# taz.de -- Max-Ophüls-Nachwuchsfilmfest: Hoffnungsvoll und alternativlos | |
> Vier Preise darunter der für den besten Spielfilm gingen an ihn: Der | |
> große Gewinner des Filmfestival Max Ophüls Preis heißt „Borga“. | |
Bild: Woanders ist auch nicht alles besser: Eugene Boateng in „Borga“ | |
„Nie wieder tut mir jemand weh!! Nie wieder tut mir jemand weh!!“ – | |
„Willste det wirklich?“ – „Ja!!!“ Nicos Ziel ist klar. Nachdem die Be… | |
Altenpflegerin Opfer eines Übergriffs wurde – Neonazis hatten sie auf dem | |
Nachhauseweg schwer verprügelt und rassistisch beleidigt –, ist sie in | |
ihren Grundfesten erschüttert. Und arbeitet mithilfe eines | |
Selbstverteidigungstrainers (Andreas Marquardt) an ihrer Resilienz. | |
Die Schauspielerin Sara Fazilat stattet Nico mit einer furiosen, | |
humorvollen und absolut authentischen Energie aus. Und bekam für ihre | |
bravouröse Leistung in dem Film von Eline Gehring die Auszeichnung als | |
„Bester Schauspielnachwuchs“ beim [1][Filmfestival Max Ophüls Preis]. | |
Neben Fazilat freute sich bei der Preisverleihung, die als Livestream aus | |
Saarbrücken und dem ganzen Rest am Samstagabend in die Lockdown-Wohnzimmer | |
floß, der Schauspieler Jonas Holdenrieder über eine Trophäe für den „Best… | |
Schauspielnachwuchs“: Er hatte in Christian Schäfers Drama „Trübe Wolken�… | |
einem sich langsam entfachenden Psychothriller, einen undurchdringlichen | |
Außenseiter gegeben. | |
Die Anforderungen an die Schauspieler*innen konnten unterschiedlicher | |
kaum sein – hier eine kontaktfreudige und autarke junge Frau mit | |
Migrationshintergrund, die mit jeder Faser ihres Körpers für | |
Selbstermächtigung und Diversität steht, dort der reservierte und | |
rätselhafte junge Mann aus gutem deutschem Hause, dessen Mutter die | |
Kochschürze nie abzulegen scheint und der vielleicht den Tod eines | |
Mitschülers auf dem Gewissen hat. Die Frage, wie Gewalt zu bewältigen ist, | |
trifft auf die, woher sie kommt, die versatile Realität auf eine fast | |
übernatürliche Kälte. Eben die klassischen Pole, zwischen denen sich die | |
Filmproduktion eines Jahres bewegt – sogar im außergewöhnlichen Jahr 2020. | |
Die größten Gewinner bei dem als Online-Event durchweg flüssig | |
funktionierenden einwöchigen Nachwuchsfestival waren jedoch zwei andere | |
Werke: Vier Preise unterschiedlicher Jurys, darunter den für den besten | |
Spielfilm, den „Gesellschaftlich relevanten Film“ und den des Publikums, | |
räumte York-Fabian Raabes „Borga“ ab. | |
Träume der Gebliebenen | |
„Borga“ nennt man in Ghana jemanden, der es im Ausland geschafft hat und | |
als (erfolg)reicher Mensch zurückkehrt – auch um die Träume der Gebliebenen | |
anzufachen. Raabes von Eugene Boateng gespielter Protagonist begreift | |
schnell, dass er einem Märchen aufgesessen ist, das Migrant*innen | |
weitertragen und damit immer neue Woanders-ist-es-besser-Narrative | |
generieren. Und er sieht die globalen Zusammenhänge zwischen den | |
industriellen, hysterisch konsumierenden Wegwerfgesellschaften und den | |
afrikanischen Ländern in ihrer Rolle als Resteverwerter – auch wenn diese | |
Reste gesundheitsgefährdender Schrott sind. | |
Zusammen mit „Berlin Alexanderplatz“, [2][İlker Çataks] Drama „Es gilt … | |
gesprochene Wort“, sowie „Futur Drei“ von Faraz Shariat und „Toubab“ … | |
Florian Dietrich zeichnen sich damit einige Filme in diesem Jahr durch | |
(post)migrantische Perspektiven aus – eine hoffnungsvolle und | |
alternativlose Entwicklung, und ein Triumph für die Wahrnehmung nichtweißer | |
Menschen in vorrangig weißen Gesellschaften. Oder wie der Gewinner Boateng | |
am Samstag fassungslos vor Glück ausrief: Die kleinen Kofis und Djumas und | |
Abas aus Deutschland sehen sich endlich mal selber auf der Leinwand! | |
Dass der mittellange Gewinnerfilm, Murad Abu Eishehs „Tala’vision“, die | |
Erlebnisse eines achtjährigen syrischen Mädchens mitten im Krieg erzählt, | |
verstärkt diese Hoffnung. „Fuchs im Bau“ von Arman T. Riahi, unter anderem | |
ausgezeichnet für die beste Regie, beobachtet dagegen das Trauma eines | |
Österreichers, der als Lehrer im Jugendvollzug arbeitet, bildet aber mit | |
dessen schwieriger „Schulklasse“ ebenfalls Realitäten ab: Viele Insassen | |
haben nichtdeutsche Wurzeln, und mit den durch kulturelle Unterschiede | |
verstärkten Ressentiments umzugehen ist die komplizierte Aufgabe des | |
Protagonisten. | |
Vor allem die Hauptdarsteller*innen Aleksandar Petrović (als Lehrer | |
Fuchs) und Maria Hofstätter (als grantelnde Lehrerin Berger) machen in | |
diesem Drama tatsächlich Spaß. Denn wenn Berger ihren aufsässigen | |
„Schnuckiputzis“ für richtige Antworten wie Seehunden Leckerli zuwirft, | |
dann steckt darin genauso viel pädagogische Weisheit wie Verzweiflung. | |
Ansonsten wird es spannend, wie der Filmnachwuchs auf das kollektiv | |
erschütternde vergangene Jahr reagiert – werden auch 2021, wie so oft, | |
Geschichten um die Suche nach familiären Wurzeln geplottet? Kann Corona | |
eine Story zulassen wie die eigenwillige Heimatfilm-Interpretation | |
„Windstill“ über verschleppte postnatale Depressionen? Wieso nicht. Die | |
Pandemie muss kein eigenes Narrativ bilden. Sie verstärkt einfach nur die | |
vorhandenen Motive. | |
24 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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