| # taz.de -- Missbrauch in der katholischen Kirche: Leidvolles Warten auf Gerech… | |
| > Nach neuem Gutachten zu sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche | |
| > hoffen Betroffene auf Aufarbeitung und Entschädigung. | |
| Bild: Unter Gleichgesinnten: Der emeritierte Papst Benedict XVI im Mai 2007 zu … | |
| München taz | Sexualisierte Gewalt im katholischen Erzbistum München und | |
| Freising und der fehlende Aufklärungswille der verantwortlichen Bischöfe | |
| beschäftigen Menschen bundesweit. 497 Übergriffe auf Kinder und Jugendliche | |
| im Zeitraum von 1945 bis 2019 identifiziert [1][ein Gutachten, das die | |
| Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl am Donnerstag in München vorgestellt] | |
| hatte. Eine weitaus höhere Dunkelziffer wird angenommen. | |
| Eine „vollständige Nichtwahrnehmung der Opfer“ erkennen die | |
| Gutachter*innen aufseiten der kirchlichen Verantwortungsträger. Damit | |
| auch gemeint: der frühere Erzbischof von München, Joseph Ratzinger, später | |
| Papst Benedikt XVI., und der amtierende, Reinhard Kardinal Marx. In 42 | |
| Fällen will die Staatsanwaltschaft München I nun das Fehlverhalten von | |
| kirchlichen Verantwortungsträgern prüfen. | |
| Agnes Wich, die mit neun Jahren sexualisierte Gewalt durch einen Priester | |
| erfahren und später die „Betroffeneninitiative Süddeutschland“ mitgegrün… | |
| hat, begrüßt die deutliche Sprache der Gutachter*innen. „Die neue Studie | |
| und ihre Präsentation heben sich ab in ihrer Klarheit und Aussagestärke“, | |
| sagte Wich der taz. | |
| Die Münchnerin saß im Betroffenenbeirat des Erzbistums, verließ das | |
| kirchliche Aufarbeitungsgremium aber nach wenigen Wochen wieder. „Es geht | |
| mir jetzt darum, dass die Politik einen Blick auf diese Fälle wirft, | |
| reagiert und wirklich handelt“, sagte Wich. Da Betroffene sexualisierter | |
| Gewalt nicht selten erwerbsunfähig würden, erwartet sie eine angemessene | |
| finanzielle Anerkennung seitens der Kirche, „ausgehend vom Zeitpunkt des | |
| Verbrechens bis zum heutigen Tag“. Die Organisationen hätten errechnet, | |
| dass es sich dabei um durchschnittlich 300.000 Euro pro Fall handeln würde. | |
| Nicht nur, dass die veranschlagten Anerkennungssummen deutlich niedriger | |
| seien, kritisiert Wich, auch das Antragsverfahren sei problematisch. | |
| Maud Zitelmann, Professorin für Jugendhilfe und Kinderschutz in Frankfurt | |
| am Main, will, dass der Staat übernimmt. Es sei ein Problem, dass | |
| Betroffene sich nur an die Kirche wenden könnten, sagte sie der taz. Die | |
| neue Studie zeige, dass auch zurückliegende Fälle durchaus ermittelt werden | |
| könnten. Zitelmann fordert eine rückwirkende Aufhebung der | |
| Verjährungsfrist. „Wenn das nicht möglich ist, braucht es etwas wie eine | |
| Wahrheitskommission, damit die Realität und das Leid anerkannt werden.“ | |
| ## „Keiner kann sich selbst aufklären“ | |
| Johannes-Wilhelm Rörig, seit 2011 der Unabhängige Beauftragte für Fragen | |
| des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, blickt „mit Schrecken | |
| und Erschrecken auf den kaltherzigen Pragmatismus, mit dem Verantwortung | |
| wegdelegiert wurde“. Durch den hohen Rang der kirchlichen | |
| Verantwortungsträger hätten die Erkenntnisse eine besondere Dimension, | |
| sagte Rörig der taz. | |
| „Die Kirche kann den Prozess der Aufarbeitung aber nicht alleine schaffen. | |
| Da muss sich endlich auch der Staat mehr einbringen.“ Verjährungsfristen | |
| rückwirkend aufzuheben sei verfassungsrechtlich aber nicht möglich. Rörig | |
| schlägt stattdessen vor, dass der Bundestag die Unabhängige Kommission zur | |
| Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gesetzlich verankert. Eine | |
| parlamentarische Begleitung der Kommission würde dann durch das | |
| Vorladungsrecht der Parlamentarier*innen neue | |
| Aufklärungsmöglichkeiten bieten. | |
| „Keiner kann sich selbst aufklären, dafür gibt es unseren Rechtsstaat“, | |
| sagte auch der Religionsbeauftragte der SPD im Bundestag, Lars Castellucci, | |
| nach Veröffentlichung des Gutachtens. Es könne nicht sein, dass der „Schutz | |
| der Organisation größer geschrieben wird als der Schutz der Menschen“. | |
| Der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Gregor | |
| Podschun, sieht das ähnlich: „Es kann nicht sein, dass der Rechtsstaat der | |
| katholischen Kirche Sonderrechte einräumt, die Leid verursachen.“ Auch | |
| Podschun plädiert dafür, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem der | |
| Opferschutz mehr wiegt als die Persönlichkeitsrechte der Täter. | |
| Innerkirchlich setze er auf den Reformprozess des Synodalen Weges. Auch | |
| wenn die Ursachen der Gewalt systemisch seien, brauche es personelle | |
| Konsequenzen. | |
| Eine [2][zentrale Figur in der Causa ist Kardinal Marx]. „Ich bin | |
| erschüttert und beschämt“, sagte er nach Veröffentlichung des Gutachtens. | |
| Er bat um Entschuldigung für das Leid, das die Kirche verursacht. „Wir | |
| werden auch anhand der Empfehlungen des aktuellen Gutachtens weitere | |
| Veränderungen beraten und umsetzen.“ | |
| Am kommenden Donnerstag will Marx ausführlich Stellung beziehen. Auch der | |
| frühere Papst Benedikt XVI. bedauert nach den Worten seines Privatsekretärs | |
| Georg Gänswein die sexualisierte Gewalt an Minderjährigen. Dem Medienportal | |
| Vatican News sagte Gänswein, Benedikt habe bis Donnerstag das Gutachten | |
| nicht gekannt und wolle es in den kommenden Tagen prüfen. | |
| 21 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Hunglinger | |
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