| # taz.de -- Millionär attackiert Arme: Merz und die Mieten | |
| > Was passiert, wenn Bürgergeldberechtigten die Wohnkosten gekürzt werden? | |
| > Welche Kosten verursachen die Einsparungen? Und was würde wirklich | |
| > helfen? | |
| Bild: In Großstädten, wie hier in Köln, sind die durchschnittlichen Mieten h… | |
| Berlin taz | Friedrich Merz zählte sich im Jahr 2018 selbst zur gehobenen | |
| Mittelschicht – obwohl er Millionär ist. Daran sei an dieser Stelle | |
| erinnert, nur um ein Gefühl für seine Urteilsfähigkeit zu vermitteln. | |
| Jetzt als Bundeskanzler möchte er Geld einsparen und hat auch schon Ideen | |
| wo: Am liebsten bei denen, die am Existenzminimum leben. Im | |
| ARD-Sommerinterview brachte er jüngst die Idee ins Spiel, den Anspruch auf | |
| die Wohnkosten, den Bürgergeldberechtigte haben, zu reduzieren. Der | |
| Kanzler könne sich Wohnkostenpauschalen oder eine Überprüfung der | |
| Wohnungsgröße vorstellen. | |
| ## Jeder achte Haushalt legt schon jetzt Geld drauf | |
| Sein Spin war klar: Sozialhilfeempfänger lebten in staatlich | |
| finanzierten Luxuswohnungen. Das hat [1][mit der Realität | |
| selbstverständlich nichts zu tun]. Jeder achte Haushalt im Bürgergeldbezug | |
| bekommt nicht die tatsächlichen Wohnkosten vom Amt bezahlt, sondern gibt | |
| sogar noch etwas aus dem Regelsatz dazu, wie durch eine Anfrage der | |
| Linksfraktion herauskam. | |
| Die Mietzahlungen der Jobcenter hängen von Haushaltsgröße und Region ab – | |
| übernommen werden nur die Kosten, die als angemessen gelten. Das ist in | |
| Großstädten wie München mehr als in ländlichen Regionen. | |
| Anders in der sogenannten Karenzzeit: Im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs | |
| werden die bisherigen Mietkosten übernommen, damit sich die Menschen auf | |
| die Arbeitssuche konzentrieren können. Das will [2][die Bundesregierung] | |
| aber ändern. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass bei unverhältnismäßig | |
| hohen Kosten für die Unterkunft die Karenzzeit entfallen soll. | |
| Doch wie viel lässt sich in diesem Bereich überhaupt einsparen? Mehrere | |
| Medien, die sich auf Kreise des Finanzministeriums berufen, berichten, dass | |
| im kommenden Jahr 1,5 Milliarden Euro beim Bürgergeld eingespart werden | |
| sollen. Auf Nachfrage der taz beim Finanzministerium, wie sich diese Summe | |
| zusammensetzt, wird auf das Bundesarbeitsministerium verwiesen. Das | |
| wiederum weicht aus: Der Regierungsentwurf für den Haushalt 2026 sei | |
| „derzeit noch in Abstimmung“. Die genaue Ausgestaltung der Bürgergeldreform | |
| werde derzeit erarbeitet. | |
| Finden Bürgergeldempfänger*innen trotz Bemühungen keinen günstigeren | |
| Wohnraum, seien „die bisherigen Aufwendungen weiter anzuerkennen. Sie | |
| müssen sich aber weiter um eine Kostensenkung bemühen“, heißt es aus dem | |
| SPD-geführten Bundesarbeitsministerium. | |
| ## „Das Problem durch mehr Obdachlosigkeit lösen“? | |
| Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar | |
| Schmidt, fand da deutlichere Worte. „Wohnungen für Normalverdiener werden | |
| nicht günstiger, indem man Bürgergeldempfängern die Unterstützung | |
| streicht“, erklärte sie nach dem Sommerinterview von Merz, „Statt das | |
| Problem teuren Wohnraums durch mehr Obdachlosigkeit zu lösen, gilt es, | |
| ausufernde Mieten mit der Mietpreisbremse zu begrenzen und in bezahlbaren | |
| Wohnraum zu investieren.“ Leistungskürzungen werde es „mit uns nicht“ | |
| geben. | |
| Sahra Mirow, Sprecherin für soziales Wohnen in der Bundestagsfraktion der | |
| Linkspartei, bezeichnete die Äußerungen des Bundeskanzlers gegenüber der | |
| taz als „schäbige Kürzungsdebatte auf dem Rücken der Ärmsten.“ Merz habe | |
| „überhaupt nicht verstanden, wie dramatisch die Situation ist.“ Wohngeld | |
| und Kosten der Unterkunft seien für viele die einzige Möglichkeit auf einem | |
| überhitzten Wohnungsmarkt. Es bräuchte umfassende Reform des | |
| Wohnungsmarktes, die den sozialen Wohnungsbau stärkt, einen Mietendeckel | |
| und mehr öffentliche Kontrolle. | |
| „Merz’ Vorschlag befördert Zwangsräumungen und damit Wohnungslosigkeit“, | |
| sagt auf taz-Nachfrage Katja Kipping, Geschäftsführerin des Paritätischen | |
| Gesamtverbands. Dies sei „für die Betroffenen eine Katastrophe und sehr | |
| teuer für die öffentliche Hand“, denn auch Unterkünfte von Wohnungslosen | |
| kosteten Geld. Sollte die Angemessenheitsgrenzen abgesenkt werden, rechnet | |
| Kipping mit mehr Klagen. „Denn man kann die Angemessenheit nicht einfach | |
| nach Lust und Laune senken. Immerhin handelt es sich hier um existentielle | |
| Rechte.“ | |
| Selbst, wenn man sich im Wohnraum enorm verkleinere, finde sich im | |
| bisherigen Wohnumfeld selten eine preiswertere Alternative, erklärt sie. | |
| Wenn Menschen weit weg ziehen müssen, gehen auch Unterstützungsnetzwerke | |
| verloren, „zum Beispiel Nachbarn, die Älteren beim Einkaufen helfen, oder | |
| mal die Kinder von Kita abholen“. Dies sei gerade für Menschen, die für | |
| Hilfe nicht bezahlen könnten, ein großer Verlust, ganz zu Schweigen vom | |
| sozialen Verlust. „Armut geht ohnehin oft mit Vereinsamung einher“, | |
| erinnert Kipping. | |
| Darüber hinaus betont die Expertin, dass Kürzungen besonders Frauen und | |
| Alleinerziehende treffen würden, denn: 27 Prozent aller Alleinerziehenden | |
| leben unterhalb der Armutsgrenze. Statt Merz’ Pläne umzusetzen, sollte die | |
| Regierung aus Sicht [3][der Paritäter] lieber „die Schlupflöcher bei der | |
| Mietpreisbremse schließen und in angespannten Wohnungsmärkten einen | |
| Mietendeckel ermöglichen“. | |
| 18 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wohnen-und-Buergergeld/!6101127 | |
| [2] /Sommer-Pressekonferenz-des-Kanzlers/!6101401 | |
| [3] https://www.paritaet-berlin.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Kalarickal | |
| Lotte Laloire | |
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