# taz.de -- Nach der Explosion in Beirut: Zusammen fegen | |
> Vor allem junge Menschen kommen in die zerstörten Viertel Beiruts, um | |
> aufzuräumen. Aus Trauer wird Wut auf den Staat. Zerbricht der Libanon? | |
Bild: Weitermachen, irgendwie: Hunderttausende sind seit der Explosion in Beiru… | |
Einfach nur traurig steht Musa Bashir zwei Tage nach der Explosion vor den | |
Trümmern seiner Stadt. Der 27-Jährige ist in Beirut geboren und | |
aufgewachsen, hat nie woanders gelebt. In den zerstörten Restaurants hat er | |
gegessen, in den eingestürzten Bars mit Freunden zusammengesessen, in den | |
Wohnungen, denen nun ganze Wände und alle Fenster fehlen, Partys gefeiert. | |
Musa Bashir läuft. Quer durch die Innenstadt, von Downtown durch Gemmayze | |
nach Mar Mikhael. Schaut hoch zu den Fassaden in den besonders zerrütteten | |
Stadtvierteln, die wie ausgetrocknete Pflanzen herabhängen, zu Balkonen, | |
denen der Boden fehlt, zu leeren Fensterrahmen, zu Säulen, die mal ein Dach | |
getragen haben, wo jetzt keines mehr ist. | |
Ein Taxi fährt vorbei, eine junge Frau sitzt darin, eine Freundin von | |
Bashir. Sie trägt Pflaster und Verbände. Bashir tritt ans Fenster, „wie | |
geht es dir?“, fragt er. Die Frau lächelt matt, „schon wieder besser“. S… | |
hebt kurz die Schultern, lässt sie fallen. Das Taxi setzt sich langsam in | |
Bewegung, gut voran kommt es an diesem Tag nicht. Tausende vor allem junge | |
Menschen sind in der Straße unterwegs. | |
An gewöhnlichen Freitagabenden besuchen die Menschen hier die wie an einer | |
Perlenschnur aufgereihten Bars und Restaurants. An diesem Donnerstagmittag | |
sind sie gekommen, um zu helfen. Aus anderen Stadtvierteln, aber auch aus | |
allen Teilen des Landes. In Gemmayze und Mar Mikhael fegen sie Glas | |
zusammen, sie räumen riesige Müllsäcke fort, verteilen Essen, Wasser, | |
Kleidung und Medikamente. | |
Viele von ihnen sind jung, keine 20 Jahre alt. Mit einem Besen über der | |
Schulter, einer Mütze auf dem Kopf und einer Maske vor Mund und Nase | |
schreiten sie die Straßen entlang, übernehmen, wie so oft in diesem Land, | |
Aufgaben, die eigentlich dem Staat zufallen. Doch dieser Staat schützt | |
seine Bürger:innen nicht, schon lange nicht mehr, und jetzt wird klar: Er | |
hat sie sogar gefährdet, in vollem Bewusstsein. | |
2.750 Tonnen gelagertes Ammoniumnitrat sollen im Hafen von Beirut am frühen | |
Dienstagabend explodiert sein. Das brandgefährliche Material erreichte die | |
Stadt im Jahr 2013 auf einem Frachter, der eigentlich in Mosambik anlegen | |
sollte. Sechs Sommer lang moderte es vor sich hin, niemand kümmerte sich um | |
seine Entsorgung, obwohl Zollbeamte mehrfach auf die Gefahren hinwiesen. | |
Warum niemand handelte, ist noch unklar, womöglich aber, weil sich noch | |
kein lukratives Geschäft gefunden hatte, das mit dem Material zu machen | |
gewesen wäre. Es wäre sinnbildlich für den Libanon, wenn sich die seit | |
Jahrzehnten grassierende Korruption und das eklatante Staatsversagen auf | |
diese Weise entladen hätten. | |
Bei der Explosion werden mehr als 5.000 Menschen verletzt, mindestens 140 | |
sterben, Dutzende sind noch vermisst, wohl 300.000 obdachlos. Nach der | |
Staats- und der Wirtschaftskrise, nach der Coronapandemie ist es die | |
nächste Katastrophe, die das Land erfasst. Ist es die eine zu viel, | |
zerreißt es den Libanon? Oder vereint die Zerstörung die Libanes:innen, | |
rücken sie als Gesellschaft noch einmal mehr zusammen, in der Wut auf die | |
Politiker? | |
Zunächst ist da sehr viel Trauer, sehr viel Resignation. „Ich bin nur noch | |
müde“, sagt Bashir. Er heißt in Wirklichkeit anders, will aber mit seinem | |
echten Namen nicht in die Öffentlichkeit. Eigentlich sollte er schon gar | |
nicht mehr im Land sein. Bashir hat Wirtschaftsmanagement studiert. Seinen | |
Job an der renommierten Amerikanischen Universität Beirut (AUB) hatte er | |
gekündigt und sich bei einem Unternehmen in Abu Dhabi beworben. | |
Wie viele andere gut ausgebildete junge Leute will er weg. Die Zusage | |
erhielt er im Mai, doch da war der Flughafen in Beirut wegen der | |
Coronapandemie geschlossen. Vor zwei Wochen dann, es sah eigentlich alles | |
gut aus, die große Enttäuschung: Die Vereinigten Arabischen Emirate lehnten | |
das Visum ab, wegen Corona. „Jetzt bin ich arbeitslos, in einer so extremen | |
Zeit.“ | |
Vor einem fast vollständig eingestürzten Gebäude bleibt Musa Bashir stehen, | |
Dutzende haben sich darum versammelt. Rettungskräfte stehen auf den | |
Trümmern, sie schieben eine orangefarbene Wanne über die Steinbrocken, | |
versuchen, zu einer Lücke zu gelangen. Schließlich beginnen die Menschen zu | |
jubeln, den Rettungskräften gelingt es, einen braunen Hund aus den Trümmern | |
zu befreien. Andere weinen. | |
Auch am frühen Dienstagabend war Musa Bashir in dieser Straße im Viertel | |
Mar Mikhael unterwegs, saß mit einem Freund im Auto, sie wollten hinaus in | |
die Berge. Das Auto steckte im Verkehr fest, als sie die erste Explosion | |
hörten. Sie hätten sich angesehen und einander signalisiert: Beug dich nach | |
vorne, schlag die Arme über den Kopf. Die zweite Explosion dann habe die | |
Straße auseinandergerissen. Bashir, der den Krieg gegen Israel 2006 in | |
einem südlichen Vorort der Hauptstadt miterlebt hat, sagt: „So eine | |
Explosion habe ich noch nie gehört.“ Und doch rechnete er, wie viele | |
andere, mit einem Angriff, einige berichten von Flugzeugen, die sie vor der | |
Detonation gehört hätten. | |
Nicht alle Libanes:innen glauben deshalb einzig an die Erklärung mit dem | |
Ammoniumnitrat, doch sie sagen: Selbst wenn ausländische Mächte ihre | |
Finger im Spiel hatten, so wäre es doch die Aufgabe ihrer Politiker | |
gewesen, sie alle zu schützen und das Material zu entsorgen. Die Explosion | |
sei der letzte Beleg für das Versagen und die Korruption der politischen | |
Führung, die das Land heruntergewirtschaftet habe. | |
Rund 48 Stunden nach der Explosion verwandelt sich die Trauer allmählich in | |
Wut. Am Donnerstagabend finden im Stadtteil Downtown wieder erste Proteste | |
statt, die Menschen sind laut, zornig. Protestierende werfen Steine auf | |
Einsatzkräfte, einige Demonstranten werden verletzt. „Wir können es nicht | |
mehr ertragen. Das war’s. Das ganze System muss weg“, sagt ein junger Mann. | |
Für diesen Samstag ist eine große Demonstration angekündigt. Die Menschen | |
rufen wieder „Thawra“, Revolution. | |
Wie bei den Protesten im vergangenen Jahr: 30 Jahre nach dem Ende des | |
Bürgerkriegs gehen am 17. Oktober 2019 Hunderttausende Libanes:innen auf | |
die Straße, weil die Regierung eine Steuer auf den Nachrichtendienst | |
WhatsApp erheben will – eine von vielen Austeritätsmaßnahmen, die vor allem | |
die ärmere Bevölkerung treffen. Wochenlang protestieren sie für eine | |
Veränderung im politischen System, das auf Proporz und Postengeschacher | |
innerhalb der eigenen Klientel basiert und über Jahrzehnte von Korruption | |
zerfressen wurde. Die Proteste werden gewaltvoller, im Januar tritt eine | |
neue Regierung unter Ministerpräsident Hassan Diab an. Der verspricht | |
Veränderung. | |
Die bleibt aus. Seit Beginn des Jahres verliert das libanesische Pfund | |
zudem dramatisch an Wert, um mittlerweile 80 Prozent. Die Menschen können | |
vieles nicht mehr kaufen, es gibt ständig Stromausfälle, Geschäfte | |
schließen. Seit Monaten verhandelt die Regierung mit dem Internationalen | |
Währungsfonds über Finanzhilfen, noch immer ohne Ergebnis. Die Weigerung | |
ihrer eigenen Politiker, nötige Reformen einzuleiten, geht so weit, dass | |
die libanesischen Chefunterhändler im Laufe der Gespräche hinschmeißen. | |
Ende Februar wird der erste Coronafall im Libanon bekannt, die Regierung | |
reagiert schnell. Sie schließt Schulen, den Flughafen, die Ausgehmeilen. | |
Die Zahlen bleiben über Monate niedrig, es gibt kaum Todesopfer. Doch seit | |
einigen Wochen steigen die Fallzahlen, am Donnerstag sind es mehr als 250 | |
neue Infizierte – neuer Rekord. Erst am Dienstag, wenige Stunden vor der | |
Explosion, haben die Krankenhäuser gemeldet, sie seien am Rande ihrer | |
Kapazitäten angelangt. Überfordert ist das Gesundheitssystem im Libanon | |
schon lange. Wie 80 Prozent aller Güter, darunter Weizen und Benzin, werden | |
auch Medikamente importiert. Die Zukunft ist ungewiss: 60 Prozent der | |
Importe liefen bislang über den – jetzt kaputten – Beiruter Hafen. Die | |
Explosion hat auch ein Lager mit Medikamenten und ein Weizenlager | |
zerstört. | |
Um die Versorgung von Nahrungsmitteln und Medizin zu gewährleisten, kommt | |
internationale Hilfe: Die Bundesregierung stellt 1 Million Euro für das | |
Deutsche Rote Kreuz in Beirut zur Verfügung, 50 Mitarbeitende des | |
Technischen Hilfswerks sind in der libanesischen Hauptstadt, um erste | |
Einsatzstellen zu sondieren und die Deutsche Botschaft zu unterstützen. | |
Nach Angaben der Bundeswehr sind auch eine Korvette und ein Erkundungsteam | |
in Beirut. | |
Die US-Armee schickte am Donnerstag drei Flugzeugladungen mit Wasser, | |
Nahrungsmitteln und medizinischem Material in den Libanon, die EU gab 33 | |
Millionen Euro frei. Auch die Golfstaaten sowie der Iran haben Hilfen | |
zugesagt. Die versprochene Hilfe aus Israel hat die libanesische Regierung | |
dagegen abgelehnt. | |
Als das Ammoniumnitrat am Dienstag um 18.08 Uhr explodiert, hat die | |
26-jährige Aya Darwish gerade Dienst in der Notaufnahme in der Uniklinik | |
der AUB. „Ich habe fünf Jahre in der Notaufnahme gearbeitet, aber auf diese | |
Situation hat uns niemand emotional vorbereitet“, sagt die Krankenpflegerin | |
am Telefon. „Ich habe meine Handschuhe angezogen, meine Maske aufgesetzt | |
und gefragt: Was kann ich tun?“ | |
In der Pädiatrie hilft Aya Darwish, ein dreijähriges Kind zu intubieren. | |
„Ich glaube, wir hatten die Situation gut im Griff. Wir haben versucht, so | |
viele Menschen wie möglich zu retten, wir konnten viele in die | |
Operationsräume einliefern, kleine Verletzungen schnell versorgen und uns | |
um die kritischen Fälle kümmern.“ Zwei Stunden sei der Strom ausgefallen, | |
erzählt sie. „Wir hatten die Notlichtversorgung an, Scheiben im Krankenhaus | |
waren zersplittert, Wände zerbrochen, aber wir haben uns nur um die | |
Patienten gekümmert.“ | |
Im Zuge der Wirtschaftskrise verloren Tausende Libanes:innen ihre Jobs, | |
auch medizinisches Personal: 800 Mitarbeiter:innen des Uniklinikums wurde | |
erst im Juli gekündigt. Einige von ihnen meldeten sich nach der Explosion | |
freiwillig, um Verletzte zu versorgen. | |
Vor allem die privat geführten Krankenhäuser des Libanon galten lange Zeit | |
als die besten in der Region. Doch heute kämpfen sie darum, Mitarbeitende | |
zu bezahlen, Geräte am Laufen zu halten oder gar offen zu bleiben. Der Chef | |
des chronisch unterfinanzierten staatlichen Hariri-Krankenhauses, Firass | |
Abiad, twittert: „Die Explosion und ihre Folgen haben eine unhaltbare | |
wirtschaftliche Situation noch verschlimmert. Die Auswirkungen werden bald | |
offensichtlich sein.“ | |
Vier Krankenhäuser wurden durch die Explosion getroffen. In dem nahe dem | |
Hafen gelegenen St.-Georg-Universitätsklinikum – das laut Aussagen Abiads | |
an „vorderster Front gegen Covid-19“ gearbeitet hatte – stürzte eine Wand | |
ein, vier Pflegerinnen kamen ums Leben. Scheiben wurden zerschmettert. | |
Ärzt:innen versorgten bis spät in die Nacht Verletzte auf der Straße – | |
mithilfe ihrer Handylampen, da der Stromgenerator des Krankenhauses | |
zerstört wurde. | |
Die Krankenpflegerin Aya Darwish versucht, ihre Emotionen | |
beiseitezuschieben, doch die Bilder sind in ihrem Kopf. „Ich höre noch | |
immer die Alarmsirene in der Notaufnahme und die Schreie der Menschen.“ Sie | |
traf sich am Mittwoch mit ihren Kolleg:innen, um die Situation zu | |
verarbeiten. „Es ist in Ordnung, Angstzustände zu haben. Das ist auch neu | |
für uns. Wir haben uns gemeinsam alles von der Seele geredet, uns umarmt.“ | |
Die Solidarität unter den Libanes:innen kennt dieser Tage keine Grenzen. | |
Dutzende Initiativen haben sich gegründet, über die sozialen Netzwerke | |
werden Informationen über Vermisste ausgetauscht, freie Zimmer denen | |
angeboten, die ihre Bleibe verloren haben. Sie sammeln Kleidung, Essen, | |
Material, um zerbrochene Fenster zu flicken, sie bieten kostenlose | |
psychologische Hilfe an. Sie bestärken sich gegenseitig. | |
„Ich nehme alles zurück, was ich je Schlechtes über Libanesen gesagt habe�… | |
heißt es bei „lebfinance“, einem populären Twitteraccount, „wenn wir | |
zusammenarbeiten und anderen in Gefahr für unser eigenes Leben helfen, sind | |
wir am besten. Zum Teufel mit denen, die das politisieren. Ich bin stolz, | |
Libanese zu sein.“ Ihre Hoffnung setzen die Menschen nur noch ineinander. | |
Von ihrem Staat erwarten sie nichts mehr. | |
Am Donnerstagnachmittag sitzen zwei junge Frauen auf dem Bürgersteig im | |
Viertel Gemmayze. Sie machen Pause, essen einen Apfel. Die beiden | |
Freundinnen sind gemeinsam bei den Pfadfindern, sie wollten unbedingt | |
helfen. Sie stammen aus den Bergen im Landesinnern, sie spürten die | |
Explosion selbst dort, 30 Autominuten von Beirut entfernt. „Wir haben uns | |
zu Hause so nutzlos gefühlt. Wir wissen, dass wir nur einen kleinen | |
Unterschied machen, aber wir konnten nicht nicht kommen“, sagt Grace Asmar. | |
Es habe ihnen das Herz gebrochen, Beirut so zu sehen, es breche auch jetzt | |
gerade, immer wieder. Bei mehr als 30 Grad haben die 19-Jährigen den ganzen | |
Tag schon Glas aufgefegt, im nahegelegenen Krankenhaus haben sie | |
aufgeräumt, geputzt und auch die vielen, vielen Scherben entsorgt. | |
Auch in Achrafieh fegen sie am Donnerstag stundenlang das Glas zusammen, | |
und doch liegt es noch immer überall verstreut. Es ist aus Fensterrahmen | |
gesprungen, aus Türen, Spiegeln, Schränken. Es klirrt und glitzert, überall | |
in diesem Viertel, das immerhin noch knapp zwei Kilometer vom Hafen | |
entfernt ist und das es längst nicht so schlimm getroffen hat wie das | |
nördliche Gemmayze. Und doch sind die Menschen paralysiert, mit | |
ausdruckslosen Gesichtern kehren und fegen sie, immer weiter und weiter, | |
sie schieben es von sich, das alles. | |
Wie viel können sie noch ertragen, die Bewohner:innen dieser Stadt, die so | |
oft am Boden lag? „Beirut und der Libanon werden heilen, das tun sie immer. | |
Aber ob sie noch die Gleichen sein werden wie zuvor, weiß ich dieses Mal | |
nicht“, sagt einer der Ladenbesitzer an der Independence Street in | |
Achrafieh. | |
Dort betreibt auch Hisham Sbar seit 24 Jahren seinen Friseurladen Salon | |
Costy. Nahezu alles in seinem Geschäft bestand aus Glas, das liegt nun | |
zersplittert am Boden. Sbar selbst hat zahlreiche Schnitte an seinen Armen, | |
auf seiner Glatze, er sagt, auch am Rücken habe er viele tiefe Einschnitte. | |
Während er spricht, kommt seine Mitarbeiterin um die Ecke. Beim Anblick des | |
zerstörten Geschäfts schreit sie kurz auf, schlägt die Hände vors Gesicht | |
und bricht in Tränen aus. „Alles ist gut“, sagt Sabr, er nimmt sie in den | |
Arm. Gemeinsam gehen sie in den Laden, tasten sich langsam vor, unter ihren | |
Schuhen knirscht das Glas. | |
Sabr deutet auf rote Spuren am Boden, „mein Blut“, er deutet auf bunte | |
Matsche, „das Eis meines Kollegen“. Drei Meter sei er von der Tür | |
zurückgeschleudert worden, mit dem Rücken auf den Glasscherben gelandet. | |
Minutenlang habe er sich überhaupt nicht bewegt, nur Blut gesehen, den Kopf | |
ausgeschaltet. „Ich war mir sicher, das ist eine Bombe, die irgendwo in der | |
Stadt explodiert ist.“ Die Israelis, ein politischer Mord, Dinge, die sie | |
in Beirut eben kennen. | |
Und jetzt? Hat er noch Hoffnung, auf irgendwas in diesem Land? „Nein, ich | |
will nur noch weg. Seit Jahren zahle ich für meine Kinder 30.000 Dollar im | |
Jahr, damit sie studieren können. Das kann ich nicht mehr, das Geld haben | |
sie mir gestohlen.“ Er deutet nach draußen, irgendwohin, zu den Banken, den | |
Politikern, es gäbe genug, die dieser Finger meinen könnte. | |
Bei aller Solidarität, bei allem Stolz aufeinander geht es vielen | |
Libanes:innen ähnlich wie Hisham Sabr. Musa Bashir ist mittlerweile an der | |
Straßenecke angelangt, an der er die Explosion mit seinem Freund im Auto | |
erlebte. Er wartet lange, bevor er auf die Frage antwortet, was mit dem | |
Libanon jetzt passiert. Ob es hilft, dass die Welt jetzt doch wieder | |
hinsieht, auf seine Heimatstadt am Mittelmeer. Frankreichs Präsident | |
Emmanuel Macron eilte bereits am Donnerstag medienwirksam nach Beirut und | |
versprach Hilfe, forderte aber auch Maßnahmen gegen die Korruption. | |
„Ich denke schon, dass etwas passiert“, sagt Musa Bashir schließlich. Die | |
Solidarität in der Bevölkerung sei gigantisch, aber Strukturen oder | |
Initiativen, um eine grundlegende politische Veränderung einzuleiten, | |
fehlten. „Deshalb weiß ich nicht, ob es genug ist.“ | |
7 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Hanna Voß | |
Julia Neumann | |
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