# taz.de -- Mali drei Wochen nach dem Putsch: Zuversicht und Unsicherheit | |
> Gut drei Wochen nach dem Staatsstreich werden die Entwicklungen in Malis | |
> Hauptstadt genau verfolgt. Trotz Anspannung gibt es viel Hoffnung. | |
Bild: Demonstration für Malis Mlilitärjunta, während die sich mit zivilen Ve… | |
COTONOU taz | „Das Leiden in der Vergangenheit war einfach viel zu viel. Es | |
gab Hinrichtungen und Verhaftungen. Einige der Verhafteten sind seit Jahren | |
verschwunden. Ich bin zufrieden und glücklich mit der Entwicklung.“ Abou | |
Sow findet am Telefon für die Regierung des ehemaligen Präsidenten Ibrahim | |
Boubacar Keïta und den [1][Staatsstreich] deutliche Worte. Sow ist seit | |
Februar Präsident von Tabital Pulaaku, jener Vereinigung, die in Mali die | |
Interessen der Peul vertritt, einer Ethnie, die im englischsprachigen | |
Afrika als Fulani bekannt ist. | |
Vor allem seit dem vergangenen Jahr hat die Organisation Regierung und | |
besonders Militär scharf kritisiert. Im Zentrum des Landes rund um die | |
Stadt Mopti kam es zu zahlreichen Massakern an Peul, die auch von | |
Sicherheitskräften verübt wurden. Zumindest verhinderten diese die | |
tödlichen Überfälle nicht. „Uns Peul setzt man immer mit Dschihadisten | |
gleich. Dabei gibt es auch Bambara, Songhai oder Tuareg, die Dschihadisten | |
sind,“ klagt Sow. | |
Für das schlechte Image verantwortlich ist Amadou Koufa, Gründer der | |
Befreiungsfront von Macina, der in den vergangenen Jahren gezielt Peul | |
rekrutiert hatte. Außerdem kam es zu Kämpfen zwischen | |
Selbstverteidigungsmilizen der Peul sowie der Dogon, die ebenfalls in der | |
Region leben. | |
Die unsichere Lage ist ein Grund gewesen, weshalb ab Juni der Widerstand | |
gegen Keïtas Regierung immer lauter wurde. Dazu rief das Protestbündnis | |
M5-RFP unter Führung des charismatischen Imams Mahmoud Dicko auf. | |
## Folgen des Putsches kaum zu spüren | |
Der Putsch gelang allerdings am 18. August einer Gruppe von Soldaten um | |
Oberst [2][Assimi Goïta], die den Militärstützpunkt in Kati besetzten und | |
anschließend den Präsidenten und zahlreiche weitere führende Politiker | |
verhafteten. An der Macht ist nun das Nationale Komitee zur Errettung des | |
Volkes (CNSP). Sow hofft, dass die Gewalt unter dem CNSP ein Ende haben | |
könnte – trotz der traumatischen Erlebnisse mit den Streitkräften. | |
„Zumindest sind wir weniger besorgt.“ Um Einzelheiten zu besprechen, wartet | |
er bereits seit Tagen auf ein Treffen mit der Militärführung. | |
In Sikasso, Malis Wirtschaftszentrum im Süden in Grenznähe zur | |
Elfenbeinküste und Burkina Faso, versucht Kalifa Sanogo, Bürgermeister der | |
Stadt und Zwölfter der Präsidentschaftswahlen von 2018, so diplomatisch wie | |
möglich zu klingen: „Natürlich muss ein Staatsstreich verurteilt werden.“ | |
Ein paar Sätze später ist es vorbei mit seiner Vorsicht. „Ehrlicherweise | |
war der Coup doch nicht vermeidbar.“ Vor allem die grassierende Korruption | |
sei überall bekannt gewesen. Man habe das Zentrum des Landes zerstört. | |
Von den Folgen des Putsches sei in Sikasso selbst aber nichts zu spüren. | |
„Unser Leben hat sich bisher nicht geändert und unsere Stadt auch nicht“, | |
so Bürgermeister Sanogo. In der Stadt war es Anfang Mai nach Bekanntgabe | |
der Parlamentswahlergebnisse zu Protesten gekommen. Denkbar knapp hatte | |
dort nach Ansicht des Verfassungsgerichts die Liste gewonnen, zu der Keïtas | |
RPM (Sammlung für Mali) gehört. | |
Als angespannt erlebt Issa Boncana, Präsident des Jugendrates von Gao, | |
allerdings die Situation in seiner Heimatstadt im Norden Malis. Immerhin | |
sei es nicht zum Stillstand des öffentlichen Lebens gekommen. Banken etwa | |
waren lediglich für 24 Stunden geschlossen. Jetzt würden die Bewohner*innen | |
die Entwicklung mit Sorge beobachten. „Niemand weiß, wie der morgige Tag | |
aussehen wird.“ | |
In Gao habe der Putsch schließlich Erinnerungen an den März 2012 geweckt, | |
als Soldat*innen der Sturz des damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré | |
gelang. Das nutzten islamistische Gruppierungen aus und besetzten zehn | |
Monate lang den Norden. Sie verübten Gräueltaten, außerdem wurde die | |
Versorgungslage immer schwieriger. Die Erinnerungen seien bis heute | |
präsent, sagt Boncana. | |
Allerdings würde die Präsenz der malischen Soldat*innen sowie der | |
UN-Mission für die Stabilisierung Malis (Minusma) ein Gefühl von Sicherheit | |
geben. Eine zweite monatelange Besatzung durch Terrorgruppen gilt als | |
unwahrscheinlich. | |
6 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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