# taz.de -- Österreichs Politik und Wirecard: Verstrickungen bis zum Kanzler? | |
> Der Skandal um den insolventen Zahlungsabwickler hat die Innenpolitik | |
> erreicht. Denn zwei der Protagonisten hatten offenbar Kontakte zu ÖVP und | |
> FPÖ. | |
Bild: Wie nah reicht der Skandal um Wirecard an ihn heran? Österreichs Kanzler… | |
Wien taz | Zwei Österreicher, die den [1][bankrotten Finanzdienstleister | |
Wirecard] groß gemacht haben, sorgen für innenpolitischen Krach. | |
Ex-Vorstandschef Markus Braun, der nach der Hinterlegung einer Kaution von | |
fünf Millionen Euro am 23. Juni aus der Untersuchungshaft in München | |
entlassen wurde, saß bis Ende Juni in der Strategiestabsstelle Think | |
Austria, die Bundeskanzler Sebastian Kurz als Beratergremium gegründet hat. | |
Der FPÖ-Abgeordneten Christian Hafenecker sieht beim Kanzler | |
Erklärungsbedarf. Dass die FPÖ dagegen mit dem untergetauchten | |
Wirecard-Manager Jan Marsalek im Bunde sei, wie die ÖVP behauptete, sei | |
eine „Nebelgranate“, so Hafenecker am Montag in einer Pressekonferenz. Die | |
Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen eine Reihe gegenwärtiger und | |
früherer Spitzenmanager von Wirecard wegen Marktmanipulation, | |
Bilanzfälschung, Betrug und Untreue. | |
Der nach der [2][Wirecard-Pleite untergetauchte Marsalek] soll, so | |
verbreitet die ÖVP, dem damaligen FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus | |
vertrauliche Informationen aus dem österreichischen Inlandsgeheimdienst BVT | |
zugespielt haben. Gudenus, den man als Protagonisten aus dem Ibiza-Video | |
kennt, bestreitet das nicht, relativiert gegenüber der Presse aber die | |
Bedeutung dieser Leaks: „Als Politiker bekommt man jeden Tag aus etlichen | |
Ecken Informationen. Das hört man sich an, leitet es manchmal weiter oder | |
auch nicht“. | |
Zur FPÖ führt auch eine Tangente über die Österreichisch-Russische | |
Freundschaftsgesellschaft (ORFG), bei der Gudenus aktiv ist. Wirecard soll | |
seit 2011 jährlich 10.000 bis 20.000 Euro an die ORFG gespendet haben, was | |
Braun und Marsalek die Wahl zu Ehrensenatoren dieser Gesellschaft | |
einbrachte, über die auch Kontakte zum russischen Militärgeheimdienst GRU | |
geknüpft werden können. Marsalek hat sich immer wieder seiner | |
privilegierten Beziehungen zur russischen Armee gerühmt. | |
## Finanzjongleur mit Plan für Milizenarmee | |
Einer besonders pikanten Idee Marsaleks kam die [3][Financial Times in | |
ihrer Ausgabe vom vergangenen Freitag] auf die Spur. Der Finanzjongleur, | |
der über ein Bauunternehmen in Libyen engagiert war, habe 2018 dem | |
österreichischen Verteidigungsministerium einen Plan schmackhaft machen | |
wollen, an der Südgrenze des Bürgerkriegsstaates eine 15.000 Mann starke | |
Miliz zur Abwehr von Flüchtlingen aus Afrika südlich der Sahara aufzubauen. | |
Söldner aus den libyschen Milizen sollten dafür rekrutiert werden. | |
Der EU wollte er das als „Lösung der Migrantenkrise“ verkaufen, so die | |
Financial Times. Obwohl sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz als auch die | |
FPÖ an solchen Planspielen vermutlich Gefallen gefunden hätten, will keiner | |
der ehemaligen Koalitionspartner heute mit den Wirecard-Bankrotteuren und | |
deren Verstrickungen in Verbindung gebracht werden. | |
Die Deutsche Finanzaufsicht (BaFin) hat inzwischen gegen Markus Braun | |
Anzeige wegen Insiderhandels erstattet. Er soll einen Tag, bevor Wirecard | |
Insolvenz anmelden musste, noch ein Aktienpaket um 6,6 Millionen Euro | |
abgestoßen haben. | |
15 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Versagen-der-Finanzaufsicht-bei-Wirecard/!5693367 | |
[2] /Lehren-aus-Wirecard-Skandal/!5694145&s=Marsalek/ | |
[3] https://www.ft.com/content/511ecf86-ab40-486c-8f76-b8ebda4cc669 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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