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# taz.de -- Londoner Rapperin auf Tour: Mit Reimen kämpfen
> Die Rapperin Little Simz hat Biss und mischt damit die machistisch
> geprägte HipHop-Szene auf. Jetzt kommt sie nach Berlin und Hamburg.
Bild: Will lieber ein MC als ein „female“ MC sein: Rapperin Little Simz
Musik ist für Little Simz wie Therapie. Auf ihrem aktuellen Album
„Stillness In Wonderland“, das die britische Rapperin auf ihrem eigenen
Label Age101 veröffentlicht hat, reflektiert die Londonerin, wie es ihr als
erfolgreiche Künstlerin im Musikgeschäft ergeht. Immer wieder schwankt sie
dabei zwischen schonungsloser Skepsis, kritischem Selbstzweifel und
nachdrücklicher Selbstbehauptung.
Bevor sich die 24-Jährige auf Musik konzentrierte, war sie eine begeisterte
Tänzerin. Als Teenagerin stellte sie sich vor, in Musikvideos der
US-Rapperin Missy Elliott zu tanzen. Später bekam sie Rollen als
Schauspielerin in einer britischen Kinder- und einer Jugend-TV-Serie.
Obwohl inzwischen die Musik im Vordergrund steht, ist darstellende Kunst
nie ganz bei Little Simz in den Hintergrund gerückt. Videoclips zu ihren
Songs wirken oft wie kurze Erzählungen, zu ihrem Album „Stillness In
Wonderland“ erschien begleitend ein 15-minütiger Kurzfilm. Für den
afrofuturistischen SuperheldInnen-Film „Black Panther“ sprach sie für die
Rolle der Technikexpertin Shuri vor, bekam sie aber nicht. Die Enttäuschung
darüber hielt sich in Grenzen, unter anderem, weil Little Simz zu der Zeit,
in der der Film produziert wurde, stattdessen mit Damon Albarns Pop-Projekt
Gorillaz auf Welttournee ging.
Seit ihrem ersten Mixtape (2010) widmet sich Simbiatu Ajikawo, wie Little
Simz mit bürgerlichem Namen heißt, in ihren Texten ausführlichen
Reflexionen über sich, die Gesellschaft und die Musikindustrie. Mit dieser
Offenheit, ihrer lyrischen Versiertheit und der Bissigkeit ihres Reimstils
hat sie sich einen Namen über Großbritannien hinaus gemacht.
Selbst Chancen schaffen statt sich zu beschweren
Ihre Texte drehen sich nicht nur um ihr eigenes Leben. Sie spricht auch
über gesellschaftliche Zwänge und politische Entwicklungen, ist wie
nebenbei Sprachrohr für Geschlechtergerechtigkeit, ohne das Thema zu
forcieren. Das Label „female MC“, also „weibliche MC“, lehnt sie
verständlicherweise ab. Schließlich wird auch nicht von „male MCs“
gesprochen.
In „Persons“, dem ersten Track ihres Debütalbums „A Curious Tale Of Tria…
+ Persons“ (2015), betont sie: „Women can be kings“, Frauen können Köni…
sein. Als sie im März das eintägige Festival „Welcome to Wonderland: The
Experience – Part II“ in London organisierte, bestand das Line-up
mehrheitlich aus Schwarzen Frauen.
Auf Twitter schrieb sie dazu, dass sie lieber selbst Möglichkeiten schaffen
wolle, als Energie dafür zu verschwenden, sich darüber zu beschweren, dass
es zu wenige gebe. Little Simz nutzt die Chancen, die mit ihrer wachsenden
Bekanntheit kommen, und unterstützt damit auch andere Künstler*innen.
Während ihr Debütalbum geprägt war von düsteren, beklemmenden und
brachialen Beats, klingen die Instrumentals auf ihrem zweiten Album
„Stillness In Wonderland“ offener und leichter. Jazz lässt sich
heraushören, auch Funk und R & B. So stilistisch vielseitig die Beats
gestaltet sind, so sicher setzt Little Simz ihre Reime auf den Rhythmus,
mal atemberaubend schnell und scharf, mal groovend und entspannt. Dabei
thematisiert sie zweifelnd die Früchte des Erfolgs und die Auswirkungen auf
ihre Persönlichkeit oder kritisiert in „LMPD“ Polizeigewalt.
Nina Simone als Vorbild
Auf dem Track, bei dem sie Unterstützung von Reggaesänger Chronixx bekommt,
rappt sie: „I’m not half the woman Maya was / Still I hear the voice of
Nina here guiding us / We’re running out of legends / I know they look from
the heavens down on me / I can’t let them down / The people that are meant
to be protecting us are killing us.“
Damit ruft Little Simz die Dichterin, Regisseurin und Bürgerrechtlerin Maya
Angelou und die engagierte Musikerin Nina Simone als Vorbilder im Kampf
gegen strukturelle rassistische Diskriminierung in Erinnerung. Little Simz
vergleicht sich nicht, sieht sich aber in der Verantwortung, ihnen zu
folgen. Sie bleibt dabei nicht bei sich selbst stehen. So beendet sie die
Strophe mit den Worten: „Anxiety and adrenaline / I know you feel the rush
/ Do you hear me now?“ Es geht um uns. Alle.
Little Simz zeigt: Verdrängung ist keine Lösung. Sie legt ihren Finger in
Wunden und tut das mit beeindruckender Ruhe, aber auch sehr eindringlich.
Vielleicht geht so etwas nur, wenn man sich bewusst ist, selbst
Schattenseiten zu haben, wie sie immer wieder in ihren Texten zeigt. Little
Simz interpretiert Glaubwürdigkeit nicht als machistisches Kräftemessen,
wer in Sachen Street Credibility der Härtere ist.
Darauf braucht sich Little Simz auch gar nicht einzulassen, wie sie kurz in
dem Track „Backseat“ durchblicken lässt, wenn sie rappt, dass sie genug
Gangster kenne, die für sie kämpfen würden, aber lieber Frieden hat.
Offenheit ist bei Little Simz kein Zeichen von Schwäche, sondern von
Stärke.
Ihre Musik und ihre Texte haben ein gesundes Verhältnis zu beklemmenden
Gefühlen, die durch Konfrontation an Schrecken verlieren. Sie gehören zum
Leben dazu. Genauso wie Freude, die Little Simz zusätzlich zu ihren
Reflexionen in der Musik auch immer wieder deutlich zum Ausdruck bringt.
12 May 2018
## AUTOREN
Philipp Weichenrieder
## TAGS
Rap
HipHop
London
Grime
Popmusik
Schwerpunkt Rassismus
Neues Album
Feminismus
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