| # taz.de -- Kürzungen trotz Rekordhaushalt: Ändert endlich das Fördersystem! | |
| > Kleine Projekte sollen 2025 weniger Geld für ihre Arbeit bekommen. Das | |
| > müsste nicht sein, wenn das Land Berlin endlich mehr Einnahmen erzielen | |
| > würde. | |
| Bild: Hunderttausende setzten beim 47. Berliner CSD ein Zeichen für Vielfalt. … | |
| Auf den Straßen der Hauptstadt geht es gefährlich zu. Diese täglich | |
| erfahrbare Binsenweisheit wurde nun noch mal durch Daten der Bußgeldstelle | |
| der Berliner Polizei bestätigt. Parkverstöße, überfahrenes Rotlicht, zu | |
| schnelles Fahren: Wie der RBB berichtet, hat es 2024 in Berlin rund 4,2 | |
| Millionen Anzeigen wegen Verkehrsverstößen gegeben, noch mal 150.000 mehr | |
| als 2023. | |
| Problematisch daran ist auch, dass gut 400.000 Anzeigen im vergangenen Jahr | |
| überhaupt nicht geahndet wurden. Der Personalmangel der zuständigen | |
| Behörden soll schuld sein. Dem Land Berlin entgehen durch nicht | |
| eingetriebene Bußgelder immense Summen, der RBB kommt allein für 2024 auf | |
| rund zwölf Millionen Euro. | |
| Das ist in Zeiten klammer Haushaltskassen bitter. [1][Der Entwurf zum | |
| Doppelhaushalt 2026/27] sieht für das Land Berlin zwar neue Rekordausgaben | |
| vor, von derzeit 40 Milliarden soll es 2026 auf fast 44 Milliarden Euro | |
| hochgehen. Dennoch soll es zugleich in etlichen Bereichen weitere | |
| Einschnitte geben und zu Kürzungen kommen. | |
| Was hätte man mit den Bußgeldern gegen Verkehrsverstöße, wären sie denn in | |
| die Landeskasse geflossen, nicht alles anfangen können? | |
| ## Mehr als der „Tropfen auf dem heißen Stein“ | |
| Das Gerede vom „Tropfen auf dem heißen Stein“ ist hier fehl am Platze. Die | |
| nicht eingenommenen Bußgelder des Jahres 2024 (für dieses Jahr ist | |
| ähnliches zu erwarten) sind nur ein Beispiel dafür, wie man die | |
| Einnahmeseite des klammen Landes steigern könnte. | |
| Andere Vorschläge wie die Erhöhung der Citytax für die von [2][Overtourism] | |
| geplagte Stadt und ihrer Infrastruktur, [3][die Einführung einer | |
| Verpackungssteuer wie in Tübingen] und anderswo, höhere Beiträge fürs | |
| Anwohnerparken oder [4][die Abschaffung des kostenlosen Schulmittagessens] | |
| für alle Besserverdienenden liegen längst auf dem Tisch. | |
| Jede zusätzlich eingenommene Million zählt, weil sie hilft. Man muss sich | |
| nur mal verdeutlichen, was es bedeutet, wenn einem Verein fürs kommende | |
| Jahr schon sicher geglaubte Mittel – weil die Förderung sowieso Jahr für | |
| Jahr erneuert wurde – gestrichen werden, um der ewigen Litanei vom | |
| angeblich ausweglosen Sparkurs (bei gleichzeitiger Rekordverschuldung) | |
| etwas entgegenzuhalten. | |
| Nehmen wir als aktuellen Fall [5][den Sonntags-Club], die älteste, queere | |
| Institution im Osten Berlins, eines der wichtigsten Veranstaltungs-, | |
| Informations- und Beratungszentrum für Lesben*, Schwule, Bisexuelle, | |
| trans*, inter* und nicht-binäre Menschen sowie für alle Freund*innen und | |
| Interessierte. Dort gibt es drei vom Senat finanzierte Projekte, darunter | |
| die psychosoziale Beratung und die LGBTIQ*-Wohnberatung Queerhome*. | |
| Im Entwurf des Haushaltsplans für 2026/27 fehlt die Fördersumme für eine | |
| dritte und wichtige Projektstelle. Eine, die seit über zehn Jahren | |
| gefördert wurde. [6][Ginge diese Stelle verloren, wären sämtliche Angebote, | |
| die sich explizit an lesbische und bisexuelle Frauen und Flinta* richten, | |
| in Gefahr]. | |
| Der FrauenLesben*Freitag könnte nicht mehr betreut. Pro Jahr stünden | |
| 130 Veranstaltungen weniger auf dem Programm. Hinzu käme, dass neun | |
| Selbsthilfegruppen keine Betreuung mehr hätten. Das alles hängt an der | |
| Arbeit von Serena Raucci, so heißt die Kollegin, die diese Stelle seit fünf | |
| Jahren innehat. Die Fördersumme (inklusive Sachmittel) dafür beläuft sich | |
| auf rund 55.000 Euro, fürs Jahr. | |
| ## Eine einfache Rechenaufgabe | |
| Nehmen wir nun auf der anderen Seite noch die nicht eingetriebenen | |
| Bußgelder in Höhe von zwölf Millionen Euro. Wie viele Projektstellen wie | |
| die im Sonntags-Club ließen sich davon für ein Jahr finanzieren? Eine | |
| einfache Rechenaufgabe, lieber Senat. | |
| Es muss endlich die Einnahmeseite erhöht werden, statt weiter mit der | |
| Kürzungsschere zu hantieren. Dass dafür auch die (politisch motivierte) | |
| Einstellung geändert werden muss, liegt auf der Hand. Denn neben dem | |
| Sonntags-Club sollen weitere entsprechende Projekte betroffen sein. | |
| Auffallend dabei ist, dass es sich um kleinere Initiativen handelt, die | |
| sich mit ihren Angeboten an Frauen* wenden. So soll dem Projekt „BerTa“ in | |
| Buch eine Stelle gestrichen werden. Und in Spandau ist der Casa e.V. | |
| betroffen, der Beratung für Migrantinnen anbietet. Das alles hat ein | |
| Geschmäckle, das nach CDU riecht. | |
| Daher der Appell an diese schwarz-rote Senator*innenriege: Ändert eure | |
| Denke und werdet Vorreiter. Statt einzelne Projekte aus verschiedenen | |
| Senatstöpfen von Jahr zu Jahr zu fördern – wie es auch in der Jugendarbeit | |
| oder der Kulturbranche gang und gäbe ist –, muss dazu übergegangen werden, | |
| Vereinen wie dem Sonntags-Club eine bestimmte Zuwendungssumme | |
| bereitzustellen. Und das für einen längeren Zeitraum, von drei oder auch | |
| fünf Jahren. Und den Projekten selbst überlassen, wie und wofür diese | |
| Fördergelder verwendet werden. | |
| Das würde den bürokratischen Aufwand – Stichwort: Anträge, Berichte, | |
| Abrechnungen – erheblich senken, und zwar auf beiden Seiten. Und es würde | |
| den Projekten endlich mehr Planungssicherheit geben. Das wäre einer | |
| Regenbogen-Hauptstadt würdig. Habt Vertrauen, ändert das Fördersystem! | |
| 8 Aug 2025 | |
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| [5] https://sonntags-club.de/ | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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