# taz.de -- Neue Intendantin in Berlin: Es ist eine Frau! | |
> 2023 wird Iris Laufenberg die erste Frau an der Spitze des Deutschen | |
> Theaters in Berlin. Junge Künstler:innen zu fördern, gehört zu ihren | |
> Stärken. | |
Bild: Iris Laufenberg ist zurzeit Intendantin in Graz und wird 2023 an Deutsche… | |
Ja, es ist eine Frau. Anfang November gab der Berliner Kultursenator Klaus | |
Lederer bekannt, dass Iris Laufenberg ab 2023 Intendantin des Deutschen | |
Theaters in Berlin wird. Das ist gut so. Immer noch werden rund acht von | |
zehn staatlichen Bühnen in Deutschland von Männern geleitet, höchste Zeit, | |
dass sich strukturell etwas ändert, gleiche Karrierechancen gelten. Aber | |
ist Laufenberg die richtige Frau? | |
Die Nachricht, dass Iris Laufenberg nach zwölf Jahren in die Hauptstadt | |
zurückkehren und eines der wichtigsten, traditionsreichsten, am höchsten | |
subventionierten Häuser übernehmen wird, ließ in Berlin nicht die Korken | |
knallen. Laufenberg ist keine strahlende Künstlerpersönlichkeit, keine | |
Intendantin, die mit eigenen Regiearbeiten ästhetische Akzente setzt oder | |
vor innovativen Ideen sprüht. | |
Das Berliner Theatertreffen hat sie zehn Jahre lang (bis 2013) kompetent | |
und zurückhaltend geleitet – als Organisatorin, der bewusst war, dass | |
dieses sehr spezielle Festival nicht von der Leiterin kuratiert wird, | |
sondern von einer Jury. | |
Schon in Berlin, aber danach auch in Bern und vor allem in Graz, wo sie | |
noch bis 2023 das Theater leitet, hat sie sich starkgemacht für Neue | |
Dramatik. Das passt zum Profil des Deutschen Theaters (DT) als | |
Uraufführungshaus. Gerhart Hauptmann erlebte hier seine Weltpremieren, | |
später Heiner Müller. Unter Intendant Ulrich Khuon sind es heute Autorinnen | |
wie [1][Dea Loher] und [2][Thomas Melle]. | |
## Schon jetzt Kooperationspartnerin | |
Zudem hat Khuon hier seine Autorentheatertage etabliert, inzwischen in | |
Kooperation mit Iris Laufenberg und dem Grazer Schauspielhaus. Man darf | |
vermuten, dass Khuon sich für sie starkgemacht hat, immerhin bleibt er ein | |
Jahr länger als geplant, um seiner Nachfolgerin einen reibungslosen | |
Übergang zu ermöglichen. Ihre Berufung ist ein gutes Zeichen für die | |
Gegenwartsdramatik. | |
Auch die Förderung junger Regisseure und vor allem von Regisseurinnen liegt | |
der gebürtigen Kölnerin am Herzen: In Graz arbeitet sie mit | |
Nachwuchskünstlern wie [3][Jan-Christoph Gockel], Claudia Bossard oder Mina | |
Salehpour. Laufenberg gilt als Ermöglicherin, viele Namen finden sich immer | |
wieder auf ihrem Spielplan. Das beweist Loyalität, auch wenn mal eine | |
Arbeit schiefgeht. | |
Bereits lange vor #MeToo und den „Burning Issues“-Konferenzen der | |
Kulturszene war ihr das Thema Gleichberechtigung wichtig. 2011 ließ sie | |
beim Theatertreffen über Genderfragen diskutieren und holte eine | |
[4][Ausstellung über „Regie-Frauen“] nach Berlin. Allerdings scheint es | |
dabei mehr um Networking gegangen zu sein als um einen breiten | |
Genderdiskurs. Angeeckt ist Laufenberg mit ihrer Arbeit nie; die | |
Entscheidung des Kultursenators Klaus Lederer ist eine zugunsten von | |
Kontinuität, Planbarkeit und Kooperation. Nicht verwunderlich nach dem | |
Desaster, das sein Vorgänger Tim Renner verursachte, als er den | |
[5][Kulturmanager Chris Dercon an die Volksbühne berief.] | |
## Großes Schauspielertheater | |
Gut, wenn eine Intendantin nicht auf schnellen Erfolg, den neuesten Trend | |
setzt und sich selbst nicht wichtiger nimmt als die Kunst. Auch das | |
Deutsche Theater steht ja nicht für ästhetische Innovation oder | |
performative Experimente. Dafür gibt es in Berlin andere Spielstätten. Es | |
steht für gepflegtes Schauspielertheater, für großes und neues Drama. | |
Doch auch hier sind strukturelle Veränderungen überfällig, vor allem, was | |
das fast ausschließlich weiße Ensemble betrifft, das die vielfältige | |
Gesellschaft längst nicht mehr repräsentiert. Mehr als zwei Jahre sind es | |
noch bis zu Laufenbergs Antritt in Berlin, in Interviews hält sie sich | |
verständlicherweise zurück, was konkrete Pläne anbelangt, und äußert sich | |
zu allem moderat und abwägend. Sie wolle keine Revolution anzetteln, sagte | |
sie der Berliner Zeitung, vieles an den heutigen Theaterstrukturen sei gut, | |
man müsse sie aber transparenter machen. Nach wegweisenden, mutigen | |
Veränderungen klingt das nicht. | |
Ob Iris Laufenberg das künstlerische Profil des Hauses schärfen kann und | |
kreative Lösungen für eine krisengeschüttelte Theaterwelt mitbringt, bleibt | |
durchaus die Frage. Antworten gibt es ab 2023. | |
19 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Behrendt | |
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