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# taz.de -- FDP-Politiker über Mali nach dem Putsch: „Den Schwung des Moment…
> Deutschland sollte den Umsturz begrüßen und seine Politik in Afrika
> besser europäisch abstimmen, sagt der Entwicklungspolitiker Christoph
> Hoffmann.
Bild: Unterstützung für die Militärjunta und Übergangspräsident Bah Ndaw a…
taz: Herr Hoffmann, Sie haben als erster Bundestagsabgeordneter seit dem
Militärputsch Mali besucht. Was war Ihr Eindruck?
Christoph Hoffmann: Es ist sehr ruhig. Die [1][Bevölkerung trägt den
Putsch] und es bestehen jetzt große Hoffnungen, [2][mit der
Übergangsregierung in bessere Zeiten] zu kommen. Der Staat stand kurz vor
der Implosion, weil die Krake Korruption alles durchdrungen hat. Wenn für
die Bürger keine Sicherheit, keine Schule, kein Richter mehr da ist, ist
der Vertrag zwischen Bürger und Staat erloschen und es geht in Richtung
Failed State. Das war das Problem. Deswegen spricht die
[3][westafrikanische Regionalorganisation Ecowas] heute von einem rettenden
Putsch, obwohl sie ihn erst mal verurteilt hatte. Die Ecowas hat relativ
schnell die Volte gemacht. Die deutsche Bundesregierung noch nicht.
Vor Ihrer Reise haben Sie gesagt, Deutschland solle die
Entwicklungszusammenarbeit mit Mali aussetzen. Sehen Sie das immer noch so?
Nein, nicht mehr. Es gibt nun eine Übergangsregierung.
[4][Entwicklungszusammenarbeit] macht nur Sinn, wenn die betroffene
Regierung sich für gute Regierungsführung und Freiheit ausspricht. Ohne
Transparenz und Rechtsstaatlichkeit versickert die Hilfe in den falschen
Taschen und kommt nicht bei den Menschen vor Ort an. Ich denke, der Moment
ist jetzt da, wo man umsteuern muss. Humanitäre Programme und die für
Landwirtschaft können regierungsunabhängig weiterlaufen. Deutschland hat
schon lange Programme für gute Regierungsführung und Dezentralisierung in
Mali – die sollte man schnell ergänzen. Denn da geht jetzt ein Fenster auf,
in dem man den Schwung des Moments nutzen kann, um die Regierung zu stärken
hinsichtlich Transparenz und Digitalisierung der Ministerien. Nur so kann
das Vertrauen der Menschen zum Staat wiedergewonnen werden.
Deutschland sollte sich also jetzt mehr engagieren als vorher?
Es gibt eine Chance, den Failed State abzuwenden und den idealistischen
Moment zu nutzen, den diese jungen Offiziere mitbringen. Da ist ein
Nationalstolz dabei: das ist unser Land, das lassen wir nicht untergehen.
Der Menschenrechtsbeauftragte der UN-Mission sagte mir: Ich kenne diese
jungen Offiziere, sie haben mir damals geholfen, Menschenrechtsverletzungen
durch die Armee aufzuklären. Er hat die Hand ins Feuer gelegt für die.
Kann der Bundeswehreinsatz in Mali weitergehen wie bisher?
Für den Minusma-Chef in Mali ist völlig klar, dass die [5][UN-Mission ohne
die Bundeswehr] kaum stattfinden kann. Er wollte eher mehr davon. Auch die
Bundeswehrsoldaten vor Ort sagen: Ohne die UN-Mission, ohne uns bricht das
Land zusammen und das fällt uns dann in Europa auf die Füße, weil die
Migrationsströme einsetzen, wenn der Staat zerfällt. Hier geht es dabei
nicht darum, Geflüchtete zurückzuweisen, sondern Fluchtursachen zu
bekämpfen. Es ist arrogant anzunehmen, jeder wolle nach Deutschland. Es
müssen Strukturen geschaffen werden, sodass die Menschen eine Perspektive
haben, in ihrem Land bleiben zu wollen und in ihrem Land etwas bewegen zu
können. Das geht nur mit guter Regierungsführung.
Die FDP hat eine neue Afrikastrategie vorgelegt, die eine gemeinsame
europäische Strategie für Afrika fordert, in die sich auch Deutschland
einfügt. Was hieße das in Bezug auf Mali?
Bisher hat die europäische Entwicklungszusammenarbeit getrennt gewirkt, oft
geleitet von Eigeninteressen. Erfolg hieß: Geld ausgeben. Jede Nation hat
sich selbst gefeiert. Wenn Entwicklungsminister Müller sagt, mein Haushalt
ist um das Dreifache gewachsen, ist es ein Erfolg – innenpolitisch, aber
nicht unbedingt vor Ort. Wenn die politische Maxime Geldausgeben ist,
kommen verschiedene Nationen mit einem Geldkoffer und sagen: Ich hätte hier
ein Projekt für dich. In Mali standen viele Geldgeber in Reih und Glied,
aber wir haben es nicht fertiggebracht, dass der gestürzte Präsident
wirklich in Richtung gute Regierungsführung gegangen ist. Warum kann man
nicht sagen: Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit muss gute
Regierungsführung sein, sonst wird alles Geld nicht funktionieren. Um gute
Regierungsführung besser zu konditionieren, dazu brauche ich einen
gesamteuropäischen Ansatz mit klaren Grundsätzen. Eine europäische Lösung
heißt somit auch für mich, dass der Afrikabeauftragte Nooke nicht in den
Kongo reisen kann und Sachen im Namen der Bundesregierung verspricht, und
das weder mit der Regierung noch mit Partnerländern abgesprochen ist.
Aber wenn man der Einzige ist, der eine geeinte Strategie will, gibt es
keine. In Mali ist Frankreich der dominante Akteur, auch militärisch.
[6][Bei Macron ist Offenheit da] und Frankreich ist ganz froh, wenn es aus
dieser postkolonialen Rolle rauskommt. Da kann Deutschland ganz gut
eintreten, denn wir sind in Mali sehr anerkannt. Die Bundesrepublik war das
erste Land, das Mali nach der Unabhängigkeit anerkannt hat. Wir machen sehr
lange kontinuierlich Entwicklungszusammenarbeit mit Mali, wir werden anders
gesehen und akzeptiert als die Franzosen. Das birgt eine Chance. Es geht
bei Europäisierung nicht um eine neue europäische Entwicklungsorganisation,
sondern dass man sich die Aufgaben teilt.
Heißt das, die deutsche Bundesregierung agiert in Afrika zu wenig
europäisch?
Absolut! Schauen Sie sich die BMZ-Liste an, mit welchen Ländern man
zusammenarbeiten will und mit welchen nicht. Da hat man überhaupt nichts
mit den Europäern abgesprochen.
Was ist der Unterschied zwischen Ihrer Afrikastrategie und der der
Bundesregierung? Im Grunde sind sich die Analysen doch sehr ähnlich.
Nein. Nehmen wir das Beispiel Elfenbeinküste. Da finden demnächst Wahlen
statt. Es gibt schon 40 Tote durch Unruhen. Der Präsident versucht, sich
durch Verfassungsbruch eine dritte Amtszeit zu sichern. Da muss doch Europa
sagen: Das geht nicht. Aber das BMZ sagt: Elfenbeinküste ist ein
Reformstaat, auf dem guten Weg, und reagiert gar nicht. Vielleicht war es
auf dem guten Weg, aber spätestens mit dem Verfassungsbruch von Präsident
Ouattara ist es das sicher nicht mehr, und keiner weiß, wie das ausgeht, ob
mit Unruhen oder mit einem Militärputsch.
8 Oct 2020
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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