# taz.de -- Neue Marvel-Serie bei Disney+: Der Held aus der zweiten Reihe | |
> Die neue Marvel-Serie „Moon Knight“ setzt auf neue Erzählmuster und | |
> Figuren. So bleibt die Geschichte unerwartbar – aber auch kompliziert. | |
Bild: Gefährlich nahe am Over-Acting: Oscar Isaac in „Moon Night“ | |
Ohne Markenbekanntheit geht heutzutage in Sachen Film und Fernsehen | |
eigentlich nichts mehr. Gerade im Hause Marvel wird immer daran gearbeitet, | |
das eigene Universum zu erweitern und die Popularität bereits etablierter | |
Figuren und Handlungsstränge wieder und wieder gewinnbringend zu verwerten. | |
Der jüngste „Spider-Man“-Film mit seinem Aufeinandertreffen von gleich drei | |
Peter Parkers trieb das Ganze auf die Spitze, aber auch die drei | |
hauseigenen Serien im vergangenen Jahr entsprachen diesem Konzept: | |
„WandaVision“, „Loki“ und „Hawkeye“ setzten allesamt Protagonist*in… | |
aus dem Avengers-Kontext und bezogen sich konkret auf Ereignisse, die ein | |
Millionenpublikum auf der Leinwand gesehen hatte. Mit „Moon Knight“ | |
verabschiedet sich Marvel vorübergehend von dieser Erfolgsformel und wagt | |
in überschaubarem Rahmen etwas Neues. | |
Moon Knight also, der Titelheld dieser sechsteiligen Serie, tauchte als | |
Figur erstmals 1975 in einem Comic auf und bekam ab 1980 seine erste eigene | |
Reihe, ist aber als Marvel-Held doch eher einer aus der zweiten oder | |
dritten Reihe, der in der deutschen Wikipedia noch nicht einmal einen | |
eigenen Eintrag hat. Wer sich, in Ermangelung von Comic-Vorkenntnissen, | |
anderswo schlau macht, erfährt, dass sich hinter dem Namen ein | |
jüdisch-amerikanischer Söldner namens Marc Spector verbirgt. | |
Doch zu Beginn von „Moon Knight“ begegnen wir erst einmal einem Briten | |
namens Steve Grant (Oscar Isaac), ein unbedarft wirkender | |
Museumsangestellter in London, der sich bestens mit ägyptischer Geschichte | |
auskennt, aber trotzdem nur im Gift Shop arbeitet und dort regelmäßig von | |
der Chefin rundgemacht wird. | |
## Nicht ganz unkompliziert | |
Dass Steve sich selbst in seiner Wohnung nachts ans Bett kettet, hat seine | |
Gründe. Er neigt zum Schlafwandeln und wacht schon mal an den unpassendsten | |
Orten auf; furchterregende Visionen und Blackouts plagen ihn obendrein. Ob | |
der sehr echt wirkende Albtraum, bei dem er in den Alpen auf einen | |
unheimlichen Sektenguru (Ethan Hawke) und dessen Schergen trifft, nicht | |
vielleicht doch Realität war, lässt sich auch nicht ohne Weiteres sagen. | |
Und was hat es mit dem Handy auf sich, dass er versteckt in seinem | |
Apartment findet, auf dem sich eine gewisse Layla (May Calamawy) meldet, | |
die ihn für ebenjenen Marc Spector hält und behauptet, seine Ehefrau zu | |
sein? Bald stellt sich heraus: Steve ist eine der Persönlichkeiten des | |
unter einer dissoziativen Identitätsstörung leidenden Marc, der obendrein | |
ein mit Superkräften ausgestatteter Handlanger des ägyptischen Mondgottes | |
Khonshu ist. | |
Klingt kompliziert? Ist es auch durchaus, und man braucht in „Moon Knight“ | |
eine ganze Weile, bis man durchsteigt und ahnt, wohin die Reise geht. Das | |
ist manchmal spannend und originell, eben weil erzählerisch nicht unbedingt | |
auf etablierte Muster gesetzt wird und so eine Unerwartbarkeit Einzug hält, | |
für die Marvel nicht gerade bekannt ist. | |
## Ein wenig Overacting | |
Mitunter ist die Serie, zumindest in den ersten der Presse vorab gezeigten | |
Folgen, allerdings auch einigermaßen anstrengend, weil Showrunner Jeremy | |
Slater („The Umbrella Academy“) und der hauptverantwortliche Regisseur | |
Mohamed Diab (bekannt geworden durch den ägyptischen Spielfilm „Kairo 678“) | |
ihrerseits nur bedingt erfolgreich darin sind, sich auf einen Tonfall für | |
die Serie festzulegen. | |
Humor wird hier deutlich kleiner geschrieben als sonst bei Marvel, doch | |
ganz darauf zu verzichten trauen sich die Macher dann doch nicht. Und | |
richtig konsequent wollte man sich dann wohl doch auch nicht auf die | |
Düsternis und Brutalität einlassen, die der Serie in manchen Ländern | |
immerhin eine Altersempfehlung ab 16 einbrachte, so dass letztlich eine | |
manchmal unausgegorene Mischung aus „Indiana Jones“-Abenteuer und | |
Psycho-Horrorthriller entstanden ist. | |
Der stets charismatische Oscar Isaac in der Hauptrolle ist natürlich ein | |
guter Grund zum Einschalten, auch er wenn hier mitunter so sehr aufdreht, | |
dass er dem Overacting bedenklich nahe kommt. Für die echten Glanzpunkte | |
in „Moon Knight“ ist die Schauspielerin May Calamawy zuständig, die man | |
bislang aus der Serie „Ramy“ kennt, auch die Musik von Hesham Nazih oder | |
die Spezialeffekte überzeugen. Und es lässt sich nicht leugnen, dass es vor | |
allem sehr erfreulich ist, mal eine Marvel-Serie zu sehen, in der man | |
Referenzen an das sogenannte MCU (Marvel Cinematic Universe) mit der Lupe | |
suchen muss und die bewährten Pfade verlassen werden. Selbst wenn das dann | |
nicht immer ganz trittsicher geschieht. | |
29 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Patrick Heidmann | |
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