# taz.de -- Kommentar Urteil zur FDLR-Miliz: Taten ohne Täter | |
> Ruandische Rebellen haben im Kongo Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
> begangen. Zu belangende Täter wird es wohl nie geben. | |
Bild: Ignace Murwanashyaka, oberster Führer der FDLR, 2011 im Oberlandesgerich… | |
Straflosigkeit beenden, Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen – es sind | |
hehre Ziele, die sich die internationale Gemeinschaft seit einem | |
Vierteljahrhundert auf die Fahnen schreibt. Ad-hoc-Tribunale, der | |
Internationale Strafgerichtshof, das Weltrechtsprinzip, in Deutschland das | |
Völkerstrafgesetz: Es existiert mittlerweile ein beeindruckender | |
juristischer Apparat, der dafür sorgen soll, dass schwerste | |
Menschheitsverbrechen nicht länger ungesühnt bleiben. | |
Wie schwierig das aber in den Mühen des juristischen Alltags ist, zeigt | |
sich jetzt wieder einmal in Deutschland. Seit rund zehn Jahren jagen | |
deutsche Behörden die in Deutschland lebenden politischen Führer [1][der im | |
Kongo kämpfenden FDLR-Miliz – ein Sammelbecken flüchtiger Völkermordtäter | |
aus Ruanda] und ihrer auf Revanche für ihren Sturz sinnenden Anhänger – für | |
die von der Miliz verübten Verbrechen. | |
Nun hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden: FDLR-Präsident | |
Ignace Murwanashyaka, oberster politischer und militärischer Führer der | |
Organisation und seit 2009 in deutscher Haft, ist nicht als Täter zu | |
belangen, wie es die Anklage gefordert hatte – und sogar seine | |
erstinstanzliche Verurteilung wegen Beihilfe durch das Oberlandesgericht | |
Stuttgart vor gut drei Jahren muss neu verhandelt werden. | |
Dem gegenüber steht eine andere Feststellung aus Karlsruhe: [2][Die FDLR | |
hat im Kongo sehr wohl Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen] – also | |
systematisch Kongos Zivilbevölkerung angegriffen – und nicht nur | |
Kriegsverbrechen im Kampf gegen Kongos Armee, wie die Stuttgarter Richter | |
kurioserweise geurteilt hatten, nachdem sie aus Zeitmangel drei Viertel der | |
Anklage hatten fallen lassen müssen. | |
## Bewältigung der Gegenwart | |
Für die kongolesischen Überlebenden der FDLR-Angriffe mag es eine | |
Genugtuung sein, dass die Schwere der an ihnen verübten Gräuel endlich von | |
einem Gericht anerkannt wird. Zumindest einige wenige Taten werden jetzt | |
korrekt identifiziert. Aber zu belangende Täter – die gibt es nach wie vor | |
nicht. Und es wird sie wohl auch nie geben. | |
Auf ähnliche Probleme in diesem Bereich stößt derzeit ein ums andere Mal | |
der Internationale Strafgerichtshof. Denn solange eine bewaffnete Gruppe, | |
die Verbrechen an Zivilisten verübt, weiter militärisch aktiv ist und | |
Menschen vor ihr Angst haben müssen, bleibt es unmöglich, in ihrem | |
Wirkungsgebiet angemessen zu ermitteln und auch Opferzeugen in einer | |
gerichtlich verwertbaren Weise aussagen zu lassen. Verurteilen lassen sich | |
Verbrecher erst, wenn ihre Verbrechen Geschichte sind. Die Bewältigung der | |
Gegenwart aber ist in erster Linie Sache der Politik. | |
20 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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