# taz.de -- Letzte Amtshandlung von Mike Pompeo: Genozidvorwurf zum Abschied | |
> Der scheidende US-Außenminister wirft Peking Völkermord an den Uiguren | |
> vor. Washingtons künftiger Außenminister Antony Blinken stimmt ihm zu. | |
Bild: Uiguren-Protest im schweizerischen Bern gegen ein Handelsabkommen mit Chi… | |
BERLIN taz | Am seinem letzten vollen Arbeitstag als US-Außenminister hat | |
Mike Pompeo am Dienstag China Völkermord und Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit an der Bevölkerungsgruppe der Uiguren und anderen | |
Minderheiten in der Provinz Xinjiang vorgeworfen. „Ich glaube, dass dieser | |
Genozid andauert, und dass wir Zeugen des systematischen Versuchs des | |
chinesischen Parteienstaates werden, Uiguren zu zerstören“, sagte Pompeo | |
laut [1][US-Außenministerium]. Pekings Ziel sei die Zwangsassimilation der | |
dortigen Muslime und die Auslöschung ihrer Kultur. | |
Der scheidende Minister warf China willkürliche Verhaftungen von mehr als | |
einer Million Uiguren, Kasachen und Kirgisen, Zwangsarbeit, | |
[2][Zwangsabtreibungen] und -sterilisationen, weit verbreitete Folter und | |
die Unterdrückung der Religions-, Meinungs- und Bewegungsfreiheit von | |
Muslimen in Xinjiang vor. Dies habe in großem Stil spätestens im März 2017 | |
begonnen. | |
Chinas [3][Botschaft in Washington] wies den Vorwurf des Völkermordes als | |
„Lüge“ zurück. Dieser sei eine „Farce, um China zu diskreditieren“. P… | |
habe in der Region erfolgreich den Terrorismus bekämpft und von 2010 bis | |
2018 sei die Zahl der Uiguren von 10,17 auf 12,72 Millionen gestiegen. Eine | |
andere Reaktion aus China ist der Verweis auf 400.000 Coronatote in den | |
USA. | |
Der Weltkongress der Uiguren (WUC), ansässig in München, freute sich über | |
Pompeos Statement: „Heute wurde nicht nur für die Uiguren Geschichte | |
geschrieben, sondern für die gesamte Menschheit“, [4][erklärte | |
WUC-Präsident Dolkun Isa]. Dies lasse hoffentlich auch andere Regierungen | |
aktiv werden. | |
## Pompeos Nachfolger spricht gar von Konzentrationslagern | |
Pompeos Statement sieht im ersten Moment danach aus, als würde er damit der | |
neuen Regierung Bidens ein Ei ins Nest legen. Doch auch Joe Biden hatte im | |
Wahlkampf im August erklären lassen, dass er Chinas Vorgehen in Xinjiang | |
als Völkermord werte. | |
Am Dienstag erklärte auch Bidens designierter US-Außenminister Antony | |
Blinken bei seiner Senatsanhörung zur Bestätigung im Amt, dass er den | |
Begriff Genozid für Chinas Vorgehen in Xinjiang passend finde. „Das wäre | |
auch mein Urteil“, sagte er zu Pompeos Erklärung. „Ich glaube, wir sind uns | |
sehr einig.“ | |
Die [5][Arbeitslager], in denen in Xinjiang womöglich mehr als eine Million | |
Menschen ausgebeutet werden und die Peking lapidar zu Trainingszentren | |
deklariert hat, nennt Blinken „Konzentrationslager“. | |
Pompeos Abschiedsstatement ist denn auch eine Abgrenzung von Trump. Laut | |
[6][New York Times] gab es in dessen Regierung Streit über den Umgang mit | |
Chinas Repression in Xinjiang. So habe Trump, der Pekings Vorgehen dort | |
anfänglich sogar lobte, lange auf ein Handelsabkommen mit China gehofft und | |
deshalb nicht von Genozid sprechen wollen. Genau dagegen hatte sich Biden | |
im Wahlkampf gewandt. | |
## US-Kongress forderte Untersuchung zu Genozid | |
Am 27. Dezember forderte schließlich der Kongress die US-Regierung auf, den | |
Vorwurf des Völkermordes an China innerhalb von 90 Tagen zu untersuchen. | |
Bereits zuvor waren schon einige für Xinjiang Verantwortliche chinesische | |
Kader und einige an der Ausbeutung von Uiguren beteiligte chinesische | |
Staatsfirmen mit US-Sanktionen belegt worden. Am 13. Januar verboten die | |
USA Importe von Baumwolle und Tomaten aus der chinesischen Region. | |
Die USA haben zuletzt Genozide festgestellt in Bosnien (1993), Ruanda | |
(1994), Irak (1995), Darfur (2004) und in den IS-Gebieten in Syrien und | |
Irak (2016 und 2017). Das Vertreiben von mehr als einer Millionen Rohingya | |
aus Myanmar hat Washington dagegen bisher nicht als Genozid gewertet. | |
In Dezember 2020 hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag | |
einen Antrag von Uiguren abgelehnt, den Völkermordvorwurf gegen China zu | |
untersuchen, weil die Volksrepublik kein Mitglied des Gerichtshofes ist. In | |
Kanada sprach ein Parlamentsausschuss im Oktober 2020 erstmals von | |
Völkermord in Xinjiang. | |
Pompeos Genozidvorwurf dürfte auch den Druck auf andere Regierungen und | |
Institutionen erhöhen. So hatte die EU-Kommission kurz vor dem | |
Jahreswechsel ein umstrittenes Investitionsabkommen mit Peking geschlossen. | |
Das muss noch vom EU-Parlament abgesegnet werden. Die dortigen Gegner des | |
Abkommens dürften sich von Pompeo Völkermordvorwurf an China ermutigt | |
fühlen, auch wenn dem polternden Trump-Gehilfen nur wenige Abgeordnete | |
nachtrauern dürften. | |
Auch westlichen Firmen dürften künftig ihre umstrittenen Geschäfte in | |
Xinjiang schwerer fallen. Zumindest können sie nicht mehr so einfach wie | |
[7][VW-Chef Herbert Diess] behaupten, sie hätten von Arbeitslagern in | |
Xinjiang noch nie gehört. | |
20 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.state.gov/determination-of-the-secretary-of-state-on-atrocities… | |
[2] /Unterdrueckung-von-Uiguren-in-China/!5697513 | |
[3] http://www.china-embassy.org/eng/zmgxss/t1847392.htm | |
[4] https://www.uyghurcongress.org/en/press-release-the-wuc-welcomes-the-us-gen… | |
[5] /Menschenrechtsverletzungen-in-China/!5735542 | |
[6] https://www.nytimes.com/2021/01/19/us/politics/trump-china-xinjiang.html | |
[7] /Verfolgte-Uiguren-in-China/!5644320 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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