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# taz.de -- Interveniert Ägypten im Libyenkrieg?: Drohgebärden aus Kairo
> Ägypten droht mit einer Militärintervention in Libyen. Kairo will das
> Nachbarland nicht Russland und der Türkei überlassen.
Bild: Tripolis, Libyen: Ein Kämpfer der Regierungsarmee beobachtet Positionen …
Kairo taz | Wohl nicht zufällig zeigte das ägyptische Staatsfernsehen, wie
Kampfjets im Tiefflug über eine Militärbasis an der libyschen Grenze
donnerten, die der Präsident Abdel Fattah al-Sisi am Wochenende besuchte.
Es war eine Machtdemonstration und eine Drohgebärde in Richtung der anderen
Seite der Grenze. Sisi richtete dann auch noch Worte an seine Generäle und
Soldaten, die wie eine Warnung klangen: „Erlauben Sie mir, Ihnen zu danken,
dass Sie auf jede Mission vorbereitet sind, egal ob innerhalb unserer
Grenze oder, wenn es sein muss, außerhalb.“
Auf der libyschen Seite der Grenze geschieht derzeit etwas, das so gar
nicht nach dem Geschmack des ägyptischen Präsidenten ist. Eine 14-monatige
Offensive des von Ägypten unterstützten Generals Chalifa Haftar gegen die
Hauptstadt Tripolis war letzten Monat zusammengebrochen. Das dortige
Kriegsblatt hat sich damit gewendet. Nun sind es die Milizen der in
Tripolis sitzenden und von den Vereinten Nationen anerkannten Regierung von
Premierminister Fajis al-Sarradsch, die sich auf dem Vormarsch befinden –
nach Osten, in Richtung Ägypten.
Die [1][Kämpfe drehen sich derzeit um die Stadt Sirte], die auf dem
libyschen Kriegsfeld so etwas ist wie die Mittellinie zwischen den beiden
Machtblöcken im Westen und Osten des Landes. Daneben liegt auch die für
Haftar und seine ausländischen Unterstützer wichtige Luftwaffenbasis
al-Jufra.
„Wenn jemand glaubt, er könne diese rote Linie überschreiten – ich meine
Sirte und al-Jufra, dann muss ihm klar sein, dass dies für uns eindeutig
eine rote Linie ist“, erklärte Sisi bei seinem Besuch der Militärbasis. Er
kündigte auch an, weitere Milizen im Osten Libyens auszubilden, wenngleich
er General Haftar nicht namentlich erwähnte. „Nur die Libyer können am Ende
Libyen verteidigen. Wir sind bereit, ihnen zu helfen. Bringt uns die jungen
Männer der Stämme und wir trainieren sie, bereiten sie vor und bewaffnen
sie unter unserer Aufsicht“, versprach Sisi.
## Misstrauen gegenüber der Türkei
Ägypten, das neben den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland zu den
größten Unterstützern Haftars zählt, macht der Vormarsch der Milizen aus
Tripolis sichtlich nervös. Besonders, weil deren militärische Erfolge
direkter türkischer Unterstützung geschuldet sind. Ägypten sieht die
Regionalmacht Türkei als seinen größten Konkurrenten in der Region – auch
ideologisch: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gilt als einer
der wichtigsten Unterstützer der Muslimbruderschaft, einst Sisis [2][größte
politische Rivalen im eigenen Land].
Das Misstrauen zwischen Sisi und Erdoğan ist groß: Für Sisi ist der
türkische Präsident der größte Sponsor der Muslimbruderschaft. Erdoğan
seinerseits wird niemals vergessen, dass der ägyptische Präsident den
gescheiterten Putsch in der Türkei gegen ihn willkommen hieß.
Dass Ägypten eine größere Zahl Soldaten nach Libyen schickt, ist aber eher
unwahrscheinlich. Ägyptens Generäle dürften zögern, sich in einen längeren
Abnutzungskrieg verwickeln zu lassen, bei dem es am Ende keinen
militärischen Sieger gibt. Außerdem ist die ägyptische Armee immer noch mit
einem Guerillakrieg im Norden der Sinai-Halbinsel beschäftigt, wo ihr
militante Islamisten das Leben schwer machen. Daneben droht dem Land gerade
noch eine weitere – derzeit noch politische – Front mit dem [3][Streit um
einen gigantischen äthiopischen Nilstaudamm], der Ägyptens strategische
Wasserreserven bedroht.
## Bodenoffensive ist unwahrscheinlich
Sollte Ägypten tatsächlich in Libyen militärisch intervenieren, wird es
wohl eher seine Luftwaffe zum Einsatz bringen. Wahrscheinlich aber ist,
dass diese ägyptische Drohgebärde Teil eines größeren Bildes ist. Im
Hintergrund handeln schon seit Wochen die Türkei und Russland eine Linie
aus, wie weit die Milizen aus Tripolis vorrücken können. Wie weit können
sie gehen und dabei türkische Unterstützung genießen und wann kommt der
Punkt, an dem sie von russischen Kampfjets angegriffen werden, die
ebenfalls im Osten Libyens auf Seiten Haftars stationiert sind?
Sisi und seine Strategen haben eines verstanden: Nur jene Mächte, die
militärisch Präsenz zeigen haben auch ein gewichtiges Wort bei möglichen
Verhandlungen über die Zukunft mitzureden. Da möchte Ägypten als direktes
Nachbarland nicht außen vorgelassen werden.
23 Jun 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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