# taz.de -- Kommentar Sachsens Ministerpräsident: Scheitert Kretschmer, scheit… | |
> Sachsens Ministerpräsident hat zuletzt Zweifel an seinen Fähigkeiten | |
> aufkommen lassen. Man muss ihm trotzdem die Daumen drücken. | |
Bild: Auge in Auge mit der AfD? Michael Kretschmer in einer Ausstellung in Hoye… | |
Nichts tut mehr weh, als sich einzugestehen, dass Michael Kretschmer | |
vielleicht die letzte Chance ist. Die Sachsen wählen am 1. September 2019. | |
Kretschmer will Ministerpräsident bleiben. Und verhindern, dass die AfD in | |
die Regierung kommt. Im vergangenen Jahr hat er gegen die Rechten schon | |
verloren, da war er noch CDU-Bundestagsabgeordneter und wurde im Wahlkreis | |
vom AfD-Konkurrenten verdrängt. Ministerpräsident wurde er nur, weil die | |
AfD bei der Bundestagswahl auch sachsenweit die CDU überholte und Stanislaw | |
Tillich zurücktrat. | |
Gerade hat Kretschmer in drei Wochen dreimal gezeigt, dass ihm entweder | |
Grundkoordinaten fehlen oder Professionalität oder beides. In Woche eins | |
sprach er [1][ZDF-Journalisten, die bei einer Pegida-Kundgebung bedrängt | |
wurden,] die Seriosität ab. | |
In Woche zwei behauptete er pauschal, die Polizei und somit auch deren | |
Führung habe in Chemnitz [2][einen super Job gemacht,] nachdem die ganze | |
Republik im Fernsehen auftrumpfende Nazis gesehen hatte. | |
In der dritten Woche, am vergangenen Mittwoch, [3][stritt er in einer | |
Regierungserklärung einfach mal ab,] dass es in Chemnitz einen Mob gegeben | |
habe – der vor aller Augen getobt hatte. | |
## Immer mehr Abschiebungen | |
Ja, genau, das ist der Mann, dem man die Daumen drücken muss. In Sachsen | |
kann es leicht passieren, dass CDU, SPD und Grüne oder FDP nicht mal eine | |
Dreier- oder gar Viererkoalition zusammenkratzen können. Die SPD ist im | |
Freistaat schon lange eine Miniatur. Die CDU darbt. Ihre fetten Jahre | |
erlebte sie unter Kurt Biedenkopf. Zur Profilierung gehörte es, die | |
Linkspartei zu verteufeln. War von Rechtsextremismus die Rede, musste bitte | |
schön auch über den Linksextremismus räsoniert werden. | |
Kretschmer schließt Bündnisse sowohl mit der AfD als auch mit der Linken | |
aus. Brächte er ohne Tabubruch keine Mehrheit zustande, würde er wohl eher | |
neu wählen lassen, was die Landesverfassung nach vier Monaten ermöglicht. | |
Die Frage ist, wie lange die sächsische CDU ihn machen lässt. Einige in der | |
Landespartei haben ihre Sympathie für eine Allianz mit der AfD schon heraus | |
posaunt: Ein Europaabgeordneter, eine Bundestagsabgeordnete, ein | |
Baubürgermeister. In der Landtagsfraktion sind viele konservativer als der | |
Ministerpräsident. Steht er am Wahlabend schlecht da, kann es schnell | |
gehen. Kretschmer weg, Tabus weg, AfD da. | |
Aber ist es nicht egal, wo doch der CDU-Ministerpräsident schon heute | |
politische Vorstellungen der AfD umsetzt? Sachsen will Ankerzentren für | |
Flüchtlinge. Kretschmer verlangt, es müssten immer mehr Menschen | |
abgeschoben werden. | |
Trotzdem ist der Unterschied riesig. Kretschmer ist ein Demokrat, viele | |
Positionen von ihm kann man ablehnen; allerdings hat er auch diese Woche | |
dem Rechtsextremismus eindeutig den Kampf angesagt. Die AfD will die | |
freiheitliche Demokratie zerstören. Wenn sie in Dresden regierte, ginge es | |
nicht nur um die Vorherrschaft in den Köpfen, sondern um finanzielle und | |
personelle Hegemonie. Die Institutionen würden umgepolt. Der Staat würde | |
von innen bekämpft. | |
## Kretschmer kämpft | |
Kretschmer wird es schwer haben. Er wird schon jetzt fast zerrieben. Und | |
was ist eigentlich sein Kern? Der Markenkern von Annegret Kramp-Karrenbauer | |
oder Volker Bouffier ist: Ich bin für Angela Merkel. Der Markenkern von | |
Jens Spahn oder Horst Seehofer ist: Ich bin gegen Merkel. Die Debatte um | |
Merkel und die Flüchtlinge hat nach Chemnitz Hochkonjunktur. Dass das alte | |
Schlossgespenst Seehofer wieder aus dem Wandschrank kommt, ist ein | |
untrügliches Zeichen dafür. | |
Kretschmer ist ein bisschen gegen Merkel und ein bisschen für sie. Schärft | |
er die Gegensätze zu ihr, wirkt er in Sachsen wie eine Coverversion der | |
AfD. Macht er auf Team Merkel, holt er niemanden von der AfD zurück. Der | |
Mann ringt um seine Mitte. | |
Er kämpft. [4][In seinen „Sachsengesprächen“] fährt er durchs Land und | |
setzt sich allem aus, den Vorhaltungen, Vorurteilen und | |
Verschwörungstheorien. Er absolviert so dermaßen viele Termine, als wäre | |
das Flächenland bloß ein Wahlkreis, als wollte er das Die-da-oben-Klischée | |
der AfD im Alleingang widerlegen. Zwölf Monate. | |
Doch scheitert Kretschmer, scheitert viel mehr: Die Demokratie würde im | |
größten ostdeutschen Bundesland erschüttert. Die Rechtsextremen bekämen | |
Macht, ganz unmittelbar. | |
Aber wird die AfD in Sachsen besiegt, dann hat sie ein Problem. | |
8 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Georg Löwisch | |
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