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# taz.de -- Vertuschung in den Medien: Bis Gras drüber wächst
> Medien sind genauso schlimm wie die katholische Kirche, meint unser
> Kolumnist. Er findet Beispiele von Springer bis zum Bayerischen Rundfunk.
Bild: Brancheninzest: Der Vorsitzende des Rundfunkrats beim BR heißt immer noc…
Ach nee! [1][Bei Springer] sollen sie jetzt doch schon länger im Bild
gewesen sein, dass sie mit Bild-Chefredakteur Julian Reichelt eine ziemlich
fragwürdige Nummer am Start hatten. Da dürfte so manchem Konzernvorstand im
Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße bei der Lektüre der frisch gebügelten
Financial Times (FT) von Dienstag das Franzbrötchen in den Latte geplumpst
sein. Zumal sie der FT schlecht vorwerfen können, ein voreingenommenes
Boulevard-Drecksblatt zu sein. Es ist überhaupt interessant, dass hier die
internationale Presse offenbar tiefer recherchiert als die hiesige.
Begonnen hatte das Ganze ja vergangenes Jahr in der New York Times. Liegt’s
an zu viel Nähe und dass sich viele im üblichen Brancheninzest nicht so
recht trauen? Dazu kommt die vermeintliche Macht des großen Konzerns. Bevor
jetzt aber alle auf Springer zeigen, gehört auch dies zur Wahrheit: Medien
sind genauso schlimm wie die Kirche.
Der Vorsitzende des Rundfunkrats beim Bayerischen Rundfunk heißt zum
Beispiel immer noch Lorenz Wolf. Gegen Prälat Wolf werden im Gutachten über
[2][jahrzehntelange Missbrauchsverbrechen] im katholischen Bistum
München-Freising schwere Vorwürfe erhoben. Deswegen lässt er sein Amt jetzt
ruhen. Und in den BR-Verwaltungsrat wechseln, wie es eigentlich demnächst
vorgesehen war, will er jetzt auch nicht mehr. So christlich-fromm wie
moralisch!
Dafür durfte Wolf die Rundfunkratssitzung am vergangenen Donnerstag zu
einer großen Erklär-, Rechtfertigungs- und Betroffenheitssause in eigener
Sache nutzen.
## Nicht zurückgetreten
Wolf zeigte Reue, bat um „Vergebung“ und räumte ein, dass in den
vergangenen Wochen Irritationen um seine Person entstanden seien.
Irritationen? Die Grünen-Abgeordneten Martin Runge und Sanne Kurz nannten
das anschließend gegenüber der Süddeutschen einen „Missbrauch des
Gremiums“, weil Wolf die Sitzung zur „Pressekonferenz in eigener Sache“
umfunktioniert habe. Den klaren Forderungen aus vielen Kreisen, wirklich
zurückzutreten, kam er jedenfalls nicht nach. Und die CSU seiert rum: Wolf
habe durch sein „Ruhenlassen“ allen Ernstes „Schaden vom Amt des
Rundfunkratsvorsitzenden und vom Bayerischen Rundfunk insgesamt
abgewendet“.
Der Schritt verdiene Respekt, sagt Thomas Kreuzer, der als
CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag auch im BR-Rundfunkrat Politik
macht. So ein Schmarrn! Vielmehr wird das Gras mal wieder gebeten, über die
Sache zu wachsen. Im April läuft nämlich Wolfs Amtszeit eh aus, ja mei.
Treu nach dem Motto „Ihr seht mich nicht, ich schäme mich nicht“, sagt die
Mitbewohnerin. So ist Springer moralischer als der BR und die Kirche. Denn
Springer hat Reichelt zwar wohl gedeckt, schlussendlich aber doch vor die
Tür gesetzt.
10 Feb 2022
## LINKS
[1] /Nach-Bericht-der-Financial-Times/!5833915
[2] /Missbrauch-in-der-katholischen-Kirche/!5827347
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
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Kolumne Flimmern und Rauschen
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Katholische Kirche
sexueller Missbrauch
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