| # taz.de -- Moorschutz in Schleswig-Holstein: Baggern gegen den Klimawandel | |
| > Mit zwei neuen Methoden sollen trockengelegte Hochmoore in | |
| > Schleswig-Holstein wieder bewässert werden. Das Projekt könnte Tausende | |
| > Tonnen CO2 binden. | |
| Bild: Das „Baggerballett“ bereitet im Königsmoor Flächen für die Vernäs… | |
| Christiansholm taz | Dichte Nebelschwaden wabern über die Landschaft hinter | |
| Christiansholm, einem kleinen Dorf keine 30 Fahrtminuten von Rendsburg | |
| entfernt. Hier, im Herzen von Schleswig-Holstein, liegt das Königsmoor. Nur | |
| wenige Meter neben einem schmalen, in die Jahre gekommenen Asphaltweg | |
| werden zwei neue, vielversprechende Methoden zur Wiedervernässung des Moors | |
| eingesetzt. | |
| Entwässerte Moore sind nämlich Klimakiller. Sieben Prozent aller | |
| Treibhausgas-Emmisionen in Deutschland gehen von ihnen aus, weiß Hans | |
| Joosten, emeritierter Professor für Moorkunde an der Universität | |
| Greifswald. In ganz Deutschland sind das sechs Millionen Tonnen CO2 im | |
| Jahr. Um die Emissionen zu stoppen, müssen die Flächen wieder unter Wasser | |
| gesetzt werden. | |
| Das 2.000 Hektar große Königsmoor wurde 1915 trockengelegt, um die Flächen | |
| für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Die Birken, die in Grüppchen | |
| zwischen Grasbüscheln und dem hauchdünn gefrorenen Wasserspiegel stehen, | |
| sind typisch für solche Gebiete. „Birken sind ein Bild, das man mit dem | |
| Moor verbindet“, sagt Gerrit Werhahn, der die Renaturierung für die | |
| Stiftung Naturschutz koordiniert. „Aber eigentlich sind sie ein Zeichen der | |
| Austrocknung.“ Dass man Birken und Moore trotzdem miteinander verbindet, | |
| liegt daran, dass nur noch fünf Prozent der Moore in Deutschland nass sind. | |
| In Christiansholm möchte das Land nun mit gutem Beispiel vorangehen und das | |
| Königsmoor Stück für Stück renaturieren. Die Stiftung Naturschutz | |
| Schleswig-Holstein erwarb die ersten Flächen dafür schon 1989. Ein Problem, | |
| das sich beim Wiedervernässen von Hochmooren aber oftmals zeigt: „Die guten | |
| Flächen, die noch Heidevegetation haben, sind deutlich oberhalb der | |
| Grünlandflächen. Das war hier etwa ein halber Meter Höhenunterschied“, sagt | |
| der Ingenieur Holger Mordhorst-Brettschneider. Das Moor hat also gar keine | |
| Chance, das Wasser zu halten – es fließt einfach ab. | |
| Um das Problem zu lösen, hat Mordhorst-Brettschneider eigens zwei Techniken | |
| entwickelt, die das Wasser an Ort und Stelle halten sollen: Torfdichtwände | |
| und Torfdichtbahnen. Der Torfwall, auf dem er steht, ist so eine | |
| Torfdichtwand. Sie gibt bei jedem Schritt nach. Bleibt man zu lange stehen, | |
| sinkt man an einigen Stellen langsam ein. | |
| ## Der gewünschte Wasserstand ist bereits erreicht | |
| Die Torfdichtwand ist weitaus mehr als ein einfacher Erdwall. Bei einfachen | |
| Dämmen kann das Wasser unterhalb des aufgeschütteten Torfs durchströmen. In | |
| der von Mordhorst-Brettschneider entwickelten Torfdichtwand wird dagegen | |
| ein dichter Kern aus Torf geschaffen, der bis zu 2,5 Meter tief in den | |
| Boden reicht, bevor der Wall aus Torf aufgesetzt und für eine bessere | |
| Abdichtung mit Baggerketten und Schaufeln komprimiert wird. | |
| Fertiggestellt wurden die Wälle im November 2021. Je nach Wetterlage steht | |
| das Wasser dann schon nach einigen Wochen. In diesem Abschnitt des Moors | |
| ist der gewünschte Wasserstand bereits erreicht. Sobald das Hochmoor wieder | |
| nass ist, wird kein CO2 mehr emittiert. Bis sich die Hochmoorflora wieder | |
| im großen Stil ausbreitet und Kohlendioxid bindet, dauert es allerdings | |
| noch Jahrzehnte. | |
| Wenige hundert Meter weiter werden neue Flächen für die Vernässung | |
| vorbereitet. Von hier aus kann man drei Baumaschinen beim Torfaufschichten | |
| beobachten. Weil das so flott und synchron geschieht, hat das Trio den | |
| Kosenamen „Baggerballett“ bekommen. Meter für Meter werden neue | |
| Torfdichtwände geschaffen. | |
| Inzwischen brechen erste Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und | |
| Vogelgesang kündigt den Anbruch des Frühlings an. Melanie Schubert trägt | |
| eine Fellmütze und ein großes Fernglas um den Hals. Sie arbeitet im | |
| Planungsbüro von Holger Mordhorst-Brettschneider und erklärt die zweite | |
| Methode, die sie und ihre Kolleg:innen entwickelt haben: | |
| Torfdichtbahnen. Die sind noch so neu, dass eine Internetsuche dazu kein | |
| einziges Ergebnis liefert. | |
| ## Jeder Hektar hält 29 Tonnen CO2 gebunden | |
| „Die Bahnen haben wir gerade hier in den höheren Teilbereichen eingesetzt. | |
| Das ist eine Folie, die man auch zum Abdecken von Müllbergen nutzt, die | |
| zersetzt sich nicht“, erklärt Schubert. Die Folie wird mit einem Pflug | |
| vertikal in den Boden eingebracht, das Moor so wenig wie möglich in | |
| Mitleidenschaft gezogen und an gefährdeten Stellen der Wasserstand | |
| gehalten. | |
| Bis heute sind mit Torfdichtwänden und Torfdichtbahnen schon 410 Hektar des | |
| Königsmoors wiedervernässt. Warum die beiden vielversprechenden | |
| Technologien aber nicht überall so gut funktionieren, erklärt Holger | |
| Mordhorst-Brettschneider am Ende des Rundgangs: „Die Moore sind woanders | |
| ganz andere als hier. In Niedersachsen gibt es zum Beispiel viele | |
| Schwarztorfmoore. Wir haben überwiegend Weißtorfmoore. Man muss die | |
| Methoden auch immer an die Situation anpassen. Jedes Moor ist ein eigenes | |
| Individuum.“ Es gebe von anderen Bundesländern aber durchaus Interesse an | |
| den Entwicklungen und Erkenntnissen aus Schleswig-Holstein. | |
| „Grünland aus der Nutzung zu nehmen und wieder zu einem naturnahen Moor zu | |
| machen – das passiert in den anderen Ländern deutlich weniger. Da haben wir | |
| die Nase vorn“, sagt Gerrit Werhahn. Jeder Hektar der Vernässung hält 29 | |
| Tonnen CO2 gebunden, die ansonsten in die Atmosphäre gelangt wären. | |
| Am Königsmoor könnte sich das ein oder andere Bundesland ein Beispiel | |
| nehmen. Für Werhahn und die Stiftung Naturschutz steht jetzt ein neues | |
| Projekt vor der Tür. In Kooperation mit der Christian-Albrechts-Universität | |
| Kiel und mit 12,4 Millionen Euro Förderung des Bundes läuft seit Januar das | |
| Pilotprojekt „Klima-Farm – Ökonomisch und ökologisch tragfähige | |
| moorbodenerhaltende Grünlandbewirtschaftung“ als Teil der „Moore mit | |
| Zukunft“ an. | |
| 23 Mar 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Niklas Berger | |
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