| # taz.de -- Kritik an ARD-Israel-Korrespondentin: Was wir schützen müssen | |
| > Sophie von der Tann erhält für ihre Nahostberichterstattung den | |
| > Friedrichs-Preis und erfährt nun schärfste Kritik. Ein Angriff auf die | |
| > Pressefreiheit. | |
| Bild: Sophie von der Tann, Korrespondentin im ARD-Studio Tel Aviv, berichtet li… | |
| Sucht man dieser Tage nach [1][Sophie von der Tann], landet man mitten in | |
| der deutschen Nahost-Debatte. Ihre Arbeit als ARD-Korrespondentin in Tel | |
| Aviv, bekannt für sorgfältige Einordnung und transparente Quellen, ist | |
| erneut politischer Spielball. Auslöser ist die geplante Verleihung des | |
| Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises am 4. Dezember. | |
| Während die [2][FAZ die Entscheidung ein „fatales Zeichen“ nennt] und die | |
| [3][Jüdische Allgemeine sie als „grundfalsch“ und „aberwitzig“ kritisi… | |
| [4][warnt Reporter ohne Grenzen vor „Einschüchterungsversuchen“]. Nachdem | |
| der Pressesprecher der israelischen Streitkräfte, Arye Shalicar, sie als | |
| „das Gesicht vom neudeutschen Juden- und Israelhass“ bezeichnete, ist klar: | |
| Hier geht es weniger um journalistische Qualität als um ein aufgeheiztes | |
| Klima. | |
| Zwölf Initiativen fordern laut FAZ sogar eine „externe Untersuchung“ ihrer | |
| Arbeit. Konkreter Gegenstand der anhaltenden Kritik an ihrer Person ist | |
| etwa, dass sie im Juli dieses Jahres einen [5][New-York-Times-Artikel des | |
| Genozidforschers Omer Bartov] geteilt hatte, der Israel des Völkermords | |
| beschuldigt. Zudem soll sie laut Welt in einem Hintergrundgespräch darauf | |
| verwiesen haben, dass der 7. Oktober eine „Vorgeschichte“ habe. | |
| Das Gesamtbild ihrer Berichterstattung und auch der Inhalte ihrer | |
| Social-Media-Kanäle zeichnet allerdings ein anderes Bild, als es ihr FAZ, | |
| Welt oder die israelische Botschaft nun vorwerfen wollen. Von der Tann | |
| berichtet bereits seit 2021 aus Israel, spricht mehrere Sprachen, arbeitet | |
| mit vielen Quellen und macht transparent, was verifizierbar ist – und was | |
| nicht. | |
| ## Kein Krieg ohne Polarisierung | |
| Gerade im Gaza-Krieg ist das essenziell: Journalist:innen werden seit | |
| Langem nicht mehr in den Gazastreifen gelassen. Berichterstattung stützt | |
| sich zwangsläufig auf Menschen vor Ort, die eigene Perspektiven haben. | |
| Aufgabe von Journalist:innen ist es dann, diese Stimmen einzuordnen, | |
| nicht zu glätten. | |
| Wer das tut, wird jedoch in einer polarisierten Debatte schnell | |
| verdächtigt, „einseitig“ zu sein. Genau hier zeigt sich das zugrunde | |
| liegende Muster: In der Logik der Polarisierung kann eine Journalistin | |
| nicht gleichzeitig integer, menschenrechtsbewusst und ausgewogen sein. Jede | |
| Nuance wirkt wie Parteinahme. | |
| Von der Tann arbeitet auch bewusst dagegen an. In einer Reportage, in der | |
| sie mit der israelischen Armee Tunnelsysteme besucht, hält sie etwa fest: | |
| „Ob der Strom von den UN-Gebäuden kam, kann ich nicht überprüfen.“ Wie | |
| sollte man es noch transparenter machen, als zu sagen, was man weiß und was | |
| nicht und von wem die Informationen kommen? | |
| Die [6][taz-Autorin Gilda Sahebi schrieb] treffend: „Kein Krieg ohne | |
| Polarisierung.“ Doch diese Polarisierung verschiebt heute die Bewertung | |
| journalistischer Arbeit weg von Fakten – hin zu politischer Loyalität. | |
| ## Angriffe auf die Pressefreiheit | |
| Wie sehr Wahrnehmung statt Realität dominiert, zeigt [7][eine LMU-Studie]: | |
| Nur ein Viertel der Deutschen hält die Nahost-Berichterstattung für | |
| ausgewogen. 30 Prozent sehen eine Verzerrung zugunsten Israels, 9 Prozent | |
| zugunsten der Palästinenser:innen. Beides kann nicht gleichzeitig stimmen, | |
| doch die Debatte tut so, als müsse Journalismus die Erwartungen jeder Seite | |
| erfüllen. | |
| Was dabei unterschätzt wird: Angriffe auf einzelne Journalist:innen | |
| sind Angriffe auf die Pressefreiheit und den öffentlich-rechtlichen | |
| Rundfunk. Der ÖRR soll laut Medienstaatsvertrag die „demokratischen, | |
| sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft“ erfüllen. | |
| Das gelingt nur, wenn Korrespondent:innen wie von der Tann geschützt | |
| werden – ebenso wie die [8][wenigen Stimmen aus Gaza, die gegenwärtig | |
| überhaupt noch berichten können]. Und natürlich müssen gleichzeitig | |
| Menschen vor Antisemitismus und Rassismus geschützt werden. | |
| Dass von der Tann nun ausgezeichnet wird, ist daher kein politisches | |
| Statement, sondern eine Anerkennung journalistischer Professionalität. | |
| [9][BR-Informationsdirektor Thomas Hinrichs nennt ihre Arbeit] | |
| „unverzichtbar in einer Zeit, in der Desinformation an der Tagesordnung | |
| ist“. Die Frage sollte also nicht sein, ob uns von der Tanns Haltung | |
| gefällt, sondern wie wir unabhängige Berichterstattung schützen – bevor sie | |
| unter dem Druck der Polarisierung verschwindet. | |
| 3 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gut-und-boese-Erzaehlungen/!6099493 | |
| [2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien-und-film/medienpolitik/friedr… | |
| [3] https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/gratulation/ | |
| [4] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/artikel/pressemitteilungen/4148/rsf-kr… | |
| [5] https://www.nytimes.com/2025/07/21/opinion/letters/israel-gaza-hamas-genoci… | |
| [6] /Gut-und-boese-Erzaehlungen/!6099493 | |
| [7] /Vertrauen-in-Medien-waehrend-Nahost-Krieg/!6133020 | |
| [8] /Journalisten-in-Lebensgefahr/!6107599 | |
| [9] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/friedrichs-preis-fuer-sophie… | |
| ## AUTOREN | |
| Ann-Kathrin Leclere | |
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| 7. Oktober 2023 | |
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