# taz.de -- Lehren aus Wirecard-Skandal: „Whistleblower belohnen“ | |
> Ökonomen fordern, Insider-Informationen zu honorieren. Milliardenschäden, | |
> wie bei Wirecard, ließen sich so verhindern. | |
Bild: Markus Braun, ehemaliger Vorstandsvorsitzender bei Wirecard ist nun nur g… | |
Berlin taz | Was lässt sich aus der Pleite des DAX-Konzerns Wirecard | |
lernen? Ökonom Jonas Heese lehrt an der Harvard-Universität und fordert, | |
sich an den USA zu orientieren: „Die Börsenaufsicht SEC führt alle drei | |
Jahre eigene Prüfungen der Unternehmen durch. Sie verlässt sich nicht | |
allein auf die Wirtschaftsprüfer.“ | |
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hatte jahrelang nicht bemerkt, dass | |
Wirecard seine Bilanzen geschönt hatte. Das Unternehmen wickelte Zahlungen | |
von Händlern ab und musste jetzt zugeben, dass 1,9 Milliarden Euro | |
„wahrscheinlich“ nie existiert haben. | |
Zudem müssten Whistleblower besser geschützt werden, fordert Heese. | |
„Skandale werden am schnellsten entdeckt, wenn Insider gefahrlos auspacken | |
können.“ Heese plädiert zudem dafür, Whistleblower zu belohnen. | |
„Schließlich verhindern sie oft Milliardenschäden.“ Auch der | |
Wirecard-Skandal kam erst ins Rollen, nachdem die Financial Times Anfang | |
2019 Insiderinformationen publiziert hatte. | |
Finanzexpertin Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für | |
Wirtschaftsforschung (DIW) mahnt eine engere Kooperation der Zentralbanken | |
an. Denn Wirecard hatte behauptet, dass die fehlenden 1,9 Milliarden Euro | |
auf philippinischen Konten lagern würden. „Es muss für die deutsche | |
Bankenaufsicht problemlos möglich sein, Informationen in den Philippinen | |
einzuholen.“ | |
## Leerverkäufe immer noch erlaubt | |
Insider wetten oft auf fallende Aktienkurse, wenn sie wissen, dass ein | |
Unternehmen in Schwierigkeiten ist. [1][Dazu nutzen sie das Instrument der | |
Leerverkäufe.] Der Trick: Man leiht sich Aktien, verkauft diese Papiere zum | |
aktuellen Kurs – und vertraut darauf, dass der Kurs deutlich niedriger ist, | |
wenn man die Aktien zurückkaufen muss, um sie dem Leihgeber wieder | |
auszuhändigen. Diese Leerverkäufe werden im Bundesanzeiger publiziert. | |
„Aber bisher fehlen wichtige Informationen“, moniert Schäfer. „Man weiß | |
nicht: Wer sind die Leihgeber und wie hoch sind die Leihgebühren?“ | |
[2][Allerdings setzt jede Kontrolle voraus, dass die Bankenaufsicht Bafin | |
zuständig ist]. Wirecard galt jedoch als Technologieunternehmen, nicht als | |
Finanzdienstleister. „Das ist schlicht unverständlich“, findet Schäfer. | |
„Wirecard hat den ganzen Tag nur Geld bewegt“. Auch Heese fordert, gegen | |
diesen „Flickenteppich der Zuständigkeiten“ vorzugehen. „Auch dafür ist… | |
SEC ein Modell: Sie ist für alle Börsenunternehmen zuständig.“ | |
## Ex-Manager im Visier | |
Derweil gibt es erste Fortschritte bei der Aufklärung des Falls: Am Montag | |
hat sich ein weiterer Wirecard-Manager den Ermittlern gestellt, der Leiter | |
der Konzerntochter Cardsystems Middle East in Dubai. Der Tatverdacht lautet | |
unter anderem auf schweren Betrug, was mit bis zu zehn Jahren Gefängnis | |
bestraft werden kann. Denn die Tochterfirma in Dubai hat einen Großteil der | |
fiktiven Wirecard-Gewinne verbucht. Der Manager bleibt in | |
Untersuchungshaft, da Flucht- und Verdunklungsgefahr besteht. | |
Wirecard-Chef Markus Braun hatte sich bereits vor einer Woche den | |
Ermittlern gestellt und konnte die Untersuchungshaft gegen eine Kaution von | |
fünf Millionen Euro verlassen. | |
Dafür ist ein weiterer Wirecard-Manager noch flüchtig: Jan Marsalek, der | |
vor allem für das Asiengeschäft zuständig war. Der 40jährige hatte so | |
getan, als wäre er in die Philippinen und nach China gereist, um nach den | |
verschwundenen Geldern zu suchen. Inzwischen hat die philippinische | |
Regierung jedoch offiziell bestätigt, dass Marsaleks Reisedaten von Beamten | |
der philippinischen Einwanderungsbehörde fingiert worden sind. Es ist daher | |
unklar, wo sich Marsalek derzeit aufhält. | |
Wirecard hat Gewinne in Asien vorgetäuscht, da das Kerngeschäft in Europa | |
und Amerika nicht rentabel war. Wie die Financial Times berichtete, fielen | |
allein im Jahr 2018 Verluste von 74 Millionen Euro an. Trotzdem stieg | |
Wirecard genau in diesem Jahr in den DAX auf und verdrängte dort die | |
Commerzbank. | |
Zudem steht der Verdacht im Raum, dass Wirecard-Manager Firmengelder | |
hinterzogen und auf Privatkonten transferiert haben könnten. | |
7 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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