# taz.de -- Geschäfte bei Max-Planck-Gesellschaft: Wolken über dem Olymp | |
> Während die deutsche Nobelpreisschmiede Max-Planck-Gesellschaft ihren | |
> neuen Präsidenten krönte, schwelte im Hintergrund ein | |
> Korruptionsverdacht. | |
Bild: Was er dazu wohl gesagt hätte? | |
BERLIN taz | „Hier ist die Elite schlechthin versammelt“, jubelte Bayerns | |
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), als die [1][Max-Planck-Gesellschaft | |
(MPG)] in der vorigen Woche in München ihren Präsidentenwechsel | |
zelebrierte. Die Organisation der Grundlagenforscher, Hort von 17 | |
Nobelpreisträgern, wähnt sich im Olymp der deutschen Wissenschaften. | |
Gleichzeitig zogen sich Wolken der Kritik zusammen: „Forscher unter | |
Korruptionsverdacht“, meldeten Medien. Eine Schlagzeile, die die MPG immer | |
vermeiden wollte. | |
„Bei der Max-Planck-Gesellschaft sollen Millionen Forschungsgelder in | |
dunkle Kanäle geflossen sein“, berichteten das [2][Nachrichtenmagazin | |
Spiegel] und das Politmagazin [3][„Report Mainz“ des Südwestrundfunks | |
(SWR)]. Ihnen lagen Dokumente des Bayerischen Obersten Rechnungshofes vor, | |
der im Jahre 2011 die Organisation der Produktion von Silizium-Chips für | |
Forschungszwecke beanstandet hatte. | |
Damals kooperierte das Münchener Halbleiterlabor der MPG (HLL), unter | |
Leitung des Physikers Lothar Strüder, mit einer Verwertungsfirma PNSensor, | |
an der die Ehefrau des Forschers mehrheitlich beteiligt war. | |
Überschuss-Chips, die in der Forschung nicht gebraucht wurden, sogenannte | |
Driftdetektoren, konnte PNSensor an die Industrie weiterverkaufen. Es soll | |
sich um ein Auftragsvolumen in Höhe von 7 Millionen Euro gehandelt haben. | |
Die Finanzaufseher bemängelten Intransparenz: „Interessenkonflikte können | |
nicht ausgeschlossen werden“, so der Rechnungshof. | |
Der Verdacht, auf den HHL-Maschinen seien Detektoren nur für den Vertrieb | |
durch PNSensor produziert worden, wurde von Strüder, der seit 2012 nicht | |
mehr der MPG angehört, gegenüber Spiegel und SWR „entschieden | |
zurückgewiesen“. Es habe sich um im Rahmen von Forschungsvorhaben | |
entstandene Überschussstücke gehandelt, „die erst, nachdem sie für die | |
Forschung keine Relevanz mehr hatten, zur Veräußerung bereitstanden“, so | |
der Forscher in einer Stellungnahme. | |
## Beziehungen in die Industrie neusortiert | |
Gleichwohl nahm die MPG nach der Rechnungshof-Kritik unter Regie ihres | |
damaligen Vizepräsidenten Martin Stratmann, mittlerweile Präsident, eine | |
Reorganisation des Halbleiterlabors und seiner Industriebeziehungen vor. | |
Der Rechnungshof schloss daraufhin sein Prüfungsverfahren ab. Einen | |
„Anfangsverdacht“ in Richtung Unterschlagung oder anderer strafrechtlich | |
relevanter Handlungen sah die Behörde nicht gegeben. „Wenn der Rechnungshof | |
es für erforderlich gehalten hätte, hätte er selbst Anzeige erstatten | |
können“, erklärte die MPG-Pressesprecherin Christina Beck gegenüber der | |
taz. | |
Allerdings ist der Verdacht noch nicht endgültig vom Tisch. Vor allem die | |
Beziehungen zwischen der Firma PNSensor, einer formalrechtlich | |
gemeinnützigen GmbH ohne Gewinnabsicht, und dem Tochterunternehmen | |
PNDetector, sind weiterhin undurchsichtig. „Die Ergebnisse einer von der | |
MPG eingeschalteten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft lieferten keine | |
Anhaltspunkte dafür, dass PNSensor die Detektoren zu niedrigeren Preisen an | |
PNDetector veräußert hat als an andere Kunden“, [4][stellte die MPG zwar in | |
einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung fest.] „Bislang“ habe die MPG | |
„keine Belege für einen ihr entstandenen finanziellen Schaden“. | |
Dennoch dringt die MPG darauf, Einsicht in die Wirtschaftsbücher der | |
PN-Unternehmen zu nehmen, und hat dazu ein „Auskunftsbegehren“ gestellt. | |
MPG-Sprecherin Beck: „Es gibt zwar Vermutungen, aber noch keine Belege. | |
Deshalb wollen wir, dass die Bücher von PNSensor offengelegt werden“. Erst | |
danach könne über weitere Schritte entschieden werden, wozu auch eine | |
Strafanzeige zählen kann. | |
Die Feststimmung im Münchner Prinzregententheater wurde davon nicht | |
getrübt. Dort überreichte in der vergangenen Woche Peter Gruss, der die MPG | |
mit ihren 5.470 Wissenschaftlern in 82 Instituten in den letzten 12 Jahren | |
als „charmanter Sonnenkönig der Wissenschaften“ (Manager Magazin) geführt | |
hatte, die Amtskette an seinen Nachfolger Martin Stratmann. Dieser war | |
zuletzt Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf | |
und hat deshalb MPG-intern den Spitznamen „Iron Man“ weg. | |
## Rückzug aus der Fläche | |
Ob sich dies auch in der Forschungspolitik seiner Organisation umsetzt, | |
muss sich zeigen. In einer ersten Äußerung kündigte Stratmann bereits an, | |
dass die MPG nicht mehr die gesamte Fläche der Bundesrepublik bespielen, | |
sondern zu stärkeren regionalen Konzentrationen gelangen wolle. Dies | |
verbessere die Interdisziplinarität zwischen den Fächern und erhöhe die | |
Attraktivität für ausländische Forscher, die ihre Kinder auf internationale | |
Schulen schicken wollen. | |
Selbst der Rückzug aus der deutschen Hauptstadt ist für die MPG nicht mehr | |
tabu, jedenfalls in Gestalt der „Science Gallery“, die drei Jahre lang am | |
Berliner Gendarmenmarkt betrieben wurde. Im März wurde das Etablissement in | |
den wenig geeigneten Räumen eines vorherigen Friseursalons geschlossen. Zu | |
wenig Publikum interessierte sich für die Hightech-Ausstellungen über | |
Grundlagenforschung. | |
Dabei galt die Max Planck Science Gallery als inoffizieller Probelauf für | |
das „Haus der Zukunft“, das neben dem neuen Bundesforschungsministerium | |
entstehen soll. Kein gutes Omen. | |
14 Jun 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.mpg.de/ | |
[2] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/max-planck-gesellschaft-verdacht-… | |
[3] http://www.swr.de/report/forscher-unter-korruptionsverdacht-dubiose-geschae… | |
[4] http://www.mpg.de/8269380/Informationen_zur_aktuellen_Berichterstattung | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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