# taz.de -- Konflikt in Libyen: Kriegsspiele im Mittelmeer | |
> Der Konflikt in Libyen spitzt sich im östlichen Mittelmeer zu. Die | |
> Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Libyens Kriegsparteien ist | |
> kompliziert. | |
Bild: Ein türkisches Kriegsschiff im Mittelmeer (Archivaufnahme) | |
TUNIS taz | Wie zugespitzt die Lage in Libyen mittlerweile ist, zeigte sich | |
am Mittwoch nicht [1][an der Front bei Sirte], wo sich seit dem Wochenende | |
die Kämpfer der Regierung im westlibyschen Tripolis und der „Libyschen | |
Nationalarmee“ (LNA) des ostlibyschen Generals Chalifa Haftar | |
gegenüberstehen. Im östlichen Mittelmeer identifizierte die griechische | |
Fregatte „Spetsai“, die im Rahmen der [2][EU-Marinemission „Irini“] zur | |
Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Libyens Kriegsparteien unterwegs | |
ist, das unter der Flagge Tansanias fahrende Frachtschiff „Cirkin“ als | |
möglichen Embargobrecher. | |
Laut CNN-Greece forderte der italienische Irini-Kommandeur seine | |
griechischen Nato-Kollegen auf, den Frachter per Hubschrauber zu | |
inspizieren. | |
Da funkte plötzlich der Kapitän eines von drei Begleitschiffen der | |
türkischen Marine, die hinter der „Cirkin“ fuhren, der Frachter stehe unter | |
dem Schutz der „türkischen Demokratie“. Die Griechen brachen die | |
Untersuchung ab und folgten dem türkischen Verband von den Dardanellen bis | |
in internationale Gewässer in Richtung Libyen. | |
Eine Irini-Sprecherin sagte gegenüber dpa, sie könne den Vorfall weder | |
bestätigen noch dementieren. Informationen zum Verlauf der Operation würden | |
als geheimhaltungsbedürftig eingestuft. | |
## Türkei und Russland als Paten | |
Jede Woche [3][pendeln dutzende Containerschiffe] zwischen der Türkei und | |
dem Regierungsgebiet Libyens. Mehrere türkische Fregatten liegen in | |
libyschen Hoheitsgewässern und haben mehrmals auf Seiten der Regierung in | |
die Kämpfe eingegriffen. Auch mit Drohnen, Söldnern und Ausrüstung hat die | |
Türkei Libyens Regierung gestärkt. | |
Diesen Bruch des seit 2011 geltenden Waffenembargos rechtfertigen der | |
türkische Präsident Recep Tayyib Erdoğan und Libyens Premierminister Fayez | |
al-Sarradsch als militärischen Beistand für eine legitime Regierung lauf | |
einem bilateralen Abkommen von November 2019. Russland hat parallel dazu | |
die Haftar-Truppen aufgerüstet und unterstützt. | |
Dank der türkischen Hilfe konnte die Regierung zuletzt die Haftar-Truppen | |
von der Hauptstadt Tripolis [4][zurückdrängen], bis zur 300 Kilometer | |
östlich gelegenen Stadt Sirte. Am Wochenende glaubten die Kommandeure von | |
Sarradsch auch Muammar al-Gaddafis ehemalige Heimatstadt schnell einnehmen | |
zu können. | |
Doch plötzlich waren die türkischen Bayraktar-Drohnen vom Himmel | |
verschwunden, bei Angriffen russischer Mig-29-Kampfflugzeuge starben am | |
Montag über 80 Regierungskämpfer, so viele wie noch nie an einem Tag in dem | |
14-monatigen Krieg. Sirte wird von Söldnern der privaten russischen | |
Sicherheitsfirma Wagner und der Haftar-treuen Brigade 604 verteidigt, nach | |
Aussagen von Bürgern in Sirte trotz Rückzugsbefehl aus der Befehlszentrale | |
in Ostlibyen. | |
Die Wagner-Söldner verteidigen nach Überzeugung vieler Beobachter russische | |
Interessen in Libyen, und bei Sirte scheint Moskau den | |
türkisch-westlibyschen Angriff stoppen zu wollen. | |
## Deutscher Botschafter sondiert | |
In Bengasi traf am Mittwoch der in Tunesien residierende deutsche | |
Botschafter für Libyen ein. Mit General Haftar erörterte Oliver Owcza die | |
Wiederaufnahme der 5+5-Gespräche, ein auf der Berliner Libyen-Konferenz im | |
Januar beschlossenes Gesprächsformat für Offiziere beider libyschen | |
Kriegsparteien. Auf dem Tisch liegt auch die [5][„Kairo-Initiative“] des | |
äygptischen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi, der am Samstag im Beisein | |
Haftars die Kämpfe in Libyen einseitig ab Montag für beendet erklärt hatte. | |
Doch darauf will sich die Tripolis-Regierung ebenso wenig einlassen wie auf | |
die Idee eines innerlibyschen Dialogs, die Parlamentschef Aguila Saleh in | |
Abgrenzung zu Haftar ins Spiel gebracht hat. Owcza diskutierte vor seinem | |
Rückflug nach Tunis auch mit Saleh in dessen Hauptquartier, einer leeren | |
Kaserne in der Kleinstadt Gubba unweit der ägyptischen Grenze. | |
Das Parlament, das in Ostlibyen angesiedelt ist, hat nach Aussage von | |
Parlamentariern gegenüber der taz nicht genügend Geld, um die wegen der | |
Coronakrise in alle Landesteile verstreuten 200 Abgeordneten | |
zusammenzutrommeln. | |
11 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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