# taz.de -- Forschungsstruktur im Umbruch: Streit um Fördermittel | |
> Die deutsche Forschungslandschaft ist im Umbau. Die | |
> Helmholtz-Gemeinschaft (HGF) mit 18 Forschungszentren beansprucht die | |
> Führung. | |
Bild: Am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) werden Reaktorstähle gepr… | |
BERLIN taz | Die deutsche Forschungspolitik ist in Aufregung. Ein | |
Positionspapier der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren | |
(HGF), das die größte Wissenschaftsorganisation des Landes vergangene Woche | |
verabschiedete, formuliert einen unverhohlenen Führungsanspruch bei der | |
Gestaltung der künftigen Forschungslandschaft. Die | |
Wissenschafts-Schwesterorganisationen Max-Planck-Gesellschaft (MPG), | |
Leibniz- sowie Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sind empört. | |
Nachdem die Milliarden aus dem Füllhorn der Exzellenz-Initiative | |
ausgeschüttet sind, ist es mit der Harmonie unter den Forschungsmanagern | |
vorbei. Nach einem Schlagabtausch im HGF-Senat krachte es Anfang der Woche | |
bei einer Anhörung der Wissenschaftler im SPD-Parteivorstand in Berlin. | |
Die nach dem Physiker Hermann von Helmholtz benannte Forschungsorganisation | |
ist der große Tanker unter den außeruniversitären | |
Wissenschaftsinstitutionen in Deutschland. Die historischen Wurzeln reichen | |
in die Atom-Euphorie der 50er Jahre zurück, als in Karlsruhe und Jülich | |
große Kernforschungszentren errichtet wurden. Auch der Berliner | |
Hahn-Meitner-Reaktor entstand in dieser Ära. Heute verteilen sich rund | |
34.000 Forscher und Mitarbeiter auf bundesweit 18 Helmholtz-Zentren. | |
Mit einem Jahresbudget von 3,4 Milliarden Euro - 90 Prozent stammen aus | |
Bundesmitteln, 10 gibt das jeweilige Sitzland - wird zu den Themen Energie, | |
Geologie, Gesundheit, Verkehr, Physik und bestimmten Schlüsseltechnologien | |
geforscht. Den anderen Forschungsorganisationen (Leibniz-Gemeinschaft, MPG, | |
Fraunhofer-Gesellschaft) steht jeweils nur ein Drittel dieser Summe zur | |
Verfügung. | |
## HGF-Vision | |
Als „durchaus selbstbewusst und weitreichend“, wie es in dem Papier | |
[1][„Helmholtz 2020 - Zukunftsgestaltung durch Partnerschaft“] heißt, hat | |
die von dem früheren Präsidenten der Berliner Humboldt-Uni Jürgen Mlynek | |
geführte HGF nun ihre Vision einer neuen Forschungslandschaft vorgelegt. | |
Im Mittelpunkt stehen thematisch die großen gesellschaftlichen Aufgaben, | |
die „Grand Challenges“, denen sich die Forscher stellen müssen, wie der | |
Klimawandel, große Volkskrankheiten und die alternde Gesellschaft. | |
Allerdings werden sich nach Auffassung von Helmholtz mit einem „Weiter so“ | |
der „bestehenden Strukturen und Konzepte“ diese Aufgaben nicht bewältigen | |
lassen. Ein Strukturumbau wird gefordert, dem neue Finanzflüsse folgen | |
werden. | |
## Berliner Pläne | |
Vorstufen dazu hat es in den letzten Jahren bereits gegeben, wie die | |
Verschmelzung der TU Karlsruhe mit dem dortigen Helmholtz-Forschungszentrum | |
zum „Karlsruher Institut für Technologie“ KIT). | |
In gleicher Weise wird derzeit in Berlin das Uniklinikum Charité mit dem | |
Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin fusioniert - der notorisch | |
finanzklammen Charité ist der bestens ausgestatte Bundespartner hoch | |
willkommen. | |
Auch wenn die Neuordnung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern | |
im Bundesrat gescheitert ist, soll die Berliner Medizin-Hochzeit noch im | |
Oktober besiegelt werden. | |
## „Helmholtzifizierung“ unerwünscht | |
Auf Abwege geriet die Bundeshilfe in Schleswig-Holstein, wo zum Ausgleich | |
zum Erhalt eines Landesklinikums das Kieler Leibniz-Institut für | |
Meeresforschung in ein Helmholtz-Zentrum umgewandelt wurde, weil der Bund | |
dort zusätzliche 40 Prozent der Kosten übernimmt. | |
Eine solche „Helmholtzifizierung von Forschungseinrichtungen zur Entlastung | |
klammer Länderhaushalte“, befand im vorigen Jahr die Expertenkommission | |
Forschung und Innovation (EFI), sei jedoch „wegen der Gefahr vermehrter | |
politischer Koppelgeschäfte problematisch“. | |
Das erste Breitenmodell für den Arrondierungsanspruch der HGF wurde | |
schließlich 2011 mit der Bildung der „Deutschen Zentren für | |
Gesundheitsforschung“ umgesetzt. | |
## Fusionen mit Unikliniken | |
Medizinische Helmholtz-Zentren wurden mit einzelnen Universitätsklinika zur | |
Erforschung einzelner Volkskrankheiten kombiniert. Die Angst der | |
Hochschulmediziner vor Autonomieverlust wurde mit einem Geldschwall von 700 | |
Millionen Euro Projektmitteln aus dem Hause Schavan weggespült. | |
In ähnlicher Weise soll die Kompetenz der HGF „Das Ziel ist eine gestärkte | |
und weitere systemische Verantwortung übernehmende Helmholtz-Gemeinschaft“ | |
via Projektmittelvergabe auch auf andere Forschungsgebiete ausgedehnt | |
werden. | |
Im Papier ist davon die Rede, das „Mandat“ der HGF so zu erweitern, dass | |
„institutionsübergreifend … eigene Projektförderaktivitäten entfaltet“ | |
werden können. Während derzeit noch das Bundesforschungsministerium | |
entscheidet, wohin ein Großteil der außeruniversitären Fördermittel | |
vergeben wird, wäre die künftige Entscheidungsinstanz: Helmholtz. | |
## Die heilige Allianz | |
Gegen diesen einseitigen Machtzuwachs setzen sich die anderen | |
Forschungsorganisationen zur Wehr. Der nächste forschungspolitische | |
Ringkampf steht für November beim Gipfeltreffen der „Heiligen Allianz“ der | |
fünf großen Forschungsorganisationen auf der Agenda. | |
Mit endgültigen Entscheidungen über die Neuordnung der Forschungslandschaft | |
ist nicht vor der Bundestagswahl 2013 zu rechnen. Für das Frühjahr hat | |
zudem der Wissenschaftsrat Empfehlungen für das künftige | |
Wissenschaftssystem angekündigt. | |
Auch dort wird es darum gehen, wie ab 2017 nach dem Auslaufen der | |
Finanzierung für viele Projekte der Exzellenz-Initiative die so geförderten | |
Leistungsträger in der deutschen Wissenschaft gehalten werden können. | |
30 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.helmholtz.de/fileadmin/user_upload/publikationen/Helmholtz2020.p… | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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Schwerpunkt Korruption | |
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