# taz.de -- Kommentar Zuverlässigkeit von Polizisten: Wir haben ein Problem | |
> Wie schaffen wir es, dass die Polizei überall mehrheitlich demokratisch | |
> gesinnt ist? Diese Aufgabe darf nicht allein Politikern überlassen | |
> bleiben. | |
Bild: Im Zwielicht: die Polizei selbst | |
Es ist eine Razzia, die kommt wie bestellt. Gerade erst, an diesem | |
Mittwochabend, kommen in Kiel die Innenminister Deutschlands zu ihrer | |
Frühjahrskonferenz zusammen. Am Donnerstag sitzen sie dort den ganzen Tag | |
beieinander. Sie wollen über die Sicherheit in Deutschland reden, über die | |
Situation in der Polizei und darüber, welche gemeinsame Aufgaben die | |
Behörden vor sich haben. Und was passiert dann, kurz vor Beginn des | |
Ministertreffens, am Mittwochmorgen in Mecklenburg-Vorpommern? Eine Razzia | |
in 14 Objekten, vier Festnahmen von aktiven und ehemaligen SEK-Polizisten. | |
Die Vorwürfe: Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, gegen das | |
Waffengesetz, Betrug. Die Männer sollen ab 2012 staatliche Munition | |
entwendet und bei einem von ihnen gehortet haben: Marko G., der auch Kopf | |
einer norddeutschen Preppergruppe war, [1][sich auf einen „Tag X“ | |
vorbereitet hatte], der Prepper-Chatgruppen administrierte, inzwischen von | |
Behördenvertretern und Sicherheitspolitikern als rechtsextrem eingestuft | |
wird und [2][Kontakte zum Bundeswehrsoldaten André S. alias Hannibal in | |
Süddeutschland unterhielt]. | |
Eine Razzia fast so, als wäre sie pünktlich serviert worden – als | |
Debattenvorlage für Tagesordnungspunkt 34, der als einer unter rund 70 | |
Tagesordnungspunkten heute auch schnell mal wieder zu kurz kommen könnte: | |
die „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ bei der Polizei. Gut, dass heute darü… | |
geredet wird. Mal schauen, wie viele Minuten das dauert. | |
Zuverlässig? Tja. Deutsche Polizeibehörden haben ein Problem, nicht erst | |
seit Ende 2018 bekannt wurde, dass eine Frankfurter Anwältin mit türkischem | |
Migrationshintergrund einen mit „NSU 2.0“ unterzeichneten [3][Drohbrief] | |
erhalten hatte, der persönliche Daten enthielt, die mutmaßlich aus | |
Polizeicomputern in Frankfurt am Main stammten. Lorenz Caffier, | |
Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern (CDU), hat das Problem mit der | |
Zuverlässigkeit schon viel länger – und zwar inzwischen im Endstadium. | |
## Bundesanwaltschaft vertraute Landespolizei nicht | |
Caffier, der den am Mittwoch festgenommenen Marko G. einst für seine | |
besondere Schießfertigkeit auszeichnete, muss einräumen: Da lief das mit | |
der Zuverlässigkeitsüberprüfung damals wohl eher mittelmäßig. | |
Wie nahe das Problem Caffier und damit seinem gesamten Bundesland gerückt | |
ist, zeigte bereits 2017 der Umstand, dass die Bundesanwaltschaft seiner | |
Landespolizei nicht vertraute, als sie mit umfangreichen Ermittlungen auch | |
gegen einen weiteren Polizisten aus dem Prepper-Milieu in | |
Mecklenburg-Vorpommern ermittelte. Der Vorwurf damals wie heute: | |
Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – mögliche | |
rechtsterroristische Pläne. | |
Caffiers Problem zeigt sich auch dadurch, dass eine Sonderermittlungsgruppe | |
des Landeskriminalamts in Mecklenburg-Vorpommern nur abgeschottet ermitteln | |
konnte, weil es fürchten musste, die Ermittlungen ansonsten zu gefährden. | |
Und es zeigt sich durch den Umstand, dass schließlich am Mittwoch auch ein | |
Schießstandbetreiber und Waffenhändler durchsucht wurde, bei dem sich das | |
Sondereinsatzkommando (SEK) in Mecklenburg-Vorpommern in der Vergangenheit | |
immer wieder ausbilden ließ – mit Fotogelegenheit für den Minister. | |
Das sind viele Probleme auf einmal, und wenn wir nun ehrlich sind, müssen | |
wir sagen: Es sind nicht die Probleme der – ausschließlich männlichen – | |
Landesinnenminister und nicht die von Lorenz Caffier, der in seinen 13 | |
Amtsjahren als Innenminister noch jedes Problem aussitzen konnte. | |
Es sind unsere Probleme. | |
Welche Polizei wollen wir haben? Und wie stellen wir sicher, dass in fünf, | |
in zehn und in fünfzehn Jahren auch in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin die | |
Mehrheit der Polizisten zuverlässige Demokraten sind – dass sie für eine | |
offene, vielfältige und gute Polizei stehen, der jeder Mensch vertrauen | |
kann? Wie wird die deutsche Polizei, was sie noch nicht ist? | |
Das zu diskutieren, dazu haben die deutschen Innenminister heute eine gute | |
Gelegenheit, aber sicherer ist es gewiss, wenn diese Debatte nicht allein | |
Männern wie Lorenz Caffier überlassen wird. | |
13 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Rechte-Umsturz-Aufrufe/!5599939 | |
[2] /Rechte-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5602749 | |
[3] /Staatsschutz-ermittelt-gegen-Beamte/!5556622 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk | |
Polizei | |
Lorenz Caffier | |
Mecklenburg-Vorpommern | |
rechtsextrem | |
Prepper | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk | |
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Essay rechte Netzwerke: Herbeigesehnter Bürgerkrieg | |
Was hat Höckes AfD mit der Hannibal-Affäre und dem Lübcke-Mord zu tun? Eine | |
historische und aktuelle Spurensuche. | |
Rechte Umsturz-Aufrufe: „Schließt euch an!“ | |
Rechte sehen einen „Tag X“ aufkommen – und rufen Polizisten, Soldaten und | |
Verfassungsschützer zum Widerstand auf. | |
Rechte in Mecklenburg-Vorpommern: Razzia bei Nordkreuz-Administrator | |
Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern sollen Munition vom LKA gestohlen | |
haben. Einer ist Mitglied der früheren Prepper-Gruppe „Nordkreuz“. | |
MAD-Prozess in Köln: Freispruch für einen Geheimnisträger | |
Ein Mitarbeiter des Bundeswehrnachrichtendienstes soll „Hannibal“ vor | |
Ermittlungen gewarnt haben. Der Offizier wurde nun freigesprochen. |