# taz.de -- Kritik am Kohleausstiegsplan: Regierung missachtet Kompromiss | |
> Acht ehemalige Mitglieder der Kohlekommission werfen der Regierung vor, | |
> den Kompromiss zu untergraben. Das führe zu weit höheren CO2-Emissionen. | |
Bild: Auch am umstrttenen Tagebau Garzweiler hält die Bundesregierung weiter f… | |
BERLIN taz | Die Kritik am Kohleausstiegsplan der Bundesregierung wird | |
schärfer: Nachdem bisher schon einzelne Umweltverbände und | |
WissenschaftlerInnen gegen die in der letzten Woche erzielte Einigung der | |
Politik mit den Kohlekonzernen [1][protestiert hatten], haben sich am | |
Dienstag nun acht ehemalige Mitglieder der sogenannten Kohlekommission mit | |
einer [2][gemeinsamen Stellungnahme] zu Wort gemeldet. | |
Die drei WissenschaftlerInnen Barbara Praetorius, Felix Matthes und Hans | |
Joachim Schellnhuber kritisieren darin gemeinsam mit den Vertretern der | |
Umweltverbände BUND, Greenpeace und DNR sowie den RegionsvertreterInnen | |
Antje Grothus und Reiner Priggen, dass die Bundesregierung in zentralen | |
Punkten von der mühsam erreichten Einigung der Kommission abweiche. | |
Widerspruch zu dieser Einschätzung kam am Dienstag von den Gewerkschaften | |
DGB, Verdi und IG BCE, die ebenfalls in der Kohlekommission vertreten | |
waren. „Die geplante Umsetzung des Berichtes durch die Bundesregierung | |
entspricht in den wesentlichen Punkten den Ergebnissen der Kommission“, | |
hieß es in einer gemeinsamen [3][Erklärung]. Zwar bliebe der Ausstiegsplan | |
an einigen Punkten hinter dem Bericht der Kommission zurück, an anderen | |
gehe er aber darüber hinaus. | |
Ein wichtiger Kritikpunkt der Umweltverbände und -wissenschaftlerInnen ist, | |
dass die Braunkohlekraftwerke nicht, wie von der Kommission gefordert, | |
gleichmäßig vom Netz gehen, sondern jeweils gehäuft in den Jahren 2029 und | |
2038. „Die Braunkohle emittiert durch den veränderten Pfad bis 2030 | |
insgesamt 40 Millionen Tonnen mehr“, sagte Felix Matthes, Energieexperte | |
beim Öko-Institut. Das könne auch durch frühere Steinkohle-Stilllegungen | |
„nicht mal in Ansätzen“ wettgemacht werden. | |
## 40 Millionen Tonnen zusätzliche Emissionen | |
Antje Grothus von der Bürgerinitiative Buirer für Buir kritisierte vor | |
allem, dass am Tagebau Garzweiler fünf weitere Dörfer zerstört werden | |
sollen. Zwar hatte die Kommission nicht ausdrücklich deren Erhalt | |
gefordert, wohl aber, bei den Umsiedlungen „soziale und wirtschaftliche | |
Härten zu vermeiden“. Das werde nicht erfüllt, weil in Garzweiler alle | |
vorgesehenen Dörfer weichen müssten, obwohl dies nicht notwendig sei. | |
Auch dass in [4][Datteln] noch ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gehen | |
soll, lehnen die Verbände und WissenschaftlerInnen ab. Dass die Regierung | |
die dadurch zusätzlich entstehenden Emissionen [5][an anderer Stelle | |
komplett einsparen will], ändert daran nicht viel. Unabhängig von den | |
tatsächlichen Emissionen sei die Signalwirkung dieser Entscheidung auch | |
weltweit fatal, meint Kai Niebert vom DNR. | |
In einem neuen Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes, der der taz am Dienstag | |
vorlag, werden die Ankündigungen zum Ausgleich der Datteln-Emissionen noch | |
nicht umgesetzt. Das sei noch in Arbeit, hieß es aus Regierungskreisen. | |
Festgelegt wurde nun aber, dass die Emissionszertifikate, die durch den | |
Kohleausstieg frei werden, von der Bundesregierung stillgelegt werden. So | |
soll verhindert werden, dass diese in anderen Ländern genutzt werden können | |
und die Emissionen damit insgesamt nicht sinken. | |
Die Stilllegung erfolgt aber nicht direkt, sondern zunächst auf EU-Ebene. | |
Nur was dort nicht abgeschöpft wird, wird national gelöscht. Nach Ansicht | |
von Philipp Litz, Energieexperte beim Thinktank Agora Energiewende, ist | |
dieses Vorgehen „grundsätzlich sinnvoll“, solange sichergestellt werde, | |
dass die Berechnungen europaweit einheitlich erfolgen. | |
Auch Christoph Bals, Geschäftsführer der Umwelt- und | |
Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht es als „echten Fortschritt“, | |
dass die Regierung nun Zertifikate löschen lassen will. Er sagt aber auch: | |
„Unklar bleibt, wie das genau berechnet werden soll“, und fordert, den neu | |
geschaffenen Expertenrat dabei einzuziehen. Kritischer sieht Michael Pahle | |
vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung den Vorschlag. „Das ist ein | |
sehr kompliziertes Verfahren“, sagte er der taz. „Es wird auf diese Weise | |
sehr schwierig, genau auszurechnen, wie viele Zertifikate gelöscht werden | |
müssen.“ | |
21 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Co-Vorsitzende-der-Kohlekommission/!5654331 | |
[2] https://www.dnr.de/presse/pressemitteilungen/pm-2020/mitglieder-der-kohleko… | |
[3] https://www.dgb.de/presse/++co++ff59f4cc-3c4e-11ea-b83d-52540088cada | |
[4] /Neues-Steinkohlekraftwerk/!5655692 | |
[5] /Neues-Steinkohlekraftwerk/!5655692 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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