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# taz.de -- Sexualisierte Gewalt in der Kirche: Forderungen nach mehr Kontrolle
> Ein Gutachten zu sexuellem Missbrauch gibt Anlass zu scharfer Kritik an
> der katholischen Kirche. Viele fordern nun, die Politik solle sich
> einmischen.
Bild: Kardinal Reinhard Marx gibt nach der Vorstellung des Gutachtens ein Press…
München dpa | Nach der Veröffentlichung eines [1][aufsehenerregenden
Gutachtens zu Fällen sexueller Gewalt] an Kindern und Jugendlichen im
Erzbistum München und Freising werden Forderungen nach mehr Kontrolle der
katholischen Kirche laut.
„Nachdem das eine Never-Ending-Story zu sein scheint, sollte der Staat alle
Kindertagesstätten und Schulen unter Beobachtung stellen, bei denen es eine
Trägerschaft der katholischen Kirche gibt, oder sogar über einen Entzug der
Trägerschaft nachdenken“, forderte der Strafrechtsprofessor Holm Putzke.
„Die Kirchen müssen von Gesetzes wegen genauso behandelt werden wie jede
andere Vereinigung, in der Verbrechen gängige Praxis sind. Für irgendeine
besondere Rücksichtnahme, man kann es auch als „Beißhemmung“ bezeichnen,
besteht überhaupt kein Anlass“, sagte Putzke.
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der
Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig,
forderten mehr politische Einflussnahme. „Ich glaube nicht mehr, dass die
Kirche allein die Aufarbeitung schafft“, sagte ZdK-Präsidentin Irme
Stetter-Karp am Freitag im Inforadio des rbb und brachte „einen Ausschuss
im Parlament“ ins Spiel.
„Die Politik ist, wenn es um Aufarbeitung und Missbrauch im kirchlichen
Bereich geht, bisher zu zurückhaltend gewesen“, kritisierte Rörig im rbb.
Der 2016 auf der Bundesebene eingerichteten Aufarbeitungskommission müssten
„auch tatsächlich Kontroll-, Beratungs- und vielleicht auch
Untersuchungsrechte eingeräumt werden“, forderte er.
## Staatsanwaltschaft prüft 42 Fälle
Der Sprecher der Opferinitiative „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, regte
an, die Rolle der Justiz in einer Studie näher zu beleuchten. Er werde das
in der Aufarbeitungskommission vorschlagen. Es sei zum Beispiel auffällig,
dass Staatsanwaltschaften bisher noch nie eine Durchsuchung etwa in einer
Bistumsverwaltung vorgenommen hätten, sagte Katsch am Freitag der Deutschen
Presse-Agentur. Selbst wenn der Verdacht einer Mittäterschaft im Raum
gestanden habe, sei dies unterblieben. Man könne vermuten, dass die Kirche
jahrzehntelang von einem grundsätzlichen Wohlwollen katholischer Richter
und Staatsanwälte profitiert habe.
Das neue Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und
Freising hatte am Donnerstag international Aufsehen erregt. Die Justiz
prüft nun, ob die Ergebnisse auch strafrechtlich relevant sind. Die
Staatsanwaltschaft München I untersuche derzeit 42 Fälle von mutmaßlichem
Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger, bestätigte die Sprecherin
der Behörde, Anne Leiding, der dpa.
Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), die das Gutachten im Auftrag des
Bistums verfasst hat, habe der Staatsanwaltschaft im August 2021 „41 Fälle
zur Verfügung gestellt“, sagte Leiding – und einen weiteren Fall im
November 2021. „Sie betreffen ausschließlich noch lebende kirchliche
Verantwortungsträger und wurden stark anonymisiert übermittelt“, sagte
Leiding. „Welche strafrechtlichen Normen verletzt wurden, ist noch
Gegenstand der Prüfung.“
Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene
WSW-Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in
der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden und wirft den
ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, dem heute
[2][emeritierten Papst Benedikt XVI.], konkret und persönlich Fehlverhalten
in mehreren Fällen vor.
Auch dem aktuellen Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, wird formales
Fehlverhalten in zwei Fällen vorgeworfen. Von mindestens 497 Opfern und 235
mutmaßlichen Tätern sprechen die Gutachter, gehen aber von einem deutlich
größeren Dunkelfeld aus.
Strafrechtler Putzke warf der Justiz vor, lange weggeschaut zu haben: „Den
Strafverfolgungsbehörden ist der Vorwurf zu machen, kriminelles Verhalten
in der katholischen Kirche anders zu behandeln als zum Beispiel
Kriminalität in Wirtschaftsunternehmen oder in Schulen und Internaten“,
sagte Putzke. „Jede Schonung ist gesetzeswidrig und lässt sich wohl vor
allem erklären durch eine Scheu vor einer längst ins Gegenteil verkehrten
Heiligkeit der Kirche.“
Putzke hatte nach der Veröffentlichung der von der Deutschen
Bischofskonferenz (DBK) in Auftrag gegebenen sogenannten MHG-Studie im Jahr
2018 gemeinsam mit einigen Kollegen Anzeige gegen Unbekannt erstattet.
Damit stieß er damals staatsanwaltliche Ermittlungen zu den
Missbrauchsfällen an, die allerdings beinahe alle eingestellt wurden.
21 Jan 2022
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