beim Umstieg auf klimaneutrale | |
Produktionsprozesse, etwa mit Hilfe von Wasserstoff unterstützt werden. | |
Beim Kohleausstieg erwartet die Studie eine deutliche Beschleunigung. Ab | |
2030 dürften Kohlekraftwerke allenfalls als Reserve mit sehr geringen | |
Laufzeiten zum Einsatz kommen. | |
Allerdings setzt die Dena, die bei der Erstellung der Leitstudie von rund | |
80 Unternehmen finanziell unterstützt wurde, die Annahmen und Schwerpunkte | |
in einigen Punkten deutlich anders als vergleichbare Studien anderer | |
Akteure, etwa der Stiftung Klimaneutralität und des Thinktanks Agora | |
Energiewende. So geht die Dena-Studie von einem sehr viel umfangreicheren | |
Import synthetischer Gase und Flüssigkraftstoffe aus: Der im Jahr 2045 | |
benötigte Wasserstoff wird im Leitszenario der Dena-Studie nur zu 17 | |
Prozent in Deutschland hergestellt. Die Stiftung Klimaneutralität geht | |
dagegen von mehr als einem Drittel heimischer Produktion aus – und plant | |
hierzulande dementsprechend einen deutlich stärkeren Ausbau von Wind und | |
Sonne. | |
Auffällig ist auch, dass die Dena-Studie im Gebäudesektor weiterhin eine | |
Zukunft für Gasheizungen sieht: Im Jahr 2045 sollen noch 7,7 Millionen | |
Häuser mit Gas beheizt werden, das dann synthetisch aus Ökostrom | |
hergestellt wird. Das deckt sich mit Forderungen aus der Gaswirtschaft. | |
Andere Studien gehen dagegen davon aus, dass sich als Gebäudeheizung die | |
elektrische Wärmepumpe weitgehend durchsetzen wird und Gas- und Ölheizungen | |
keine Zukunft haben. | |
Bei der Vorstellung eines Zwischenberichts im März hatte die Organisation | |
Lobbycontrol kritisiert, [2][dass die Gaswirtschaft die Studie | |
mitfinanziert]. Eine mögliche Einflussnahme auf die Ergebnisse wies | |
Kuhlmann am Donnerstag erneut zurück. Die Gutachter der zehn beteiligten | |
Forschungsinstitute hätten völlig unabhängig von den Geldgebern gearbeitet | |
und hielten das geschilderte Szenario für das realistischste, sagte der | |
Dena-Chef. | |
## Umweltverbände gehen auf Distanz | |
Aus der Wirtschaft, die die Studie mitfinanziert hat, gibt es dazu | |
gemischte Reaktionen. Während der Gas-Dachverband GDVW die Studie lobte, | |
weil sie Wasserstoff und klimaneutralen Gasen eine wichtige Rolle zuweise, | |
wollte der Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron, der ebenfalls an der | |
Finanzierung beteiligt war, die Ergebnisse am Ende genau aufgrund dieser | |
Annahmen nicht mittragen. Für den angenommenen geringen Zuwachs bei | |
strombetriebenen Wärmepumpen gebe es keine Begründung, sagte | |
Geschäftsführer Kai Schiefelbein der taz. | |
Und auch bei den Umweltverbänden DNR, WWF, Germanwatch und FÖS, die durch | |
die Mitarbeit in einem Beirat in die Erstellung der Dena-Leitstudie | |
eingebunden waren, stoßen die Annahmen auf Kritik. Die Szenarien setzten | |
„außerordentlich stark auf importierten Wasserstoff und Powerfuels zur | |
Erreichung der Klimaziele“, schreiben sie in einer Stellungnahme – und zwar | |
obwohl die Studie zeige, dass dieser Weg sowohl teurer als auch | |
primärenergieaufwändiger wäre als die stärkere direkte Nutzung von Strom. | |
7 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2021/Abschlussbericht… | |
[2] /Kritik-an-Klimastudie/!5757341 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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