# taz.de -- Landgrabbing in Brandenburg: Agrarbetrieb geht an Immobilienhai | |
> Ein Brandenburger Hof wird nicht an einen Landwirt, sondern an eine | |
> Beteiligungsfirma der Deutsche Wohnen verkauft. Agrarminister Vogel ist | |
> dagegen. | |
Bild: Auch über ihre Zukunft wird gerade entschieden: Kühe der Röderland-Gru… | |
BERLIN taz | Die Eigentümer eines großen Brandenburger Agrarbetriebs wollen | |
statt an einen Landwirt an eine Beteiligungsfirma des Immobilienkonzerns | |
Deutsche Wohnen verkaufen. „Die 30 Gesellschafter der [1][Röderland GmbH] | |
haben sich mit einer Mehrheit von 90 Prozent aller Stimmen dafür | |
entschlossen, ihre Geschäftsanteile an der Gesellschaft an die Quarterback | |
Immobilien AG zu veräußern“, erklärte die Geschäftsführung des | |
Milchviehbetriebs mit rund 2.500 Hektar Agrarfläche. Damit unterlag der | |
Landwirt Tobias Lemm, der dem Vernehmen nach 8 Millionen Euro und damit 2 | |
Millionen Euro weniger als die Quarterback geboten hatte. Lemm wollte nach | |
eigenen Worten in die Region ziehen und den Betrieb in Bönitz selbst | |
leiten. | |
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) warnte am Mittwoch, | |
dass wegen Übernahmen wie jetzt in Brandenburg die Ernährung zunehmend von | |
immer weniger Konzernen abhänge und deshalb gefährdet sei. Der Verband | |
forderte Landesgesetze, um Verkäufe von Höfen an Investoren von außerhalb | |
der Landwirtschaft zu verhindern. | |
Branchenfremde Großunternehmen kaufen seit einigen Jahren Agrarland oder | |
Betriebe mit umfangreichen Flächen vor allem in Ostdeutschland – zum | |
Beispiel Eigentümer des Discounters Aldi Nord oder der Versicherungskonzern | |
Munich Re. Eine Studie des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts für | |
Ländliche Räume zeigt, dass Anfang 2017 34 Prozent der 853 untersuchten | |
Agrarfirmen in den neuen Bundesländern ortsfremden Investoren gehörten. | |
Aktivisten kritisieren das als „Landgrabbing“. | |
## Mitarbeitende sollen bleiben | |
Steffen Höppner, Geschäftsführer und einer der Gesellschafter der | |
Röderland-Gruppe, rechtfertigte die Entscheidung für die Quarterback. „Der | |
Käufer wird den landwirtschaftlichen Betrieb mit den Mitarbeitern | |
uneingeschränkt fortsetzen“, so Höppner, der seinen Posten verlieren würde, | |
wenn Landwirt Lemm den Zuschlag bekommen hätte. Quarterback hat nach | |
eigenen Angaben eine „Beschäftigungsgarantie für die nächsten 5 Jahre | |
gegeben“. Außerdem habe die Immobilienfirma genug Geld für Krisen und die | |
„erforderlichen erheblichen Investitionen“, ergänzte Höppner. All das sei | |
bei Lemm „nicht gegeben“. Der Preis habe nicht den Ausschlag gegeben. | |
„Wir beteiligen uns an landwirtschaftlichen Betrieben, die eine gewisse | |
Ertragsschwäche haben“, sagte Quarterback-Vorstandschef Tarik Wolf der taz. | |
Wenn etwa der Boden nicht sehr fruchtbar ist, lasse er dort | |
Agri-Photovoltaik-Module installieren, zwischen denen Tiere weiden könnten. | |
Den Viehbestand würde er reduzieren. Das könne eine große Firma besser als | |
ein einzelner Landwirt stemmen. Die Quarterback wolle dort keine Wohnungen | |
bauen. „Wir haben das gemacht, um etwas Gutes zu tun und unseren Beitrag | |
zur Energiewende zu leisten.“ Sein Unternehmen habe bereits anderswo | |
Agrarflächen, aber die Röderland sei der erste große Betrieb, den es | |
übernehme. | |
Lemm entgegnete, auch er wolle Flächen für Solarstrom zur Verfügung | |
stellen. „Dafür ist auch nicht viel Geld nötig, denn ich könnte die Fläch… | |
an Unternehmen verpachten, die dann die Solaranlagen installieren und | |
betreiben.“ Mit der 5-jährigen Beschäftigungsgarantie schaffe es der 56 | |
Jahre alte Höppner vielleicht einigermaßen bis zur Rente, aber viele andere | |
der 35 Mitarbeiter seien jünger. „Fünf Jahre ist ja nichts in der | |
Landwirtschaft“, so Lemm. Er würde die Zahl der Milchkühe um ein Drittel | |
auf rund 570 erhöhen und die der Fleischrinder auf der Weide auf mindestens | |
300 verdoppeln. | |
Die AbL kritisierte, der Deal trage zur Konzentration in der Landwirtschaft | |
bei. „Branchenfremde Investoren treiben die Bodenpreise nach oben und | |
gefährden bäuerliche Betriebe“, sagte Jan Brunner, Geschäftsführer der AbL | |
Mitteldeutschland. Er befürchtet, dass die Quarterback den Betrieb | |
irgendwann wieder verkauft, während Bauern in Generationen dächten und vor | |
Ort wohnten. Er kündigte eine Protestaktion am Berliner Sitz der Deutsche | |
Wohnen am Montag an, sofern sie nicht ihre Position ändert. | |
Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) hat die Deutsche | |
Wohnen seinem Ministerium zufolge in einem Schreiben aufgefordert, „ihre | |
Beteiligung an der Quarterback Immobilien AG geltend zu machen und ihre | |
Zustimmung zu dem Erwerb der Agrargesellschaft zu verweigern“. Außerdem | |
prüfe der Landkreis Elbe-Elster gerade, ob der Verkauf das geltende | |
Grundstücksverkehrsrecht umgehe, schrieb das Ministerium der taz. Denn | |
Äußerungen der Quarterback ließen befürchten, „dass kein langfristiger | |
Erhalt des Landwirtschaftsbetriebs geplant ist“. | |
Die Deutsche Wohnen wies darauf hin, dass sie nur 40 Prozent der | |
Quarterback halte. Trotzdem bemühe man sich, „die Kommunikation zwischen | |
allen Beteiligten zu fördern“. | |
1 Mar 2023 | |
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[1] /Landgrabbing-in-Brandenburg/!5916810 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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