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# taz.de -- Massaker in Sudan: Hunderte Leichen in Weiß
> In einem Dorf in Sudans Kornkammer Gezira soll die RSF-Miliz über 200
> Menschen getötet haben. Hilfswerke warnen derweil vor einer schweren
> Hungersnot.
Bild: Das Dorf Wad al-Noura trauert um seine Toten
Berlin taz | Sudans Krieg hat schon viel Horror produziert, aber die
[1][Bilder aus dem Dorf Wad al-Noura], die seit einigen Tagen um die Welt
gehen, machen ihn in besonderer Weise sichtbar. Eine ganze Dorfgemeinschaft
ist auf einem großen sandigen Platz versammelt. Viele der Menschen sind in
Weiß gekleidet, vor ihnen liegen Dutzende in weißes Tuch gehüllte Körper
auf Metallgestellen aufgebahrt.
In [2][anderen Videos] drängen sich die Menschen um die sorgfältig
aufgereihten verhüllten Toten am Boden bei der Trauerfeier, in wieder
[3][anderen Aufnahmen] sieht man die Bergung von blutüberströmten
Verletzten oder von Kugeln durchsiebten Menschen in den Trümmern ihrer
Häuser.
Das Massaker in Wad al-Noura, rund 110 Kilometer südlich von Sudans
Hauptstadt Khartum in der Provinz Gezira, ereignete sich den Berichten
zufolge am 5. Juni. Die paramilitärische staatlich aufgestellte Miliz RSF
(Rapid Support Forces), die im April 2023 mit Sudans Militärregierung brach
und seitdem gegen diese kämpft, griff das Dorf zweimal hintereinander mit
schwerer Artillerie an, berichteten die „Widerstandskomitees“ der
sudanesischen Demokratiebewegung in Geziras Provinzhauptstadt Wad Madani.
Die RSF habe das Dorf besetzen wollen, nachdem ein Armeeangriff sie aus der
Region verjagt hatte. Als die lokalen Autoritäten das verweigerten, habe
sie Wad al-Noura abgeriegelt und dann massiv beschossen und überfallen.
Milizionäre hätten sich auf Dächern postiert und von dort geschossen. Die
Armee habe nicht gegen den RSF-Angriff eingegriffen.
## RSF spricht von Angriff auf andere Milizen
Die RSF hat den Angriff auf Wad al-Noura bestätigt, aber behauptet, sie
habe regierungstreue „Islamisten“ und „Mustanfareen“ (Mobilisierte)
angegriffen – so heißen die von Sudans Armee aufgestellten „freiwilligen“
Milizen aus rudimentär ausgebildeten und ausgerüsteten Zivilisten, die
neuerdings in den Kampf gegen die RSF geschickt werden. Beobachtern zufolge
stehen sie in ihrer Willkür gegenüber der Bevölkerung der RSF in nichts
nach.
Wad al-Noura habe drei Basen von Milizen beherbergt, von denen aus ein
Großangriff in Richtung der RSF-Gebiete um die Hauptstadt Khartum geplant
gewesen sei, so die RSF [4][in einer Erklärung].
Die Zahl der Toten in Wad al-Noura, zunächst anhand der ersten
Videoaufnahmen mit mehreren Dutzend angegeben, kletterte schnell auf 107,
dann auf 150 und bis Sonntag auf 227, dazu kommen mehrere hundert
Verwundete. Mindestens 35 Kinder sollen unter den Toten sein.
Sudans regierender Militärrat nannte das Massaker „eines von vielen der
RSF“ und verurteilte es scharf, ebenso Sudans politische Parteien in
Khartum und die Demokratiebewegung. In mehreren Erklärungen wurde darauf
hingewiesen, dass die RSF militärische Unterstützung durch die Vereinigten
Arabischen Emirate genieße und dass die Miliz international isoliert werden
müsse.
Massaker wie dieses gehören in Sudans Westregion Darfur zum Alltag, nicht
aber in dieser Provinz direkt südlich von Khartum. Gezira ist die
wichtigste Agrarregion Sudans und blieb nach Kriegsbeginn zunächst
friedlich. Seine Hauptstadt [5][Wad Madani] nahm nach Beginn der Kämpfe in
Khartum im April 2023 Hunderttausende Flüchtlinge aus der Hauptstadt auf
und wurde auch zum logistischen Zentrum für humanitäre Hilfe.
Im Dezember 2023, mitten in der Aussaat, eroberte die RSF Wad Madani. Sie
stahl große Lebensmittelvorräte, Hilfswerke mussten abziehen. Die Kämpfe
zwischen RSF und Armee trieben zahlreiche Menschen in die Flucht und
brachten die Landwirtschaft zum Erliegen.
## Hungersnot könnte Millionen Tote fordern
Die dadurch erwarteten Ernteausfälle und Lebensmittelknappheiten landesweit
sind ein Hauptgrund für die von Hilfswerken seit Monaten geäußerten
Befürchtungen, Sudan werde dieses Jahr eine weltweit beispiellose
Hungersnot erleiden, mit 2,5 bis vier Millionen Toten bis September, wie
[6][das niederländische Clingendael Institute Ende Mai warnte].
Am vergangenen Donnerstag [7][kündigte das UN-Welternährungsprogramm WFP]
eine Ausweitung seiner Sudan-Hilfen an, vor allem durch Direkthilfen an
Bedürftige, um auf den Märkten einkaufen zu können. Dies setze aber voraus,
dass Lebensmittel auch auf die Märkte gelangten und dass auch etwas gegen
den Mangel an sauberem Wasser und Medikamenten getan werde. „Menschen in
Sudan essen Gras und Blätter, um zu überleben; Unterernährung bei Kindern
hat schockierende Ausmaße erreicht und bedroht eine ganze Generation“, so
WFP.
Zuvor hatte die [8][gemeinsame Arbeitsgruppe der in Sudan tätigen
Hilfswerke] „systematische Obstruktion“ humanitärer Hilfe durch alle
Kriegsparteien moniert, unter anderem in Gezira. „Fürchterliche Angriffe
auf Zivilisten nehmen zu“, hieß es weiter in der Erklärung.
Die [9][IOM (Internationale Organisation für Migration) teilte derweil
mit], die Zahl der Vertriebenen in Sudan liege jetzt bei knapp 10
Millionen, mit weiteren zwei Millionen in Nachbarländern.
9 Jun 2024
## LINKS
[1] https://x.com/Cen4infoRes/status/1799066866494939228
[2] https://x.com/SanB66666/status/1798677576518639852
[3] https://x.com/Al_Kauther01/status/1799055945185874076
[4] https://rapidsupportforce.com/news-details/Full%20details%20of%20the%20%E2%…
[5] /Krieg-in-Sudan/!5927455
[6] https://www.clingendael.org/sites/default/files/2024-05/CA_From_hunger_to_d…
[7] https://www.wfp.org/news/wfp-expands-emergency-response-avert-famine-war-to…
[8] https://interagencystandingcommittee.org/sites/default/files/2024-05/Statem…
[9] https://reliefweb.int/report/sudan/au-soudan-bientot-plus-de-10-millions-de…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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