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# taz.de -- Merz in der Ukraine: Ein vermeintlicher Coup
> CDU-Chef Merz reist nach Kiew und produziert starke Bilder. Das Problem
> ist der Zeitpunkt seiner Reise kurz vor der Landtagswahl in NRW.
Bild: Friedrich Merz spricht in Irpin mit Journalist*innen
Auf den ersten Blick ist es ein Coup. [1][Friedrich Merz] reist in die
Ukraine, geht durch Ruinen, trifft Präsident [2][Selenski] und Kiews
Bürgermeister Klitschko, sagt betroffene Worte in Kameras und die Bilder
laufen abends in den Hauptnachrichten und auch sonst auf allen Kanälen. Die
Message ist: Der Oppositionsführer macht, was eigentlich der Bundeskanzler
tun sollte – er zeigt vor Ort Solidarität mit der Ukraine.
Auch setzt Merz die Bundesregierung von Kiew aus mit neuen Forderungen
unter Druck: Deutschland müsse beim EU-Beitritt und der Frage nach
Garantiemächten für die Sicherheit der [3][Ukraine] eine Führungsrolle
übernehmen. Nun darf der Oppositionsführer die Regierung vor sich her
treiben. Auch kann Merz reisen, wohin er will. Es ist grundsätzlich auch
gut, sich vor Ort ein Bild zu machen, wo das Grauen des Krieges anders
erfahrbar ist als durch Zeitungsfotos, Videos im Netz und Gespräche am
Telefon. Dass sich endlich ein deutscher Spitzenpolitiker vor Ort
solidarisch mit den Ukrainer:innen zeigt, ist zudem eigentlich
begrüßenswert. Auch wenn Merz als Oppositionspolitiker keine Versprechungen
machen kann.
Doch mit seiner Reise zeigt Merz auch, dass die deutsche Politik nicht
geschlossen ist – was insbesondere mit Blick auf den Krieg kein gutes
Zeichen nach außen ist. Zudem verlässt er die Rolle der konstruktiven
Oppositionsarbeit, die er sich selbst gegeben hat, und versucht sich in
Nebenaußenpolitik, was sich die Opposition hierzulande aus gutem Grund
gemeinhin verkneift.
Ähnlich hat es ausgerechnet Angela Merkel 2003 als Oppositionsführerin
gemacht. Sie reiste in die USA, traf den Vize-Präsidenten und gab der
Washington Post ein Interview, das mit „Schröder spricht nicht für alle
Deutschen“ überschrieben war. Die rot-grüne Regierung hatte sich klar gegen
den Krieg im Irak positioniert, der kurz darauf von den USA
völkerrechtswidrig begonnen wurde. Auch Merkel wurde zu Hause aus gutem
Grund dafür kritisiert, gegen die Grundregel, dass man die eigene Regierung
im Ausland nicht schlecht mache, verstoßen zu haben – auch mit dem Ziel,
daraus innenpolitisch Kapital zu schlagen.
Genau das muss man auch Merz vorwerfen – was vor allen Dingen am Zeitpunkt
seiner Reise kurz vor zwei wichtigen Landtagswahlen Iiegt. Insbesondere im
wichtigen Nordrhein-Westfalen sind die Umfragen knapp, verliert die CDU
ihren Ministerpräsidenten, wäre das für die Partei erneut eine tiefe
Erschütterung – und für Merz, der selbst aus NRW kommt und dort aktiv
Wahlkampf betreibt, die erste richtige Niederlage. Aus Sicht der CDU können
da ein paar starke Bilder mit dem Parteichef aus Kiew nicht schaden.
Das parteitaktische Kalkül allerdings ist schon bei Merkel nicht
aufgegangen, die große Mehrheit der Deutschen stand hinter Schröders Nein
zum Krieg im Irak. Bei der Frage, ob Deutschland schwere Waffen an die
Ukraine liefern soll, ist die hiesige Bevölkerung gespalten; die Union
hatte sich dafür im Bundestag stark gemacht und die Ampel zu einem
entsprechenden Beschluss getrieben. Nach einer Blitzumfrage der
Civey-Instituts hält die Mehrheit der Deutschen Merz' Reise für falsch. Gut
möglich, dass der vermeintliche Coup nach hinten losgeht.
4 May 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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