# taz.de -- Merkels Feminismus-Bekenntnis: Applaus hat sie nicht verdient | |
> Angela Merkel nennt sich öffentlich eine Feministin. Doch angesichts | |
> ihrer frauenpolitischen Bilanz ist das kaum mehr als ein | |
> Lippenbekenntnis. | |
Bild: Für vieles bekannt, aber nicht für feministische Politik: Bundeskanzler… | |
„Dann bin ich Feministin.“ Da ist er – der Satz, auf den so viele gewartet | |
haben. Sechzehn Jahre lang wollte sich die erste deutsche Bundeskanzlerin | |
[1][Angela Merkel] nicht als Feministin bezeichnen. Als sie 2017 bei der | |
W20-Frauenkonferenz direkt darauf angesprochen wurde, antwortete sie | |
zögerlich, dass sie sich nicht mit „der Feder schmücken“ möchte. Ganz im | |
Gegenteil zu den anderen Frauen auf der Bühne, [2][Ivanka Trump] und die | |
niederländische Königin Máxima. | |
Ihre überraschende Kehrtwende legte Merkel nun am Mittwochabend auf einer | |
Theaterbühne in Düsseldorf hin. An der Seite der nigerianischen | |
Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie und zwei Moderatorinnen stand | |
Merkel Rede und Antwort zu Gesellschaftlichem und Persönlichem. Auf die | |
Frage, wie sie heute zu [3][Feminismus] stehe, sagte sie, Máxima habe ihr | |
damals schon das Tor geöffnet mit dem Hinweis, im Grunde gehe es doch nur | |
darum, dass Frauen und Männer in gleichem Maße am gesellschaftlichen Leben | |
teilnähmen. Und endet ihre Antwort in Anlehnung an Ngozi Adichies Ted Talk | |
mit: „Ja, wir sollten alle Feministen sein.“ Ein Satz, der mit Jubel der | |
Gäst:innen belohnt wird. | |
Dass Merkel sich erst kurz vor Ende ihrer Kanzlerinnenschaft als Feministin | |
bekennt, ist vermutlich kein Zufall. Denn viele politische Taten, an denen | |
man ihren feministischen Anspruch messen kann, wird es von ihr nicht mehr | |
geben. Im Hinblick auf ihre politische Karriere wirkt Merkels Aussage wie | |
ein Lippenbekenntnis. Denn auch wenn Feminismus nicht klar definiert ist, | |
gehört der Kampf gegen bestehende ökonomische Ungerechtigkeiten, gegen | |
Gewalt gegen Frauen und für mehr körperliche Selbstbestimmung in jedem Fall | |
dazu. Und hier hat sich in Merkels vier Legislaturperioden wenig getan. | |
Merkel mag als erste Bundeskanzlerin für viele ein Vorbild sein und auch | |
die ein oder andere Tür geöffnet haben. Doch für feministische Politik ist | |
die Kanzlerin nicht bekannt. Im Gegenteil. Die wenigen frauenpolitischen | |
Fortschritte der letzten 16 Jahre gab es meist trotz und nicht wegen | |
Merkel. Applaus hat sie dafür nicht verdient. | |
9 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
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