# taz.de -- Kreuzberger „MyFest“ abgesagt: Nüchtern in den Mai | |
> Auch in diesem Jahr findet das Straßenfest nicht statt. Der Bezirk habe | |
> die Vorbereitung bewusst verschleppt, kritisieren die Veranstalter:innen. | |
Bild: Opfer der eigenen Beliebtheit? Nachdem 2018 Zehntausende das Fest besucht… | |
BERLIN taz | Es ist ein harter Schlag für alle, die den [1][Kampftag der | |
Arbeiter:innenbewegung] am liebsten mit Open-Air-Konzerten, Köfte | |
und einem öffentlichen Besäufnis zelebrieren: Das Kreuzberger MyFest fällt | |
auch dieses Jahr wieder aus. Während die letzten drei Jahre das Straßenfest | |
aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden musste, scheitert es in diesem | |
Jahr an einem Streit zwischen Bezirk und Veranstalter:innen. | |
Halis Sönmez, Vorsitzender des MyFest e. V., gab am Dienstag in einem | |
offenem Brief die endgültige Absage bekannt. Darin erhob Sönmez schwere | |
Vorwürfe gegen Kreuzbergs Bürgermeisterin Clara Hermann (Grüne). Der Bezirk | |
hätte den Verein unter dem Vorwand rechtlicher Bedenken die Unterstützung | |
verwehrt und die Zusage für die erforderlichen finanziellen Mittel | |
verweigert. | |
„Wir sehen uns bewusst hingehalten, bis zu dem Zeitpunkt, an dem faktisch | |
das MyFest nicht weiter vorbereitbar“, heißt es in den fünfseitigen | |
Schreiben, das der taz vorliegt. Sönmez wirft dem Bezirksamt vor, | |
„vollständig unengagiert und unprofessionell“ zu handeln. | |
Das Bezirksamt kontert ebenfalls am Dienstag mit einer Pressemitteilung. | |
Das MyFest finde nicht statt, weil es anders als die Demonstrationen und | |
Kundgebungen an dem Tag keine politische Versammlung ist, sondern eine | |
kulturelle Veranstaltung, die deutlich aufwendigere Anträge mit langem | |
Vorlauf benötigt – unter anderem bräuchte es ein Sicherheitskonzept mit | |
Rettungswegen. Diese wurden allerdings laut Bezirksamt nie gestellt; und | |
staatliche Zuschüsse könnten erst nach Eingang entsprechender Anträge | |
bewilligt werden. | |
## Kreuzberg nur noch durchschnittlich-spießiger Bezirk | |
Sönmez ist verwundert über die Begründung des Bezirks – immerhin sei das | |
MyFest 2020 bereits in der selben Form genehmigt worden, bis die Pandemie | |
ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Ob das MyFest eine politische | |
Veranstaltung sei, entscheide schließlich die Versammlungsbehörde und nicht | |
der Bezirk. Informelle Zusagen hätte es in der Vergangenheit immer gegeben. | |
Heute seien die Rahmenbedingungen die gleichen, geändert hätte sich nur | |
Kreuzbergs Bürgermeisterin. | |
Sönmez Verdacht, der Bezirk habe einfach keine Lust mehr auf das | |
Straßenfest, klingt nicht ganz unbegründet. Zuletzt pilgerten 2019 | |
zehntausende Feierwütige nach Kreuzberg, um sich an kostenloser Musik und | |
Späti-Bier zu erfreuen. Angesicht [2][vollgepinkelter Hauseingänge und | |
gröhlender Jugendlicher], stieß das MyFest bei Anwohner:innen zunehmend | |
auf Widerstand: Schon 2019 wurde das Fest deutlich verkleinert. In einer | |
Umfrage sprachen sich weiterhin 60 Prozent für das MyFest in verkleinerter | |
Form aus. | |
Wirft man einen Blick auf die Genese des MyFestes, scheinen manche | |
Anwohner:innen zu vergessen, dass betrunkene Jugendliche lediglich das | |
kleinere Übel waren: Das Straßenfest wurde 2003 ins Leben gerufen, um die | |
[3][jährlichen Mai-Krawalle zu befrieden]. Das Konzept funktionierte, die | |
Revolutionäre 1.-Mai-Demo wurde über die Jahre immer zahmer. Mit dem | |
vorläufigen Ende des MyFestes scheint selbst in Kreuzberg die | |
kleinbürgerliche Spießigkeit gesiegt zu haben – kein Köfte, keine Musik, | |
keine Krawalle. | |
26 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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