# taz.de -- Filmfestival für jungen Film: Wieder der Zeit voraus | |
> Beim 43. Filmfestival Max Ophüls Preis ging es um Familien und | |
> Gendernormen. Preise ergatterten einige Filme mit queeren Thematiken. | |
Bild: Szene aus „Anima – Die Kleider meines Vaters“ | |
Mit neun verkündet die kleine Uli, dass sie Papst werden will. Pirat sein | |
wäre auch toll. Alles, nur keine Prinzessin. Uli ist ein Wildfang, passt in | |
keine Schublade. Mit ihrer Weigerung, sich gängigen Geschlechterrollen | |
anzupassen, wird sie selbst in der eigenen Familie zur Außenseiterin. | |
In dem kleinen oberbayerischen Ort herrschen noch Tradition und die | |
katholische Kirche, über vieles wird nicht gesprochen. Erst am Sterbebett | |
ihres Vaters, viele Jahre später, erfährt Uli von dessen Doppelleben als | |
Crossdresser. In „Anima – Die Kleider meines Vaters“ arbeitet Uli Decker, | |
die inzwischen als Filmemacherin in Berlin lebt, die Geschichte ihrer | |
Familie und deren Geheimnisse auf und damit ihr eigenes Aufwachsen als | |
nicht genderkonformer Mensch. | |
Ihre auch stilistisch eigenwillige Auseinandersetzung war einer der | |
beeindruckenden Beiträge des [1][43. Filmfestivals Max Ophüls Preis], das | |
am Mittwochabend mit der Preisverleihung in Saarbrücken zu Ende gegangen | |
ist, wo „Anima“ als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. | |
Benannt nach dem in der Stadt geborenen [2][Regisseur von „Lola Montez“] | |
widmet sich das Festival jährlich dem Nachwuchs der deutschsprachigen | |
Länder, die Filme selbst müssen nicht unbedingt deutschsprachig sein oder | |
in einem dieser Länder spielen. | |
Das zeigt sich auch in dem Spielfilm, der wie „Anima“ zu einer ganzen Reihe | |
herausragender Filme mit queerer Thematik zählt und am Ende mit einigen der | |
wichtigsten Preise ausgezeichnet wurde, darunter als bester Film und für | |
das Drehbuch. | |
## Der Rentboy | |
Der in China geborene C. B. Yi studierte in Wien bei Michael Haneke | |
Filmregie und erzählt nun in seinem Debütfilm „Moneyboys“ von einem jungen | |
Mann, der seinen Lebensunterhalt als Rentboy verdient und damit auch seine | |
Familie finanziell unterstützt, die zwar das Geld bereitwillig annimmt, von | |
seiner Homosexualität aber nichts wissen will. | |
Yis Spielfilm ist ein stilsicher inszeniertes Drama mit vielschichtigen | |
Figuren, das zugleich einen faszinierenden Blick in die aufstrebende junge | |
urbane Mittelschicht Chinas zwischen Tradition und Turbokapitalismus | |
eröffnet. | |
Ebenfalls aus Österreich stammt „Para:dies“ von Elena Wolff, der im | |
Mockumentary-Stil von einem jungen Paar erzählt, Jasmin und Lee, die in | |
Lees Elternhaus in Salzburg ziehen und dabei von der jungen | |
Dokumentarfilmerin porträtiert werden. Ein überzeugend gespieltes Drama | |
über queeres Leben in der Provinz und eine zunehmend toxische Beziehung, | |
das lange fesselt, aber gerade dann unglaubwürdig wird, wenn die Grenze | |
zwischen Beobachterin und Porträtierten verschwimmt. | |
In Wien ist Fatih Gürsoys mittellanger Spielfilm „Neverinland“ angesiedelt, | |
in dem Geflüchtete in ihrer Unterkunft auf ihren Asylbescheid warten und | |
sich für eine Kostümparty ihren Wünschen entsprechend verkleiden, als König | |
oder Supermann. Ein Abend, an dem zumindest einer von ihnen beginnt, seine | |
wahre Identität zu leben. | |
## Unbeholfener Vater | |
Wie bei „Anima“ und „Moneyboys“ geht es auch in Alina Yklymovas Kurzfilm | |
„Störenfrieda“ um den Konflikt junger queerer Menschen mit der | |
Elterngeneration. Ava und Sascha betreiben die gleichnamige FLINT*-Kneipe | |
in Bochum als Schutzraum für die Community, das Paar lebt dort auch. | |
Bis unvermittelt Avas Vater Gunter auftaucht, ein ehemaliger Bergarbeiter, | |
der vorübergehend eine Unterkunft braucht und mit seiner | |
unbeholfen-kumpelhaften Art für Irritationen sorgt. Am Ende scheint | |
zumindest die Möglichkeit auf, miteinander ins Gespräch zu kommen. | |
Nach einer rein virtuellen Covid-Ausgabe im vergangenen Jahr fand das | |
Filmfestival Max Ophüls Preis diesmal hybrid statt, dezentral vor Ort auf | |
mehrere Kinos verteilt sowie mit einem begrenzten Angebot online. Das junge | |
Team um Festivalleiterin Svenja Böttger und den künstlerischen Leiter | |
Oliver Baumgarten reagierte sehr umtriebig auf die sich ständig ändernde | |
Situation, täglich wurden zahlreiche Publikumsgespräche online für | |
Zuschauer:innen gestreamt, die nicht vor Ort sein konnten. | |
Auch die Preisverleihung am Mittwochabend wurde live auf der | |
Festivalwebsite und Youtube übertragen. Die Jurys zeichneten dabei zum | |
Großteil Filme mit queeren Thematiken aus und würdigten damit eine ebenso | |
herausragende wie diverse Filmauswahl, die sich zum Großteil noch bis 30. | |
Januar auf www.ffmop.de streamen lässt. | |
## Die Anfänge des Festivals | |
Auf eine Art schließt sich damit ein Kreis zu den Anfängen des Festivals. | |
Bereits 1981, im zweiten Jahrgang, wurde mit Frank Ripplohs | |
autobiografischem „Taxi zum Klo“ über einen offen schwulen Lehrer in | |
West-Berlin ein Spielfilm ausgezeichnet, der in seiner Radikalität seiner | |
Zeit weit voraus war. | |
Unter umgekehrten Vorzeichen tanzte in diesem Jahr bei den großen Gewinnern | |
der Schweizer Spielfilm „Soul of a Beast“ des 1981 in Zürich geborenen | |
Lorenz Merz aus der Reihe. Seine Dreiecksgeschichte ist ein wilder | |
Genreritt durch den Großstadtdschungel mit ausgebüxten Zootieren und im | |
besten Sinne nonkonform. Dafür gab es am Ende den Preis für die beste | |
Regie, den besten Nachwuchsdarsteller sowie den Kritikerpreis. | |
27 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://ffmop.de/ | |
[2] https://www.kino.de/film/lola-montez-1955/ | |
## AUTOREN | |
Thomas Abeltshauser | |
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