# taz.de -- Medizinforschung für den Patienten: Neue Therapien schneller anwen… | |
> Die Zentren für Gesundheitsforschung sollen dafür sorgen, dass neue | |
> Medikamente und Behandlungsmethoden schneller zum Patienten kommen. | |
Bild: Auch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin mit seinem BSL4-Siche… | |
BERLIN taz | Sie starteten vor acht Jahren als wissenschaftspolitisches | |
Experiment: die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung (DZG). In ihnen | |
sollte für einzelne Volkskrankheiten eine neue Zusammenarbeit von | |
Hochschulmedizin und außeruniversitärer Großforschung realisiert werden, | |
mit dem Hauptziel einer verbesserten „Translation“: Fortschritte der | |
Medizinforschung sollen schneller den Patienten erreichen. Jetzt hat der | |
Wissenschaftsrat die Gesundheitszentren evaluiert und empfiehlt die | |
Weiterentwicklung des „vielversprechenden Modells für die medizinische | |
Forschung“. | |
Sechs Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung wurden in den Jahren 2009 | |
bis 2012 durch maßgeblichen Anstoß der damaligen Bundesforschungsministerin | |
Annette Schavan (CDU) gegründet. Sie sollten zu einer „Verbesserung der | |
Prävention, Diagnostik, Therapie und Versorgung zu spezifischen | |
Volkskrankheiten führen“. | |
Diese medizinischen Megathemen sind: Diabetesforschung, neurodegenerative | |
Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Forschung, Lungenforschung, translationale | |
Krebsforschung sowie Infektionsforschung. | |
An 40 Standorten wurden 80 Partnerorganisationen in sechs Netzwerken | |
zusammengeführt, wobei jeweils einem Institut der | |
Helmholtz-Forschungsgemeinschaft die leitende Rolle zugewiesen wurde. Der | |
Grund dafür liegt in der Finanzierung: Die Gesundheitsforschungszentren | |
werden pro Jahr mit 230 Millionen Euro aus dem Etat des | |
Bundesforschungsministeriums bezahlt, weitere 23 Millionen steuern die | |
Bundesländer bei. Die Konstruktion wurde gewählt, weil vor dem Fall des | |
Kooperationsverbots in der Hochschulpolitik eine direkte Finanzierung der | |
Universitätsmedizin durch den Bund nicht möglich war. | |
„Die Vernetzung von Personen und Strukturen in diesen Medizinfeldern ist | |
gelungen“, sagte die Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Martina | |
Brockmeier, bei der Vorstellung der Empfehlungen in Berlin. „Mit den | |
Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung ist ein wertvoller Mehrwert für | |
das deutsche Wissenschaftssystem geschaffen“. Der Wissenschaftsrat, das | |
ranghöchste Beratungsgremium von Wissenschaft und Politik, hatte das | |
DZG-Papier auf seiner jüngsten Sitzung in Bremen beschlossen. | |
Die große Erwartung an die DZG ist, dass über sie beide Seiten der Medizin | |
– die Forschung und die Krankenversorgung – durch engeren Kontakt | |
voneinander profitieren: Die Ärzte kommen eher an neue Medikamente und | |
Behandlungsmethoden, die Medizinforscher erhalten Praxiswissen und Daten | |
aus der klinischen Anwendung. | |
Der Bericht listet mehrere Beispiele auf, wo Fortschritte in der | |
„Translation“ auf dem Weg sind. Am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung | |
mit Sitz in München entwickeln Wissenschaftler neue Diagnoseverfahren, um | |
Vorstufen der Krankheit schon aus einem Blutstropfen zu erkennen. Das | |
Deutsche Zentrum für Lungenforschung (Geschäftsstelle Gießen) entwickelt | |
einen neuen Wirkstoff zur Behandlung von Asthma und der chronisch | |
obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). | |
Wie wirkungsvoll das Konzept der „Translation“ in Form der DGZ-Vernetzung | |
faktisch ist, vermag der Wissenschaftsrat derzeit aber noch nicht präzise | |
zu sagen. „Es dauert meist einen längeren Zeitraum, bis medizinische | |
Forschungsergebnisse in der Behandlung des Patienten angekommen sind“, | |
erklärte Brockmeier. Dafür seien die DGZ aber noch zu jung. | |
Zudem seien „geeignete Bewertungskriterien für Translation“ international | |
noch nicht etabliert. Auch hier sollten sich die Gesundheitszentren | |
engagieren. | |
Die Gründung neuer Zentren empfiehlt der Wissenschaftsrat zunächst nicht. | |
Aber bei der weiteren Entwicklung der bestehenden Netzwerke sollten die | |
Punkte Prävention von Krankheiten und Verwendung medizinischer | |
Forschungsdaten stärker in den Blick genommen werden. | |
3 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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