| # taz.de -- Neue SPD-Führung stellt Forderungen: Die Groko – das Update | |
| > Die neuen SPD-Chefinnen haben da noch ein paar Verbesserungsvorschläge. | |
| > Platzt deshalb die Koalition? Eine Inhaltsanalyse. | |
| Bild: Wollen jetzt Pflöcke einschlagen: das Eskabo-Duo | |
| Seitdem die SPD-Mitglieder Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans – kurz: | |
| Eskabo – als neue ParteichefInnen nominiert haben, ist die Verunsicherung | |
| groß. Die SPD schwenke nach links, schreiben empörte KommentatorInnen – und | |
| die Große Koalition stünde vor dem Aus. Aber ist es wirklich radikal, was | |
| die Neuen vorhaben? Eine Analyse der drei wichtigsten Punkte. | |
| ## Weg von der schwarzen Null | |
| Status quo: | |
| Zwei Dinge sind für die Union bisher sakrosankt. Die schwarze Null und das | |
| Ziel, ohne Steuererhöhungen auszukommen. „Wir sind uns über das Ziel eines | |
| ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden (…) einig“, heißt es | |
| entsprechend im Koalitionsvertrag. Beide Versprechen spielten im | |
| Bundestagswahlkampf 2017 eine große Rolle. SPD-Finanzminister Olaf Scholz | |
| hält ebenfalls eisern an der schwarzen Null fest. | |
| Das wollen Eskabo: | |
| Die Neuen an der SPD-Spitze werben für ein „Jahrzehnt der Investitionen“. | |
| 500 Milliarden Euro sollen in Bildung, Klimaschutz und Digitalisierung | |
| fließen. Dies wäre ein Bruch mit der schwarzen Null – aber angesichts der | |
| geänderten Realitäten rational. | |
| Die deutsche Infrastruktur – Brücken, Straßen, Handynetze – ist oft marod… | |
| Anstehende Umwälzungen, etwa durch die Klimakrise, erfordern zusätzliche | |
| staatliche Investitionen. Und der Staat kann wegen der Niedrigzinsen zum | |
| Nulltarif Schulden machen. Es gäbe also gute Gründe, mehr Geld auszugeben. | |
| Auch Linkspartei und Grüne fordern eine Abkehr von der schwarzen Null und | |
| mehr Investitionen. Selbst BDI und DGB wünschen sich Seit an Seit, dass der | |
| Bund in den nächsten zehn Jahren jedes Jahr 45 Milliarden Euro investiert. | |
| Esken und Walter-Borjans sind mit ihrem „Jahrzehnt der Investitionen“ also | |
| nicht nur nicht allein, sondern sogar Teil des Mainstreams. | |
| Erfolgsaussichten: | |
| Schwierig, aber nicht undenkbar. Die Union hat ja auch teure Wünsche, etwa | |
| eine Unternehmensteuerreform oder die komplette Abschaffung des Soli. Ein | |
| vorsichtiges Aufbohren der schwarzen Null im Tausch gegen das eine oder | |
| andere ließe sich von beiden Seiten als Erfolg verkaufen. Eine ernsthafte | |
| Umverteilung von oben nach unten, etwa durch die von Eskabo ebenfalls | |
| gewünschte Vermögensteuer, wäre mit der Union nie zu machen. | |
| ## Erhöhung des Mindestlohns | |
| Status quo: | |
| Der Mindestlohn wurde während der letzten Groko im Januar 2015 eingeführt | |
| und liegt derzeit bei 9,19 Euro brutto die Stunde. | |
| Das wollen Eskabo: | |
| Den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro die Stunde erhöhen. Das wäre eine | |
| satte Erhöhung um 30 Prozent. | |
| Erfolgsaussichten: | |
| Gering. „Die Politik sollte sich aus der Lohnfindung heraushalten“, sagte | |
| der Fraktionsvize der Union und Chef der Mittelstandsunion (MIT), Carsten | |
| Linnemann, der taz. Der gesetzliche Mindestlohn wird in Deutschland durch | |
| eine Mindestlohnkommission festgelegt, die paritätisch von Arbeitgeber- und | |
| Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Die Kommission orientiert sich an den | |
| Steigerungen im Tarifindex, in dem eine Vielzahl von Tarifverträgen erfasst | |
| sind. | |
| Allerdings hatte die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig im November | |
| beschlossen, dass die Mindestlohnkommission von der quasi automatischen | |
| Erhöhung anhand des Tarifindexes abrücken und „konkrete Spielräume“ stä… | |
| nutzen solle. Der Arbeitnehmerflügel CDA hatte die Erhöhung des | |
| Mindestlohns um „kümmerliche 69 Cent“ seit der Einführung gerügt. | |
| ## Klimaschutz | |
| Status quo: | |
| Das Klimaschutzprogramm, das Union und SPD nach ihrer berüchtigten | |
| Nachtsitzung am 20. September beschlossen haben, geht zwar unter dem | |
| Eindruck der Massenproteste von Fridays for Future über die Ankündigungen | |
| im Koalitionsvertrag deutlich hinaus – doch hinter dem, was nötig wäre, um | |
| die deutschen Klimaziele zu erreichen, bleiben die Pläne nach Einschätzung | |
| praktisch aller Expert*innen weit zurück. | |
| Bei Elektroautos und Gebäudesanierungen setzt die Groko auf teure | |
| Förderprogramme statt auf gesetzliche Vorgaben. Der Ausbau der erneuerbaren | |
| Energien wird durch neue Mindestabstände von Windrädern zu Wohnhäusern | |
| eingeschränkt. Und der neue CO2-Preis für die Bereiche Heizen und Verkehr | |
| gilt mit anfangs 10 Euro als weitgehend wirkungslos; zudem wurde auf die | |
| ursprünglich angekündigte Pro-Kopf-Rückzahlung der Einnahmen verzichtet. | |
| Das wollen Eskabo: | |
| Eine Verschärfung des Klimapakets gehörte während des innerparteilichen | |
| Wahlkampfs zu den Hauptforderungen des Siegerduos. „Die SPD hat aus den | |
| Verhandlungen zu wenig rausgeholt. Deshalb müssen wir an das Paket noch mal | |
| ran“, hatte Esken im Tagesspiegel erklärt – verbunden mit der Ankündigung, | |
| andernfalls würde sie der Partei empfehlen, „die Koalition infrage zu | |
| stellen“. | |
| Konkret fordern Eskabo einen höheren CO2-Preis – im Wahlkampf war von 40 | |
| Euro pro Tonne die Rede, verbunden mit einem fairen Sozialausgleich. Auch | |
| die neuen Windräder-Abstandsregeln lehnen sie ab. | |
| Erfolgsaussichten: | |
| Beim Mindestabstand zu Windrädern werden sich die neuen SPD-Vorsitzenden | |
| voraussichtlich über einen Erfolg freuen können. Denn gegen die bisher | |
| geplante Regelung, dass schon zu Mini-Siedlungen von sechs Häusern 1.000 | |
| Meter Abstand gehalten werden müssen, gab es auch zuvor schon viel Kritik – | |
| vom SPD-geführten Bundesumweltministerium bis zu manchen | |
| CDU-Politiker*innen. | |
| Schwieriger dürfte es beim CO2-Preis werden. Denn das Gesetz zu dessen | |
| Einführung ist bereits von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden – | |
| mit Zustimmung der SPD. Denkbar wäre allenfalls, das Gesetz im Rahmen der | |
| Verabschiedung weiterer Teile des Klimapakets noch einmal zu ändern. | |
| Die Chancen dafür stehen aber nicht allzu gut, denn von Ausnahmen wie | |
| Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther abgesehen lehnt die | |
| Union es bisher ab, beim CO2-Preis nachzubessern. | |
| 2 Dec 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
| Malte Kreutzfeldt | |
| Ulrich Schulte | |
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