# taz.de -- Kommentar kirchliches Arbeitsrecht: Falsche Loyalitäten | |
> Das kirchliche Arbeitsrecht hat kaum etwas mit der Lebensrealität zu tun. | |
> Entscheidend sollte die Hingabe der Mitarbeiter sein. | |
Bild: Religionszugehörigkeit ist Eintrittskarte zu Jobs, Schulen, Kitas, Pfleg… | |
Diskriminierung in Deutschland wird bezahlt. Und zwar von rund 24 Millionen | |
Katholiken. Bei der Konkurrenz, der evangelischen Kirche, sind etwa 21 | |
Millionen registriert. Sie alle drücken Kirchensteuern ab, nicht zu knapp, | |
und ohne viel Gemotze. Die Religionszugehörigkeit ist allerdings nicht nur | |
privat. Sie ist die Eintrittskarte zu Jobs, Schulen, Kitas, | |
Pflegeeinrichtungen. | |
Die beiden christlichen Kirchen zählen in Deutschland zu den größten | |
Arbeitgebern. In der Pflege, in der Betreuung von Kindern und Kranken | |
beschäftigen sie Tausende Menschen. Sie kümmern sich um Ausgegrenzte, Arme, | |
in Deutschland wie in Entwicklungsländern. Die MitarbeiterInnen der Kirchen | |
füllen, das sei ausdrücklich gesagt, mit ihrer vom Glauben motivierten | |
Arbeit oft gesellschaftliche Leerstellen. | |
Wahr ist aber auch: Damit sie diese Aufgaben erfüllen können, werden die | |
Kirchen zusätzlich subventioniert vom Staat. Sie verfügen über eine | |
mächtige Infrastruktur, in der eigene Regeln gelten: das kirchliche | |
Arbeitsrecht, das eine einzigartige juristische Sonderstellung genießt. Und | |
die ist ein Problem. Sowohl die katholische als auch die evangelische | |
Kirche argumentieren mit ihrem besonderen Auftrag, die Glaubwürdigkeit des | |
Evangeliums aufrechtzuerhalten. Und sie fordern unbedingte Loyalität von | |
denen, die in ihren Diensten stehen. Doch gerade diese Loyalität wird oft | |
mit Füßen getreten. | |
Im aktuellen Fall des Europäischen Gerichtshofs geht es um einen | |
katholischen Chefarzt, der seinen Job verliert, weil er wieder geheiratet | |
hat. Andernorts darf eine Pflegerin nicht an der Mitarbeitervertretung | |
teilnehmen, weil sie der vermeintlich falschen Konfession zugehörig ist. | |
Immer wieder müssen staatliche Gerichte durchsetzen, dass Angestellte | |
christlicher Institutionen sich als Belegschaft überhaupt organisieren | |
dürfen. Und wer bewusst Nein zur Kirche sagt, hat in manchen Gegenden kaum | |
Chancen auf einen Job im Sozialbereich. Etwa in der Region Köln, wo | |
„weltliche“ Träger rar sind. | |
Das kirchliche Arbeitsrecht mag diese Entscheidungen und Regeln | |
rechtfertigen. Mit der Lebensrealität der MitarbeiterInnen haben sie nur | |
wenig zu tun. Ob sie geschieden oder schwul sind, ob sie uneheliche Kinder | |
haben – all dies sind menschliche Merkmale – und keine für gute Arbeit. | |
Was zählen sollte: Hingabe, Selbstaufgabe, die Entscheidung, in Berufen zu | |
arbeiten, die an die körperlichen wie psychischen Grenzen gehen. Die | |
kirchlichen Arbeitgeber brauchen genau diese MitarbeiterInnen. Wenn sie den | |
Dienst am Menschen ernst nehmen, müssen sie sich bewegen. | |
11 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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